Das Heilige Abendmahl gehört wie die Predigt zum Wesenskern der evangelisch-lutherischen Kirche. Und die Evangelische Landeskirche in Württemberg ist ihrem Bekenntnis nach eine lutherische. Im zentralen reformatorischen Bekenntnis - dem Augsburger Bekenntnis von 1530 - heißt es in Artikel 10:
"Vom Abendmahl des Herrn wird so gelehrt, dass der wahre Leib und das wahre Blut Christi wirklich unter der Gestalt des Brotes und des Weins im Abendmahl gegenwärtig ist und dort ausgeteilt und empfangen wird."
Das Abendmahl ist für lutherische Protestanten mehr als ein Symbol oder eine Erinnerung. Es ist ein Sakrament, also ein direktes Zeichen der Gegenwart Gottes. Wie soll man nun aber Leib und Blut Christi empfangen, wenn man gar nicht vor Ort ist? Eine Frage, die vor allem während der Corona-Pandemie zentral wurde, als viele Menschen aus Furcht vor einer Ansteckung nicht in die Kirche gingen, und Abendmahlsfeiern im Gottesdienst untersagt waren. Es war die Stunde der Fernseh- und Digitalgottesdienste.
Landeskirche probte digitales Abendmahl
Am Bildschirm predigen - okay. Aber digital das Abendmahl austeilen? Die württembergische Landeskirche startete 2022 eine Versuchsphase, in der solche Abendmahlsfeiern nach einer vorläufig erstellten Ordnung erprobt wurden. Jetzt soll die Agende - also das gottesdienstliche Regelwerk - dauerhaft um einen Part zum digitalen Abendmahl erweitert werden. Der Entwurf dazu soll auf der Sommertagung des Kirchenparlaments an diesem Freitag und Samstag in Stuttgart eingebracht werden. Anschließend werden die zuständigen Ausschüsse darüber beraten. Eine finale Beschlussfassung wird bei einer der nächsten Synodentagungen erwartet.
Ein Befürworter des digitalen Abendmahls ist Heiko Bräuning. Der württembergische Theologe und Autor ist Macher des wöchentlichen TV-Gottesdienstes "Gunst der Stunde". Jeden 4. Sonntag im Monat feiert er darin auch Abendmahl. Initialzündung für ihn sei die Erfahrung als Fernsehpfarrer gewesen, dass ein älteres Ehepaar nach einem schweren Schlaganfall schließlich so pflegebedürftig gewesen sei, dass es nicht mehr in den Gottesdienst gehen konnte. In der seelsorgerlichen Arbeit mit dem Ehepaar sei ihm aber deutlich geworden, wie wichtig den beiden das Abendmahl war.
Für ihn verlässt die Kirche mit dem Angebot eines "digitalen" Abendmahls nicht den Rahmen des Erlaubten. Luthers Bekenntnisschriften seien in einer Zeit entstanden, in der es Radio und Fernsehen noch nicht gab. "Auch Jesus wusste weder etwas von Handy noch von ARD oder ZDF. Paulus auch nicht", sagt der Theologe:
"Es braucht neue Bekenntnisschriften für die virtuelle Gemeinde."
Die Produzenten von "Gunst der Stunde" seien überzeugt davon, dass Christus auch im Fernseh-Abendmahl auf "mysteriöse und geistliche Weise" gegenwärtig sei. Es sei einem "klassischen" Abendmahl ebenbürtig.
Theologe: Digitales Abendmahl nicht ohne Not
Zurückhaltender ist da der Tübinger Theologieprofessor Jürgen Kampmann. Nach seinem Dafürhalten sollten Kirchengemeinden auch unter schwierigen Bedingungen nicht ohne Not auf eine rein digitale Weise der Begegnung umsteigen. Weniger wert oder gar "minderwertig" sei das Abendmahl in digitaler Form aber nicht:
"Denn das Abendmahl ist von Christus nur in einer, und zwar der von ihm bestimmten und gewirkten Qualität eingesetzt."
Um dem Missverständnis entgegenzuwirken, es könnte zwei in ihrer Qualität unterschiedliche Mahl-Feiern geben, sieht der Entwurf der württembergischen Ordnung für Abendmahlsfeiern, bei denen nicht alle an einem Ort sind, verpflichtend vor, dass die Teilnehmer die Einsetzungsworte ("Das ist mein Leib… Das ist mein Blut…") mitsprechen. Kampmann: "Dadurch steht außer Zweifel, dass genau das in der Feier je für meine Person auch zur Wirklichkeit wird, was Christus eingesetzt hat." Damit alle die Einsetzungsworte mitsprechen können, sollen sie bei digitalen Übertragungen eingeblendet werden.
Kommentare
Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.
Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.
Anmelden