Oblaten nach kanonischem Recht
Es ist laut. Und es duftet. Backtag in der Hostienbäckerei Klumpp im baden-württembergischen Ochsenhausen bei Ulm: Geschäftsführer Ralf Klumpp und seine Mitarbeiter haben alle Hände voll zu tun. Zunächst werden Weizenmehl und Wasser mit einer überdimensionalen Teigrührmaschine vermengt.
"Wir backen strikt nach kanonischem Recht, dem sogenannten Codex luris Canonici", erklärt der Katholik Klumpp.
Das Gesetzbuch des Kirchenrechts der katholischen Kirche untersagt weitere Zutaten.
Gravur mit christlichen Motiven
Der Teig wird auf eine Maschine mit 19 rotierenden Waffeleisen aufgetragen. Dort entstehen die Grundplatten für die Hostien. In den Deckeln der Backeisen sind runde Felder mit verschiedenen christlichen Motiven eingraviert, die den Oblaten eingeprägt werden, darunter das Kruzifix, das Lamm Gottes mit Siegesfahne und das Alpha und Omega. "Insgesamt gibt es rund 1.000 verschiedene Motive, Größen und Ausführungen", erklärt Klumpp.
Mit 83 Jahren die älteste Mitarbeiterin
Nach einer kurzen Lagerungszeit in einem Raum mit spezieller Luftfeuchtigkeit werden die Hostien ausgestanzt und abgezählt. Teils übernehmen das Maschinen, teils geschieht das von Hand. Routiniert stanzt Toni Gall im Nebenraum Hunderte Hostien aus. Die 83-Jährige ist Klumpps Tante, und seine älteste Mitarbeiterin. Seit 68 Jahren ist sie in der Hostienbäckerei beschäftigt.
"Bekäme man für jede Hostie einen Pfennig, wäre ich heute Multimillionärin", sagt sie lachend und verpackt die fertigen Hostien in Tüten zu je 500 Stück.
Zuvor hat sie diese auf ihre Qualität überprüft. Die Prägung muss tadellos sein, und es darf keine Risse geben, sonst wird die Hostie aussortiert. Manchmal ertappt sich Toni Gall sonntags im Gottesdienst dabei, dass sie beim Abendmahl die Hostie zuerst einer Qualitätsprüfung unterzieht. "Das sind die Nebenwirkungen des Berufs", scherzt sie.
Dinkelhostien und glutenfreie Exemplare
Bis zu 150 Kilogramm Mehl verbacken Klumpp und sein Team täglich. Zwischen 400.000 und 700.000 Hostien entstehen pro Woche. Gebacken werden vor allem zwei Sorten: hellbraune Brothostien und die gängigen weißen Hostien. Der Unterschied liegt in der Dicke des Teigs und in der Backzeit.
Daneben stellt die Bäckerei auf Anfrage auch Dinkelhostien und glutenfreie Exemplare her. Abnehmer sind katholische und evangelische Kirchengemeinden von den USA bis Australien, von Finnland bis Italien - nur nicht im Vatikan. "Dort haben sie eine eigene Hostienbäckerei", sagt Klumpp.
Die Zukunft des Betriebs
Machen sich die rückläufigen Kirchenmitgliederzahlen - im vergangenen Jahr kehrten in Deutschland 900.000 Menschen den beiden großen Kirchen den Rücken - auch beim Hostienabsatz bemerkbar? "Definitiv", sagt Ralf Klumpp, der das Familienunternehmen in dritter Generation leitet.
"Wir merken, dass Kirchengemeinden weniger oder seltener bestellen." Trotzdem ist er sich sicher, dass die Kirche eine Zukunft hat.
Weniger sicher ist sich der 58-Jährige bei der Frage, ob das Unternehmen auch in vierter Generation in Familienhand bleiben wird. Momentan sieht es nicht so aus. Sein Sohn und seine beiden Töchter haben andere Berufe und keine Ambitionen, den Familienbetrieb zu übernehmen. "Vielleicht wird eine meiner Mitarbeiterinnen den Betrieb in die Zukunft führen", sagt Klumpp. Wie in anderen Fragen auch vertraut der Katholik da nicht zuletzt der Führung Gottes.
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