Für Tobias Holzwarth war es eine Erfahrung, die bis heute sein Leben bestimmt: "Ich habe erkannt, dass ich ein Mensch bin, der unter Menschen gehört und der es liebt, mit Menschen zu arbeiten." Holzwarth war einer der ersten Absolventen des "Betheljahres", das am 1. September 2002 an den Start ging. Heute gehört der 37-Jährige einem Kriseninterventionsteam der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel an. Er wird gerufen, wenn es in einer Einrichtung Konflikte gibt.

Alternative nach Ende des Zivildienstes

Als ein Ende des Zivildienstes vor 20 Jahren absehbar wurde, habe Bethel, einer der größten diakonischen Träger Europas mit über 20.000 Mitarbeitenden, überlegt, was als Alternativen angeboten werden könnten, erzählt Leiter der Freiwilligenagentur Bethel, Stefan Homann. Mit bis zu 250 Zivildienstplätzen war das diakonische Unternehmen zeitweilig die größte Einzeleinrichtung dieser Art in Deutschland.

Das "Betheljahr" soll die Möglichkeit bieten, sich für andere Menschen zu engagieren. Zugleich soll es einen Einblick in soziale Berufen und in die diakonische Arbeit vermitteln. In den bundesweit rund 500 Einsatzstellen Bethels begleiten die "Betheljahr"-Freiwilligen Menschen mit Behinderungen in ihrem Alltag, leisten im Krankenhaus Beistand oder kümmern sich um Senioren sowie um Kinder- und Jugendliche. Bewerben können sich Menschen ab 17 Jahren. Interessenten bis 27 Jahren können das "Betheljahr" als "Freiwilliges Soziales Jahr" leisten, ältere Bewerber können es als Bundesfreiwilligendienst absolvieren.

Selbstbewusster geworden

"Ich bin durch das 'Betheljahr' selbstbewusster geworden", berichtet die 19-jährige Amelie Reuter am Ende ihres Jahres beim Radiosender "Antenne Bethel". Beim Radio müsse man auf die Menschen zugehen. In dem Bethel-Sender produzieren behinderte und nicht-behinderte Menschen gemeinsam das Programm. Durch die Zusammenarbeit in dem inklusiven Team habe sich die Unsicherheit gegenüber behinderten Menschen schnell abgebaut, erzählt Amelie. Nach dem "Betheljahr" will sie Medienkultur in Köln studieren.

Einige junge Menschen wollen herausfinden, ob für sie die Arbeit im Sozialbereich das Richtige ist. So wie die 19-jährige Franziska Gees, deren Freiwilligendienst in einem Senioreneinrichtung Bethels Ende August endet. "Ich weiß jetzt, dass es das ist, was ich auch weiterhin machen möchte", sagt Franziska, die anschließend Soziale Arbeit in Münster studiert.

Zwischen Schule und Studium einfach mal was anderes machen

Es bewerben sich auch viele junge Leute, die zwischen Schule und Studium einfach einmal etwas anderes machen möchten, berichtet Homann. Rund 700 Euro Taschengeld monatlich erhalten die Bethel-Freiwilligen. Die Freiwilligen werden von der Freiwilligenagentur Bethels betreut, es gibt Seminare und Ausflüge. Rund 350 Plätze sind in allein Bielefeld und Umgebung angesiedelt. Es gibt aber auch Stellen im Ruhrgebiet, in Niedersachsen und Berlin-Brandenburg.

Vor Homanns Büro hängen Fotos aller Jahrgänge der Bethel-Freiwilligen. Das erste Gruppenfoto vom Start vor 20 Jahren ist noch übersichtlich: 25 junge Menschen, darunter Tobias Holzwarth, blicken zuversichtlich in die Kamera. Von Jahrgang zu Jahrgang werden die Gruppen größer. Inzwischen sind es rund 500 Freiwillige jedes Jahr. Seit neun Jahren gibt es auch ein Programm für Menschen aus aller Welt mit rund 40 Plätzen. Sie kommen aus dem Kongo, aus Mexiko, Frankreich oder aus Bosnien-Herzegowina nach Bethel.

Nachfrage geht zurück

Wie andere Träger von Freiwilligendiensten erlebt auch Bethel aktuell einen Rückgang der Nachfrage. Vor einigen Jahren kamen mehr als doppelt so viele Bewerbungen auf die verfügbaren Plätze. Das "Betheljahr" wird es aber auch künftig geben, bekräftigt Bethel-Chef Ulrich Pohl - es sei "zu einem sehr wichtigen Bestandteil unserer sozialen Arbeit mit Menschen geworden".