Mehr Dialog für mehr Integration: Volle Unterstützung für den Ausbau des interreligiösen Dialogs hat der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zugesichert. Gespräche zwischen den Religionen seien von "zentraler Bedeutung" für die Integrationsarbeit, sagte Herrmann laut Pressemitteilung bei einer Expertentagung der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung am Montag in München.

"Wir müssen auf Augenhöhe miteinander reden, damit Ähnlichkeiten und gemeinsame Interessen sichtbar und Vorurteile abgebaut werden", betonte er.

Religiöse Vielfalt werde laut Studien von knapp einem Drittel der Bürger als Bedrohung wahrgenommen. Das sei ein "Alarmsignal", das die Dringlichkeit konstruktiver interreligiöser Beziehungen verdeutliche.

Islamwissenschaftler: Grenze verläuft nicht zwischen Religionen

Dass Religionen grundsätzlich einen Beitrag zur Integration leisten könnten, betonte Mouhanad Khorchide, Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Münster, laut Redemanuskript. Entscheidend dabei sei jedoch das Religionsverständnis: "Die Grenze verläuft nicht zwischen den Religionen, sondern zwischen bestimmten Verständnissen von Religionen."

Nötige Voraussetzungen seien, dass die Religion den Menschen als "selbstbestimmtes Subjekt sieht, und nicht als Objekt der Hörigkeit", dass Religionen die Wahrheit nicht exklusiv beanspruchten und dass sie Vielfalt "nicht nur tolerieren, sondern bejahen, anerkennen und würdigen".

Besonders dringend sei eine Abkehr von der "schleichenden und polarisierenden Identitätspolitik", die Ressentiments schüre, sagte Khorchide. Als Lösung forderte er die Religionen dazu auf, sich an der Schaffung eines "Narrativs von einem großen Wir" zu beteiligen und verschiedene "moralische Universalien" anzuerkennen. Dazu gehörten vor allem "die Anerkennung von Pluralität und Menschenwürde", erklärte der Islamwissenschaftler.

Experte lobt Konzept "Haus der Religionen"

Als Praxisbeispiel für Integration durch Religion führte Martin Rötting, Professor für Religious Studies an der Paris Lodron Universität Salzburg, das Konzept vom "Haus der Religionen" an. In solchen Einrichtungen könnten die verschiedenen religiösen und spirituellen Gruppen ihr eigenes Gemeindeleben und zudem gemeinsame Formate wie Kulturprogramme oder Gebete für den Frieden gestalten.

"Dieses Gemeinsame ist einer der wesentlichen Bausteine für Demokratien und pluralistische Gesellschaften", sagte Rötting im Sonntagsblatt-Gespräch.

Durch die Netzwerkarbeit in Häusern der Religionen entstünden Vertrauensebenen und Raum für offene Gespräche. "Das sind Aspekte, die für die Fragen der Integration wesentlich sind", erklärte der Wissenschaftler.

Die Expert*innentagung mit dem Titel "Religion und Integration - ein vernachlässigtes Thema?" wurde veranstaltet vom "Kompetenzzentrum Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Interreligiöser Dialog" der christsozialen Hanns-Seidel-Stiftung. Leiter des Kompetenzzentrums ist derzeit noch Philipp Hildmann. Ab Oktober übernimmt Hildmann die Geschäftsführung vom Bayerischen Bündnis für Toleranz, dem auch die evangelische Landeskirche angehört.

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