"Wir brauchen Gesundheitsversorgung, gute Schulen", ruft Eliane Xunakalo auf einer kleinen Versammlung von indigenen Guatò in der Gemeinde Aterradinho in Brasilien.

"Und vor allem muss unser Land anerkannt werden!"

In ihre langen, schwarzen Haare hat Xunakalo Federschmuck geklemmt, für Fotos zieht sie auch eine kleine, traditionelle Federkrone, einen sogenannten Cocar, auf. Xunakalo gehört zur Ethnie der Bakairai, sie engagiert sich schon lange für die Rechte von Indigenen.

Indigene in politischen Ämtern unterrepräsentiert

Bei den anstehenden Wahlen tritt sie als Kandidatin für das Staatsparlament im Bundestaat Mato Grosso an. Neben dem Präsidenten wählen die Brasilianerinnen und Brasilianer am Sonntag nämlich auch Senat, Bundes- und Staatsparlamente sowie Gouverneure für die Bundesstaaten. Xunakalo kandidiert für die Arbeiterpartei, zu der auch Präsidentschaftskandidat Luiz Inácio Lula da Silva gehört.

Aktuell sind Indigene in politischen Ämtern in Brasilien noch vollkommen unterrepräsentiert. Im Kongress sitzt seit vier Jahren nur eine einzige: Joênia Wapichana. Sie ist die erste indigene Frau dort - und auch erst die zweite indigene Person überhaupt. Im Senat und auch unter den Gouverneuren gab und gibt es noch überhaupt keine indigenen Vertretungen.

Das könnte sich bald ändern: In diesem Jahr haben sich viele von Brasiliens traditionellen Völkern organisiert und klargemacht, dass sie mitmischen wollen. Nach einer Studie der Nichtregierungsorganisation INESC gibt es in diesem Jahr 32 Prozent mehr Kandidaturen von Indigenen als noch vor vier Jahren, 172 Indigene streben ein politisches Amt an. Der größte Teil von ihnen tritt für eher linke Parteien an. Das erklärte Ziel ist es, sogenannte "Bancadas de Cocar" (Koalitionen der Federkone) in den Parlamenten zu etablieren, um für die Rechte von Indigenen und die Erhaltung der Natur einzutreten.

Wahlen in Brasilien

Eliane Xunakalo setzt in ihrem Wahlkampf ganz darauf, "ihre Verwandten", wie sie andere Indigene nennt, zu erreichen. In den vergangenen Wochen war sie darum in abgelegenen Regionen von Mato Grosso unterwegs, hat Gemeinden besucht und um Stimmen geworben.

Nur wenige Tage vor der Wahl ist sie in Aterradinho. Der Zugang zu der kleinen Gemeinde, in der rund 100 Familien leben, ist schwierig. Mehr als eine Stunde lang geht es über eine unbefestigte Straße, vorbei an Farmen, dann noch mal fast die gleiche Zeit auf dem Boot den Rio Cuiabá entlang. Strom kommt in dem Dorf nur aus Dieselgeneratoren oder seit neustem von ein paar Solarzellen, Internet gibt es nicht.

"Eliane ist die erste politische Kandidatin, die zu uns kommt", sagt die 40-jährige Alessandra Alves de Arruda.

"Es ist wichtig, dass es in der Politik Menschen gibt, die unsere Sichtweisen verstehen und unsere Lebensrealitäten kennen."

In der Vergangenheit hatten sie und viele andere Indigene eher versucht, sich aus Politik rauszuhalten. Vier Jahre unter der Regierung von Jair Bolsonaro haben das geändert. Der rechtsextreme Präsident hatte beispielsweise wiederholt gesagt, es gebe viel Land für wenig Indigene in Brasilien. Außerdem schwächte er die Indigenenschutzbehörde Funai und stoppte die Auszeichnung von Schutzgebieten. "Das war ein starker Rückschritt für uns", fasst Alves de Arruda zusammen.

Eliane Xunakalo will diesem Rückschritt etwas entgegensetzen. Während der Autofahrt starrt sie fast pausenlos aufs Handy. Sie bearbeitet Social-Media-Posts, bittet um Unterstützungsvideos oder klärt Budgetfragen. Die letzten Tage vor der Wahl sind stressig. "Ich bin jetzt langsam auch richtig aufgeregt und schlafe nicht mehr gut", sagt Xunakalo. "Egal ob ich gewählt werde, wichtig ist, dass wir und unsere Lebensrealitäten stärker sichtbar werden."