"Ich werde erst einmal freihaben und meine sieben Enkelkinder genießen", sagt die 65-jährige Christiane Ludwig im Hinblick auf ihren Ruhestand dem Sonntagsblatt.
Und dann möchte sie endlich ein paar Dinge machen, zu denen sie in den vergangenen Jahrzehnten keine oder zu wenig Zeit hatte: "Ich will mich vielleicht in einer Grundschule in Augsburg als Lesepatin engagieren. Mein Schul-Englisch würde ich gern auffrischen und mich als Seelsorgerin einbringen", so die gelernte Lebensberaterin weiter.
"Und wenn es wieder Zeit für Reisen sein wird, dann werden mein Mann und ich manche unbekannten Ziele erkunden", hofft sie.
Christiane Ludwig
Schwesternschaft, Vorstand und Seelsorge waren ihre Arbeitsbereiche in den vergangenen Jahren. An verschiedene Gemeindebesuche mit damals noch sehr aktiven Schwestern, an Feste und Begegnungen im Freundeskreis erinnert sich Ludwig gern, wenn sie an ihre Anfänge im diako zurückdenkt.
"Schwestern können wunderbare Einladungen gestalten – so waren etwa die 'Missionsverlosungen' der selbst gebastelten und gesammelten Kleinigkeiten der Höhepunkt der ersten Jahre", erzählt Ludwig.
Jeder Tod wie ein Erdbeben
Jetzt, wo die noch 37 Schwestern fast alle über 80 Jahre alt sind, werden die Unternehmungen von Jahr zu Jahr weniger. "Jeder Tod einer Schwester, jeder Abschied ist für ihre Mitschwestern oft wie ein kleines Erdbeben", sagt die Oberin. Wer bisher die Gemeinschaft mitgetragen habe, fehle als Unterstützung im Alltag und als Mit-Beterin
Ludwig vergleicht ihre Hauptaufgabe als Altersbegleiterin mit der von Töchtern in einer Familie. "Neue Freiheiten müssen gewährt werden, wenn Schwestern nicht mehr zur Andacht und an den gemeinsamen Mittagstisch kommen können. Und Zusammenhalt muss aktiv gestaltet werden, damit nicht jede nur für sich ihren Glauben und Alltag lebt", sagt die gebürtige Münchnerin.
Zur heutigen Arbeitswelt des diako pflegen die Schwestern und ihre Oberin intensive Kontakte. Mitarbeitende, die von den Schwestern liebevoll "unsere Jungen" oder "unsere Diakonatler" genannt werden, sollen auch in Zukunft die diakonische Gemeinschaft lebendig halten. Ludwig hat dazu viele Begegnungen angeregt, mit den jeweiligen Teams gestaltet und die Mitarbeitenden mit der Tradition der Schwestern vertraut gemacht.
"Manchen Gottesdienst, Bibelkurs, Oasentag und viele Schwesternjubiläen haben wir gemeinsam gefeiert – manchmal in ungewohnter frischer, dann wieder in altvertrauter Frömmigkeit", erzählt Ludwig, auch voller Dankbarkeit für die geschwisterliche Zusammenarbeit mit ihren Pfarrerskollegen im diako.
Die meisten Mutterhäuser sind in Deutschland im Kaiserswerther Verband organisiert
Wichtig sei ihr auch immer der Austausch mit anderen Mutterhäusern gewesen. "Da gibt es ein enges Netz, eigentlich ein weltweites Netzwerk, und die meisten Mutterhäuser sind in Deutschland im Kaiserswerther Verband organisiert."
Darin sind rund 70 diakonische Gemeinschaften, Diakonissenmutterhäuser und Diakoniewerke in Deutschland verbunden. Zusammen mit 24 außerdeutschen Diakonissenhäusern verfügen sie mit der Kaiserswerther Generalkonferenz über eine gemeinsame internationale Plattform.
Reisen nach Afrika
Weil das diako auch ein Tochter-Mutter-Haus in Tansania hat, reiste Ludwig fünfmal nach Afrika. "Wir haben sehr viel Gemeinsames, und dort gibt es eine bunte, lebendige Frömmigkeit." Die Situation der dortigen Schwestern vergleicht Ludwig mit jener der Augsburger Schwestern in deren Gründungszeit: Die dortigen Frauen nützen die vielfältigen Bildungsangebote der Ushirika wa neema und werden in ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Lebensgestaltung zu Vorbildern für viele andere Frauen.
"Es macht große Freude, die Schwestern dort als starke Frauen in ihrer eigenen Kultur zu erleben und von ihnen neu lernen zu können."
Am 18. Juli wird Christiane Ludwig nun als Pfarrerin und Oberin verabschiedet. Sie schaut zurück auf aktive Jahre als Gemeindepfarrerin in Königsbrunn und Göggingen.
Und lässt das diako zurück in einer Zeit, in der sich der ökonomische Druck genauso wie die Arbeitsdichte im Vergleich zu früher erhöht hat. Und in einer Zeit, die am Ende auch im diako von der allgegenwärtigen Corona-Pandemie geprägt ist. "Gott sei Dank sind wir im diako, und besonders die Schwestern, von dem Virus weitgehend verschont worden", freut sich Christiane Ludwig.