"Diese Glocke habe ich schon in Afghanistan läuten dürfen. Und jetzt finde ich es super, diesen Glockenturm hier in Jordanien mit aufgebaut zu haben und die Glocke aus Afghanistan hier wiederzuhören. Also, für mich symbolisiert sie ein Stück Heimat!", sagt ein Soldat. Es ist Ende Januar 2022. "Als im Gottesdienst die Glocke das erste Mal erklang, hielten wir alle lange inne. Was für ein berührender Moment!", berichtet Militärpfarrer Andreas Rominger, der gerade aus dem viermonatigen Auslandseinsatz in Jordanien zurück ist.

In den Krisengebieten mit dem Evangelium Jesu Christi für alle da sein

Bereit zu sein, mit den Soldatinnen und Soldaten in die Krisengebiete dieser Welt und damit in Bedrohungssituationen zu gehen und zugleich mit dem Evangelium Jesu Christi für alle da zu sein, ist grundlegend für den Dienst der Militärgeistlichen. Dabei ist ein "offenes Ohr an der Truppe" ebenso wichtig, wie erfindungsreich und spontan aus allem das Bestmögliche zu machen. Im Jargon der Bundeswehr heißt das "Leben in der Lage". "

Es kommt vor, dass sich eine Soldatin mitten im Einsatz taufen lassen möchte oder traurige Nachrichten aus der Heimat gemeinsam auszuhalten sind", berichtet der Münchner Militärdekan Gunther Nagel.

"Nah dran zu bleiben an den Soldatinnen und Soldaten und ihren Themen ist entscheidend."

So erzählt eine Soldatin: "Im Einsatz gehört der Gottesdienst dazu. Das hilft gegen ›alle Tage Mittwoch‹: Da kann ich einmal zu mir kommen, etwas anderes hören, mit anderen Leuten quatschen. Beim Tischtennisturnier, das die Pfarrerin organisiert hat, kamen wir ins Gespräch. Echt gut, dass es die Militärseelsorge gibt!"

Soldatinnen und Soldaten haben ein Recht auf Religionsausübung und Seelsorge

Auf der Basis des Militärseelsorgevertrags von 1957 leistet die Evangelische Militärseelsorge ihren Beitrag dazu, dass Soldatinnen und Soldaten von ihrem Recht auf Religionsausübung und Seelsorge Gebrauch machen können. Die deutschlandweit 104 Militärpfarrämter sind jeweils besetzt durch einen Militärgeistlichen und einen Pfarrhelfer. "Unsere Mission", sagt Nagel, "sind die Soldatinnen und Soldaten selbst."

Für alle ihre Anliegen haben die Soldatinnen und Soldaten aller Dienstgradgruppen mit den Militärgeistlichen eine vertrauliche Ansprechperson mitten im Dienstbetrieb. "Selbstverständlich gilt das Seelsorgegeheimnis", so Nagel. "Militärgeistliche sind keine Soldaten und stehen außerhalb der militärischen Hierarchie. Diese Kombination aus Unabhängigkeit und Verständnis hilft, dass alle Bundeswehrangehörigen bei Problemen Unterstützung erhalten können."

Gerüstet in den Alltag zurückkommen

"Wie geht es Ihnen hier auf der Intensivstation?": Zum seelsorglichen Spektrum gehört auch nachgehende Seelsorge, so bei allen, die zur Unterstützung in der Pandemie-Notsituation zum Dienst als "Helfende Hände" einberufen wurden.

Abstand vom Alltag, sich einem Rüstzeitthema widmen, Kraft tanken durch Gottesdienste und Freizeitgestaltung sind Grundprogramm, ob auf Familien-, Paare-, Pilger- oder Kompanierüstzeiten, ob in der Nähe, in Berlin oder Frankreich. "Ich komme immer buchstäblich ›gerüstet‹ in meinen Alltag zurück", so ein Soldat.

"Die Motoradrüstzeit nach Méjannes-Le-Clap zum Internationalen Soldatentreffen ist ein Highlight", sagt beispielsweise Militärpfarrerin Sandra Mehrl. "Eine Tour, die zusammenschweißt und auch viele Gelegenheiten bietet, in Andachten und Gesprächen zu merken: Der Glaube verbindet uns! Das kommt im Alltag oft zu kurz."
Gottesdienste sind zentraler Bestandteil der Evangelischen Militärseelsorge: am Standort, im Rahmen von Appellen, als Feldgottesdienste unterm Birkenkreuz bei der übenden Truppe, aber auch als Online-Format, wie die sonntägliche Minutenandacht des Militärbischofs Bernhard Felmberg auf Instagram und Facebook. Und wer teilnimmt, kann oft seinen Dienstgrad und seine Aufgaben für einen Moment hinter sich lassen.
Gottes Wort unterm Birkenkreuz

Die Losung "Domini sumus!" begleitet alles militärseelsorgliche Handeln

"Tod und Verwundung" oder "Verantwortung, Gewissen, Freiheit" sind gängige Themen im Lebenskundlichen Unterricht, der im Bundeswehrjargon "Leku" heißt. Für alle Soldatinnen und Soldaten verpflichtend und von den Militärgeistlichen durchgeführt, lebt er von engagierter Mitarbeit und der Möglichkeit zur freien Aussprache. Dabei haben Soldaten die Gelegenheit, in Seminarform und offenen Diskussionsrunden ethisch-moralische Fragen abzuwägen und sich darin zu üben, verantwortungsvolle Entscheidungen treffen zu können. "Im Leku bekommen wir viele Impulse, da können die Meinungen schon mal aneinandergeraten, dann wird debattiert, aber gerade darum geht es ja. Ich nehme da für mich immer viel mit", sagt eine Soldatin.

Die Losung "Domini sumus!", "Wir sind des Herrn" begleitet alles militärseelsorgliche Handeln. Als Kirche unter den Soldatinnen und Soldaten steht die Evangelische Militärseelsorge ein für ihre friedensethische Ausrichtung: die Soldaten auf ihren Friedensmissionen begleiten, sich für den Frieden einsetzen, den Frieden ins Gespräch bringen, berührt werden vom Frieden – gerade in diesen Zeiten!

Kontakt

Serie "Mitten im Leben – Seelsorge und Beratung"

Seelsorge

In der neuen Serie "Mitten im Leben – Seelsorge und Beratung" stellen wir je einen Bereich der Seelsorge der Evangelischen Kirche in Bayern vor.

Folge 1: Landwirtschaftliche Familienberatung der Landeskirche

Folge 2: Telefonseelsorge

Folge 3: Gehörlosenseelsorge

Folge 4: Schulseelsorge

Folge 5: City-Seelsorgestellen

Folge 6: Seelsorge in Alten- und Pflegeheimen

Folge 7: Gemeindeseelsorge

Folge 8: Klinikseelsorge

Folge 9: Polizeiseelsorge

Folge 10: Notfallseelsorge

Folge 11: Seelsorgeausbildung

Folge 12: Studierendenseelsorge

Folge 13: Gefängnisseelsorge

Folge 14: Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Diakonie

Folge 15: Militärseelsorge

Folge 16: Schwerhörigenseelsorge

Folge 17: Flughafenseelsorge

Folge 18: Blinden- und Sehbehindertenseelsorge