Sie haben im Vorbeigehen den Aufsteller vor der Kirche gesehen: Offene Tür – Gespräch – Beratung – Seelsorge … Die beiden zögern kurz. Dann gehen sie rein. "Haben Sie einen Moment Zeit? Wir sind gerade auf dem Weg vom Krankenhaus nach Hause. Die Oma ist gestorben. Und jetzt überlegen wir die ganze Zeit, wie wir das unserer kleinen Tochter erzählen …"

Er schaut regelmäßig vorbei. Eigentlich will er nur in die Kirche. Will sich hinten hinstellen und ein Vaterunser beten. Und ein Ave-Maria. Aber laut. Und nicht allein. "Beten Sie mit mir!" Neulich hat ihn einer der Mitarbeitenden gefragt: "Sie haben schon eine Menge erlebt, oder?" Da hat er sich zum ersten Mal hingesetzt und hat angefangen zu erzählen … Das Vaterunser am Ende ist leiser geworden. Er weiß jetzt, dass er gehört wird.

Jemand der Zeit für die Sorgen und Nöte hat

Sie kommt, obwohl ihr ja doch keiner mehr helfen kann. Die Ärzte, die Therapeuten, nicht mal die Geistheilerin. Irgendwas muss doch sein mit ihr, weil der Schmerz nicht weggeht und die dunklen Schatten vor ihren Augen. Aber alle anderen sagen: Da ist nichts ...

Er hat seine Frau verloren. "Ich bin schon lange in keine Kirche mehr gegangen", sagt er zögerlich und schaut sich um. Aber wenn Sie jetzt da sind und Zeit haben …

So viel, so bunt, so lebendig und so unterschiedlich. Manche ihrer Klienten und Klientinnen kennen die Mitarbeitenden der Cityseelsorge gut, begleiten sie über Jahre, leiden mit ihnen, freuen sich mit ihnen über kleine Möglichkeiten und überraschende Veränderungen.

"Ich frage mich dann, wie es wohl mit ihm weitergehen wird"

"Es berührt mich immer wieder, wenn mir ein Mensch sein Herz ausgeschüttet hat, ich ihm nach dem Gespräch die Tür öffne, verabschiede und hinterherblicke. Ich frage mich dann, wie es wohl mit ihm weitergehen wird", berichtet Sonja, eine Mitarbeiterin der Münchner Insel. "Manche kommen ein einziges Mal, und manchmal fragen wir uns, wie es mit ihnen wohl weitergegangen ist." "Besonders bewegt hat sie eine 21-Jährige, die von ihren Eltern statt Liebe und Unterstützung vor allem Anforderungen und Vorwürfe zu hören bekommt.

Seelsorge mitten in der Stadt

Die "Offenen Türen" – in München heißt sie "Münchner Insel", in Nürnberg "Offene Tür Cityseelsorge an St. Jakob – sind offen für jeden, der reden will. Mitten in der Stadt. Unterm Marienplatz in München, in der Jakobskirche in Nürnberg. Ein paar kleine, geschützte Räume, leicht zu finden. Immer persönlich, ob bei direkter Ansprache oder am Telefon, verlässlich offen für alle, die spontan vorbeikommen wollen – und für die, die vorher anrufen und fragen, ob sie einen Termin haben können. Keiner muss sagen, wer er ist, wo er herkommt; nicht mal, warum er jetzt gerade hier ist. Das ist nämlich oft gar nicht so klar. Manchmal braucht es Raum und Zeit, um gemeinsam herauszufinden, worum es eigentlich geht.

Keiner kann so eine Arbeit allein stemmen. Den ganzen Tag zuhören. Unerwartetes verdauen, Unverstehbares stehen lassen, Unangenehmes annehmen. "Offene Tür" ist Teamarbeit. Wer mitarbeitet, muss gut ausgebildet sein. Er oder sie muss nicht nur etwas von Seelsorge verstehen und davon, was Menschen belastet – er muss sich selber gut kennen, die kleinen Fallen, die großen Verführungen: der erfolgreiche Helfer, die kluge Erklärerin, die tröstende Mutter sein zu wollen. Manchmal, meistens reicht es, da zu sein, zuzuhören, die Fragen zuzulassen, in einem selbst und bei dem anderen. Raum geben – darum geht es.

Ein Gegenüber, das sich interessiert

Manchmal macht genau das den Weg leichter zu anderen, die sich besser auskennen, zu Beratungsstellen, die auf bestimmte Fragen spezialisiert sind, in eine Klinik oder zu einem Arzt. Und manchmal ist es genau umgekehrt. Da hat jemand schon alles, aber wirklich alles ausprobiert. Und hat x-mal gehört: "Da ist nichts." "Wir können nichts mehr für Sie tun." "Sie können nichts mehr tun."
Und dann tut er doch was. Und kommt in die "Offene Tür". Und redet. Und findet ein Gegenüber, das sich interessiert. Ihn anschaut. Das er bewegen kann mit seiner Geschichte. Machen, dass einer zuhört – und sich dadurch selbst auf einmal wieder zugehörig erleben, darum geht es, immer wieder, von Montag bis Freitag, stundenlang. Dafür sind sie da – und verlässlich offen, die "Offenen Türen"!

Kontakt

Cityseelsorge an St. Jakob
Jakobsplatz 1
90402 Nürnberg
Telefon: (09 11) 20 97 02
E-Mail: cityseelsorge_nuernberg@t-online.de
Ansprechpartnerin: Pfarrerin Barbara Hauck
Sprechzeiten: Montag bis Donnerstag von 15 bis 18 Uhr, Mittwochs bis 19 Uhr in der Jakobskirche


Münchner Insel
Marienplatz Untergeschoss
80331 München
evangelischer Leiter: Norbert Ellinger
Tel. (0 89) 22 00 41 oder (0 89) 21 02 18 48
E-Mail: info@muenchner-insel.de
Öffnungszeiten: werktags 9 bis 18 Uhr, donnerstags ab 11 Uhr.

Mehr Informationen: handlungsfelder.bayern-evangelisch.de/handlungsfeld4.php

Serie "Mitten im Leben – Seelsorge und Beratung"

Seelsorge

In der neuen Serie "Mitten im Leben – Seelsorge und Beratung" stellen wir je einen Bereich der Seelsorge der Evangelischen Kirche in Bayern vor.

Folge 1: Landwirtschaftliche Familienberatung der Landeskirche

Folge 2: Telefonseelsorge

Folge 3: Gehörlosenseelsorge

Folge 4: Schulseelsorge

Folge 5: City-Seelsorgestellen

Folge 6: Seelsorge in Alten- und Pflegeheimen

Folge 7: Gemeindeseelsorge

Folge 8: Klinikseelsorge

Folge 9: Polizeiseelsorge

Folge 10: Notfallseelsorge

Folge 11: Seelsorgeausbildung

Folge 12: Studierendenseelsorge

Folge 13: Gefängnisseelsorge

Folge 14: Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Diakonie

Folge 15: Militärseelsorge

Folge 16: Schwerhörigenseelsorge

Folge 17: Flughafenseelsorge

Folge 18: Blinden- und Sehbehindertenseelsorge