"Was gibt meinem Leben Sinn?" war die Frage, die über den Einkehrtagen der Polizeiseelsorge auf dem Hesselberg stand. Die Polizistinnen und Polizisten blickten auf die "Säulen des Lebens": Worauf kann ich mich verlassen, was gibt mir Halt, wo kann ich auftanken?

Eine Einheit widmeten die Polizeiseelsorgerin und Religionspädagogin Dorothea Jüngst und Polizeiseelsorger Kirchenrat Matthias Herling den geistlichen Kraftquellen. Für einige Polizistinnen und Polizisten, die an solchen Einkehrtagen teilnehmen, ist ihr Glaube eine wichtige Ressource. Andere sind auf der Suche oder offen, sich neu auf spirituelle Erfahrungen einzulassen. Erfahrbar war dies bei der Abschlusseinheit "Beten ohne Worte". Dorothea Jüngst hatte Stationen im Raum aufgebaut. Erstaunlich viele Polizistinnen und Polizisten nutzten die Gelegenheit, sich persönlich segnen zu lassen.

Verschwiegenheit schafft Vertrauen

"Die Teilnehmenden sind oftmals von sich selbst überrascht: Sie wundern sich, wie schnell und wie intensiv sie miteinander ins Gespräch kommen", so Polizei-
seelsorger Herling. "Sie vertrauen auf die eingangs vereinbarte Verschwiegenheit und erzählen von den Dingen, die ihnen schwer auf der Seele liegen, die sie schon lange mit sich herumschleppen, die keine andere Person in ihrem Lebensumfeld hören darf oder nicht mehr hören will."

"Zwei Beobachtungen habe ich gemacht", so der Kirchenrat: "Diesmal wurde viel geweint. Die von uns angebotenen Einzelgespräche in der Mittagspause oder am Abend wurden gerne angenommen. Bei der Schlussrunde brachten viele der Polizistinnen und Polizisten zum Ausdruck, wie tröstend, stärkend, ermutigend und wichtig sie die Einkehrtage gerade in dieser Zeit empfunden haben."

Wenn man gemeinsam unterwegs ist, kommt etwas in Bewegung

Rüstzeiten, Seminare und Reisen sind ein wichtiges Standbein der Polizeiseelsorge. "Die geschützte Atmosphäre außerhalb einer Dienststelle bietet der Polizeiseelsorge die Chance, mit Polizeibediensteten vertieft ins Gespräch zu kommen, getreu unserer Überzeugung: Reden hilft!", erläutert Herling. "Je nach eigener Neigung laden wir ein, mit uns zu wandern, zu pilgern, über die Alpen zu radeln oder auf dem Meer zu segeln. Wenn man gemeinsam unterwegs ist, kommt etwas in Bewegung. Eingewoben in den Tageslauf sind Impulse, die zum Innehalten, Weiterdenken, zur Orientierung und zum Gespräch anregen. Diese Angebote richten sich an alle Polizeibediensteten samt Familien."

Mit "Klausurtagen" wendet sich die Polizeiseelsorge an Polizistinnen und Polizisten, die einen besonders belastenden Dienst versehen. Hier ist der Bereich der Kriminalpolizei im Blick: das Kommissariat 1 (K 1: Todesermittlungen, Brand, Sexualstraftaten), der Kriminaldauerdienst und die Spurensucher vom K 7. Für ein bis zwei Tage fahren die Seelsorger mit einem ganzen Kommissariat in ein kirchliches Tagungshaus. Dort kann all das zur Sprache kommen, was die Polizistinnen und Polizisten belastet: im Blick auf die Opfer und ihre Angehörigen, im Blick auf die innerbetrieblichen Abläufe und im Blick auf das, was dieser Dienst bei ihnen selbst auslöst, was sie abends mit nach Hause nehmen, was sie nicht mehr loslässt und sie auch noch in ihrer Freizeit beschäftigt.

"Sekundäre Prävention" nach belastenden Ereignissen

Eine besondere Herausforderung in diesem Bereich ist der Dienst in den neu eingerichteten "Arbeitsgruppen Kinderpornografie". Die Zahlen in diesem Bereich steigen bundesweit und weltweit stark an, und hinter jedem der Fälle stehen Opfer und Schicksale.

"Sekundäre Prävention" nach belastenden Ereignissen findet immer häufiger statt. Die Beamtinnen und Beamtin erzählen dabei, was sie im Verlauf des Praktikums alles erlebt haben: von ihrer ersten Leiche, den Suiziden, den beim Autounfall verletzten Personen, den weinenden Angehörigen. Sie sind überrascht von der Schattenseite des Lebens: wie viele Menschen ihr Leben nicht mehr im Griff haben, in die Psychiatrie eingewiesen werden müssen, von den Zuständen in den Flüchtlingsunterkünften, von der Zwietracht und der Aggression, mit der Menschen aufeinander losgehen. Im Nachgang zur Messerattacke am 25. Juni 2021 in Würzburg haben die Seelsorger mit den Einheiten der Polizei Nachbesprechungen durchgeführt.

Sonst nimmt sich keiner Zeit

"Polizeibedienstete lernen uns kennen, fassen Vertrauen und erzählen, was sie bewegt", erklärt Herling. "Oder Menschen rufen uns an in ihrer Not, weil sie uns aus dem Berufsethischen Unterricht kennen, weil sich sonst keiner Zeit für sie nimmt, weil unser Dienst für sie kostenfrei ist, weil sie kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer noch einen Vertrauensvorschuss entgegenbringen, weil sie auf unsere Verschwiegenheit vertrauen, weil wir im Auftrag des Herrn unterwegs sind oder warum auch immer."

Kontakt

Kirchenrat Matthias Herling
Landeskirchlicher Beauftragter für Polizeiseelsorge
Kornburger Str. 60
90469 Nürnberg

Tel.: (09 11) 48 10-630
Mobil: (01 71) 3 38 41 06

E-Mail: matthias.herling@polizei.bayern.de
www.bayerische-polizeiseelsorge.de

Mehr Informationen: handlungsfelder.bayern-evangelisch.de/handlungsfeld4.php

Serie "Mitten im Leben – Seelsorge und Beratung"

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In der neuen Serie "Mitten im Leben – Seelsorge und Beratung" stellen wir je einen Bereich der Seelsorge der Evangelischen Kirche in Bayern vor.

Folge 1: Landwirtschaftliche Familienberatung der Landeskirche

Folge 2: Telefonseelsorge

Folge 3: Gehörlosenseelsorge

Folge 4: Schulseelsorge

Folge 5: City-Seelsorgestellen

Folge 6: Seelsorge in Alten- und Pflegeheimen

Folge 7: Gemeindeseelsorge

Folge 8: Klinikseelsorge

Folge 9: Polizeiseelsorge

Folge 10: Notfallseelsorge

Folge 11: Seelsorgeausbildung

Folge 12: Studierendenseelsorge

Folge 13: Gefängnisseelsorge

Folge 14: Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Diakonie

Folge 15: Militärseelsorge

Folge 16: Schwerhörigenseelsorge

Folge 17: Flughafenseelsorge

Folge 18: Blinden- und Sehbehindertenseelsorge