"Mobbing gibt es überall, wo Menschen zusammenleben und –arbeiten."

Spielt Mobbing im kirchlichen Bereich eine Rolle?

Martin Tontsch: Mobbing gibt es überall, wo Menschen zusammenleben und –arbeiten, also auch in der Kirche. Dabei gilt es genau zu unterscheiden zwischen einem engen Mobbingbegriff, der eine Straftat darstellen kann, und einem manchmal sehr allgemein gebrauchten Begriff im Sinne von "sich geärgert, abgelehnt fühlen".  Mit einem solch leichtfertigen Gebrauch sollte man sehr vorsichtig sein, da er andere stigmatisiert.

 Gibt es typische Muster, die sich immer wieder finden?

Typische Mobbinghandlungen können sein: Unsachliche Kritik an der Arbeit, Anordnung sinnloser Tätigkeiten, Verschweigen von Informationen oder Ausschließen von Sitzungen oder Terminen, die eigentlich für die Arbeit erforderlich wären, verbale Spitzen oder Beleidigungen.

Diese Handlungen können an sich relativ harmlos sein. Von Mobbing sollte man nur dann sprechen, wenn solche Handlungen regelmäßig, z.B. einmal in der Woche und über einen längeren Zeitraum, z.B. über sechs Monate auftreten. Dann können sie zu erheblichen psychischen und physischen Beeinträchtigungen führen, ja sogar traumatische Erfahrungen auslösen.

"Mobbing kann aus eskalierten Konflikten entstehen."

 Wird genug Präventionsarbeit geleistet oder gibt es Luft nach oben?

Präventionsarbeit ist ganz entscheidend. Allgemein stärken Gefühle von Zusammengehörigkeit und einer gemeinsamen, sinnvollen Aufgabe ein konstruktives Verhalten und verhindern, dass Menschen ausgeschlossen werden.

Mobbing kann aus eskalierten Konflikten entstehen, deshalb wirkt ein gutes Konfliktmanagement präventiv. Dies kann zum einen in Fortbildungen im konstruktiven Umgang mit Konflikten bestehen, aber auch im Einsatz von Methoden wie Mediation, die bei einer gemeinsamen, einvernehmlichen Konfliktlösung unterstützen.

Doch ab einer gewissen Eskalationsstufe ist ein solches präventives Handeln nicht mehr hilfreich. In extremen Konfliktsituationen, in denen sich Mobbingstrukturen wie systematisches Schikanieren ausgebildet haben, ist die Führungskraft gefragt, die deutlich macht: Ein solch destruktives Verhalten dulde ich nicht!

Ist das Thema präsent, oder gehen viele davon aus, dass es in der Kirche kein Mobbing geben kann?

Das Bewusstsein für das Thema ist tendenziell gewachsen. Doch gerade in Zeiten mit starken Veränderungen und zurückgehender Ressourcen steigt der Druck, der sich in Mobbing äußern kann.

Deshalb sollten Führungskräfte das Thema ernst nehmen. Wenn von Ihnen das Signal ausgeht, dass es Ihnen ein Anliegen ist, dass es allen Mitarbeitenden gut gehen soll, kann auch akutes Mobbing mit Methoden wie dem "Shared Responsibility Approach" Mobbingsituation gut bearbeitet werden. Gerne unterstützen wir von der Arbeitsstelle kokon dabei.

Die Arbeitsstelle kokon für konstruktive Konfliktbearbeitung und KDV-Beratung

Die Arbeitsstelle kokon für konstruktive Konfliktbearbeitung und KDV-Beratung ist eine Einrichtung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB). Der Name kokon ist die Abkürzung von konstruktiv im Konflikt.

Zugleich greift er das Symbol des Kokons der Seidenraupe auf, der einen Schutzraum für Transformation bietet: Die Arbeitsstelle kokon bietet Räume an, in denen Klärungen in geschützter Atmosphäre geschehen können und konstruktive Verabredungen möglich werden. 

Die Wurzeln der Arbeitsstelle liegen in der Betreuung von Kriegsdienstverweigerern und Zivildienstleistenden. Im Kontext der Dekade zur Überwindung von Gewalt und der Aussetzung der Wehrpflicht verlagerte sich der Schwerpunkt hin zur gewaltfreien und konstruktiven Bearbeitung von Konflikten, insbesondere innerhalb der ELKB selbst, und zur Friedensbildung als Beitrag zur kirchlichen Friedensarbeit.

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