Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm hat das neue Kirchliche Zentrum an der Christuskirche ("kiez") in Lindau eingeweiht. In Lindau sei geschehen, was er sich für die ganze Landeskirche wünsche, sagte Bedford-Strohm: "Die Kooperation zwischen verschiedenen Gemeinden ist hier nicht nur ein Programm in Worten, sondern sie wird gelebt." Das "kiez" wurde anstelle des nicht mehr sanierbaren Gemeindehauses an der Christuskirche gebaut.

Im rund fünf Millionen Euro teuren "kiez" sind die drei Pfarrbüros der Gemeinden St. Verena-Versöhnerkirche, St. Johannes Wasserburg und St. Stephan-Christuskirche untergebracht, ein Veranstaltungssaal inklusive Bühne, Seminar- und Technikräumen sowie zwei Küchen, hieß es. Auch die Lindauer Jugendkirche luv hat dort ein Zuhause gefunden. Vorangegangen war die Entscheidung aller Kirchengemeinden des Dekanats Lindau/Westallgäu, bei der Jugendarbeit zu kooperieren.

Bedford-Strohm sagte, es "grenze an ein Wunder", dass die Evangelischen in der Region es geschafft hätten, die Grenzen zwischen oberem Landkreis und Lindau, zwischen Festland und Insel, zwischen Wasserburg und Zech sowie zwischen Jung und Alt zu überwinden. Die evangelischen Gemeinden rief der bayerische Landesbischof dazu auf, mit der Nutzung der neuen Räume ein Zeichen zu setzen: "Seid Botschafter der Liebe Jesu Christi, der das Zentrum Eurer Gemeinschaft hier ist."

Um den Neubau finanzieren zu können, hatten sich die Gemeinden von anderen Gebäuden getrennt. Zudem gab es Zuschüsse von der Landeskirche sowie aus anderen Fördertöpfen. Die Gemeinden sammelten zudem etliche Spenden.

Das neue Gemeindezentrum kiez

Hell, offen, einladend - wer den auf den ersten Blick etwas nüchtern wirkenden Sichtbetonbau neben der evangelischen Lindauer Christuskirche betritt, fühlt sich schnell wohl. Drinnen herrscht ein angenehmes Raumklima, die Akustik ist matt, das Licht warm. Das Besondere: Drei Kirchengemeinden teilen sich Gemeinderäume sowie ein einheitliches Pfarrbüro, unter demselben Dach ist zusätzlich eine Jugendkirche zu Hause.

Könnte wegen Pfarrpersonenmangel Schule machen

Fünf Millionen Euro hat das neue Lindauer Gemeindezentrum "kiez" gekostet, das innerhalb der Landeskirche wegen fortschreitenden Pfarrermangels Schule machen könnte. Das Projekt sei vorbildlich und innovativ, sagt Landeskirchen-Sprecher Johannes Minkus. Seit Mitte Februar wird im "kiez" gearbeitet, am 1. Oktober wird es - mit coronabedingter Verspätung - mit Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm offiziell eröffnet.

Ihre Büros haben hier: Pfarrer Jörg Hellmuth (St.-Verena-Versöhnerkirche), Thomas Bovenschen (St.-Stephan-Christuskirche), die Pfarrerinnen Petra Harring und Ulrike Lay aus Wasserburg, Diakonin Judith Amend-Knaub, Geschäftsführerin der evangelischen Jugendarbeit im Dekanat Kempten und der Region Lindau-Westallgäu, der Jugendpfarrer Philipp Müller sowie Bezirkskantor Burkhard Pflomm und zwei Pfarramtssekretärinnen.

Ort, an dem sich Menschen wohlfühlen

"kiez" ist übrigens die Abkürzung für "Kirchliches Evangelisches Zentrum". Die Assoziation mit dem Hamburger oder Berliner Kiez nimmt man in Lindau aber gerne in Kauf, denn "kiez" stehe auch für einen heimeligen Ort, an dem sich die Menschen wohlfühlen. "So soll auch das Lindauer 'kiez' sein: offen und einladend für alle Lindauerinnen und Lindauer, unabhängig von Alter, Geschlecht, Beruf, Religion und Konfession", sagt Pfarrer Jörg Hellmuth.

Hellmuth hat das "kiez" Projekt von Anfang an mit begleitet. Schon vor vielen Jahren habe man sich Gedanken gemacht, wie man die Protestanten in Lindau besser erreichen und gleichzeitig den Immobilienbestand auf Dauer finanzieren könne. Letztlich seien drei unabhängig voneinander entstandene Ideen zu einem Projekt zusammengeflossen: Die drei Kirchengemeinden St. Stephan-Christuskirche, St. Verena und St. Johannes wollten nicht mehr drei, sondern ein Pfarrbüro mit kundenfreundlichen Öffnungszeiten. Die Jugendarbeit der Gemeinden sollte gebündelt werden. Und die Christuskirche benötigte ein neues Gemeindehaus.

"Der Sanierungsstau war aber so groß, dass bald die Idee aufkam, das Haus abzureißen und eventuell die Christuskirche zu einer Jugendkirche umzubauen",

erinnert sich der Pfarrer. Die vor rund zehn Jahren gerade frisch fusionierte Gesamtgemeinde St. Stephan-Christuskirche hatte gerade ihre Gemeindehäuser aufgegeben, auf der Insel wurde das Haus der ehemaligen Gemeinde St. Stephan verkauft. Auf dem Platz, wo früher das Haus der Christuskirche stand, wurde nun also das "kiez" gebaut.

Jugendarbeit geht nicht nebenbei

Schnell war klar, dass auch die bereits 2013 entstandene Jugendkirche "luv" im "kiez" unterkommen sollte. "Jugendarbeit in der Kirche geht nicht einfach mal so nebenbei. Sie braucht attraktive Räume, in der auch mal eine Bierflasche über Nacht stehen bleiben kann, ohne dass jemand meckert", sagt Diakonin Amend-Knaub. Zuspruch gibt es auch von der Landeskirche: "Jugendliche sollten mehr Raum in der Kirche bekommen, und das im doppelten Sinn: nicht im Keller des Gemeindehauses, sondern in attraktiven Räumen", sagt Kirchensprecher Minkus.

Infolgedessen hatte die bayerische Landessynode beschlossen, exemplarisch drei Jugendkirchen zu fördern. Es entstanden die "lux" in Nürnberg, die Jugendkirche in München und "luv" in Lindau. Daneben gibt es bayernweit weitere Jugendkircheprojekte.

Nebenan liegt der Gemeindesaal für die Kirchengemeinde St. Stephan-Christuskirche. "Hier feiern wir in den Wintermonaten Gottesdienst, wenn es in der Christuskirche zu kalt ist", sagt Pfarrer Thomas Bovenschen. Es fänden aber auch kulturelle Veranstaltungen und Kirchenvorstandssitzungen statt. Auch Chorproben, Konfi-Unterricht, Glaubenskurse oder Seniorennachmittage seien denkbar.

Angenehmes Klima

Immer wieder staunt Bovenschen über das angenehme Klima im "kiez". Energetisch sind die Räume auf dem technisch neuesten Stand, geheizt wird mit Erdwärme, die von einer zentralen Belüftungsanlage verteilt wird, die auch kühlen kann.

Rund fünf Millionen Euro hat das "kiez" letztlich gekostet: Die drei Pfarrbüros werden zu 95 Prozent durch die Landeskirche bezuschusst. Die Jugendkirche erhält einen landeskirchlichen Zuschuss von einer Million Euro plus weitere Zuschüsse aus Leader-Mitteln des Freistaats und durch die Stadt Lindau. Bei dem Gemeindehaus St. Stephan-Christuskirche hat die Landeskirche ein Drittel der Kosten übernommen. Etwa 200.000 Euro der Kosten müssen die Gemeinde noch alleine tragen. Dafür wurden in der Zwischenzeit noch zwei weitere Immobilien verkauft. Außerdem wurde fleißig Fundraising betrieben.