Ranghohe Religionsvertreter aus aller Welt treffen sich zu einer Friedensmission am Bodensee: Rund 900 Teilnehmer aus mehr als 100 Ländern wollen bei der Weltversammlung von "Religions for Peace" (Religionen für den Frieden) in Lindau über Wege zur Lösung aktueller Konflikte beraten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird das interreligiöse Treffen offiziell eröffnen. Von 20. bis 23. August 2019 tagen die Vertreter von insgesamt 17 Religionen - unter ihnen Christen, Muslime, Hindus, Buddhisten und Juden - im Dreiländereck im Grenzgebiet zu Österreich und der Schweiz.

Von der Konferenz mit dem Motto: "Für unsere gemeinsame Zukunft sorgen - das Gemeinwohl für alle fördern" sollen zwei Initiativen ausgehen. Angesichts blutiger Anschläge auf Kirchen, Moscheen und Synagogen in diesem Jahr wollen sich die Spitzenvertreter von Glaubensgemeinschaften für einen weltweiten Schutz religiöser Stätten einsetzen. Zudem soll ein Projekt auf den Weg gebracht werden, um Frauen in Afrika vor sexueller Gewalt zu schützen und die Täter zur Verantwortung zu ziehen.

Einer der Schwerpunkte auf der Konferenz sind auch Gespräche zwischen Konfliktparteien verschiedener Länder, öffentlich oder, wenn dies zu heikel ist, in geschützten Räumen. So sind beispielsweise Beratungen von religiösen Vertretern aus Myanmar und Bangladesch vorgesehen über die Lage der muslimischen Minderheit der Rohingya. Delegationen aus den verfeindeten Staaten Iran und Vereinigte Arabische Emirate werden bei dem Treffen ebenso anwesend sein wie Repräsentanten aus Jerusalem und Nigeria. Eine von den Organisatoren angepeilte Quote soll dafür sorgen, dass der Anteil der Frauen und jüngeren Delegierten etwa bei jeweils 25 Prozent liegt. Inhaltlich begleitet und finanziell unterstützt wird die Konferenz vom Auswärtigen Amt.

Umfrage: Religionen können zum Frieden beitragen

Die Mehrheit der Deutschen (56 Prozent) glaubt einer Umfrage zufolge, dass Religionen grundsätzlich zum Frieden beitragen können. 39 Prozent der Befragten in einer Yougov-Erhebung sind sogar der Ansicht, dass Glaubensgemeinschaften einen bedeutenden Beitrag zum Frieden in der Welt leisten. Am hilfreichsten finden die Befragten demnach allgemeine Aufrufe zur Versöhnung (33 Prozent), gefolgt von konkreten Gesprächsangeboten (27 Prozent), Gesprächen auf politischer Ebene (23 Prozent) und Friedensappellen (21 Prozent).

Das Meinungsforschungsinstitut befragte Ende Juli 2019 im Auftrag der Stiftung Friedensverantwortung der Weltreligionen und Zivilgesellschaft 2.034 Menschen online. Die Stiftung richtet die Weltversammlung in Lindau aus. Geschäftsführer Ulrich Schneider wünscht sich mehr Öffentlichkeit für das Thema Frieden und Religion und erklärte, dass "Religions for Peace" beispielsweise beim Krieg in Bosnien-Herzegowina vor 25 Jahren Muslime, Orthodoxe und Katholiken an einen Tisch gebracht und Gespräche vermittelt habe, die schließlich die Grundlage für den Friedensvertrag von Dayton, Ohio, geschaffen hätten.
 

Wie ist "Religions for Peace" entstanden?

Die Organisation "Religions for Peace" (Religionen für den Frieden) wurde 1961 als Reaktion auf den Zweiten Weltkrieg und die atomare Bedrohung im Kalten Krieg gegründet. Erklärtes Ziel ist es, durch ein Netzwerk internationaler Religionsvertreter Friedensarbeit in verschiedenen Krisen und Konflikten weltweit voranzutreiben. Heute gehören der Organisation Gruppen aus mehr als 100 Ländern an, die miteinander im Dialog sind.

Seit 1973 von den Vereinten Nationen als Nichtregierungsorganisation registriert, vermittelte das Bündnis schon in zahlreichen Konflikten: unter anderem in Bosnien-Herzegowina, in Ruanda, im Kongo, im Irak und in Syrien. Auch nach Naturkatastrophen setzte sich die interreligiöse Allianz beispielsweise in Haiti, Nepal und Japan für die betroffenen Menschen ein. Weltversammlungen der Organisation gibt es etwa alle fünf Jahre. Die diesjährige ist die insgesamt zehnte und die erste in Deutschland.