Die Digitalisierung ist in aller Munde – auch in dem der bayerischen Landeskirche. Das ist einerseits logisch: Die digitale Revolution steht nicht bevor, sie ist längst Gegenwart und Realität. Auf der anderen Seite beschleicht einen oft der Eindruck, dass manche, egal, ob Gemeindemitglied, Pfarrer*in oder Oberkirchenrat, gar nicht so genau wissen, wie digitale Kirche in der Praxis aussehen soll. 

Und bei manchen löst allein das Wort Sorgen oder Ängste aus. Etwa, ob die Landeskirche vorhabe, alle Präsenzveranstaltungen in Zoom-Meetings zu verwandeln – oder, etwas zugespitzt: direkt Roboter statt Seelsorger*innen aus Fleisch und Blut einzusetzen. 

Auf der anderen Seite gibt es viele, die den Wandel selbst aktiv mitgestalten wollen. Der neue IT-Chef Markus Bönisch etwa, der die Landeskirche fit für die Zukunft machen will. Welche Rolle dabei die Digitalisierung spielen soll, hat er kürzlich im Sonntagsblatt-Gespräch erklärt. Wir haben mit zwei weiteren Vertretern der ELKB über das Thema gesprochen, die in ganz unterschiedlichen Feldern tätig sind. 

Es passiert nicht alles im digitalen Raum

"Digitalisierung heißt ja nicht, dass alles im digitalen Raum passiert", stellt Benedikt Herzog klar. Er ist Landjugend-Pfarrer und hat mit dem Jugendprojekt "Lost no more" ganz konkrete Erfahrungen im digitalen Bereich gesammelt.

Statt um "Entweder oder" gehe es um ein "Sowohl als auch", erklärt Herzog:

"Dass wir in Dinge im digitalen Raum tun, aber sie in der Fleischwelt nicht lassen."

Herzog führt als Beispiel den Besuch einer Schulklasse im Evangelischen Bildungszentrum Pappenheim an – live, nicht per Zoom. "Selbstverständlich" habe er am Schluss ein digitales Umfrage-Tool verwendet. Die Vorteile liegen auf der Hand: "Das ist anonym, das Ergebnis ist sofort ersichtlich, es ist transparent."

Der Landjugend-Pfarrer betont, es gehe bei jedem konkreten Projekt darum sich zu fragen: Wie können wir das in den digitalen Raum übertragen? Nach anderthalb Jahren könne er sagen: "Ohne Weiteres funktioniert das nicht." Zunächst müsse man sich überlegen, was die Funktion einer bestimmten Maßnahme sei und wen man damit ansprechen oder binden wolle:

"Und dann müssen wir uns überlegen, wie schaffen wir das mit digitalen Methoden?"

Methoden, hebt er hervor, nicht Medien. Denn: "Das konkrete Medium ist zunächst zweitrangig."

Anderes Zeitgefühl im digitalen Raum nicht vergessen

Ein Fehler, den man dabei nicht machen dürfe: Ein bewährtes analoges Format nehmen und einfach in den digitalen Raum übertragen. Als Beispiel nennt er eine Zoom-Konferenz. "Wenn ich da fünf Minuten rede, dann wird es für die Jugendlichen, als ob es eine Viertelstunde ist. Deshalb waren wir ja alle platt in der ersten und in der zweiten Corona-Welle: Weil wir alle so gearbeitet haben wie vorher, aber eben mit digitalen Konferenzen."

Bei digitalen Konferenzen müsse man von einem anderen Zeitgefühl ausgehen, fasst Herzog zusammen. "Wenn ich einen Achtstundentag habe und den vor vom Bildschirm verbringe, der Zeit-Faktor aber mal zwei oder drei ist, dann ist es ja, als wenn ich 16 Stunden oder mehr gearbeitet habe." Daher sei folgende Frage zentral:

"Wie kann ich meinen Inhalt passend zum Format vermitteln?"

Nicht weg von den Menschen und hin zur Technik

Thomas Zeilinger, der landeskirchliche Beauftragte für Ethik im Dialog mit Technologie und Naturwissenschaft, sieht das ähnlich wie Herzog. Er betont, bei den digitalen Bemühungen der Kirche gehe es nicht darum, von den Menschen weg und hin zu einer Technik zu gehen. Vielmehr sei das Ziel,

"mit der digitalen Technik Menschen zu erreichen, zu Menschen zu kommen, mit Menschen ins Gespräch zu kommen und Menschen zu ihrem eigenen Ausdruck des christlichen Glaubens zu befähigen."

Es sei die Erfahrung des digitalen Zeitalters, dass es nicht mehr einige zentrale Sendeinstanzen gebe, die die verbindlichen Botschaften für alle vorgäben. Stattdessen seien alle gefragt, die eigene Stimme einzubringen. Eine vermeintliche Alternative "analog oder digital" sei daher nicht weiterführend.

"Digital ist sicher ein neuer Ort für dieses Gespräch, aber bedeutet keinen anderen Inhalt im Gespräch."

Digitalisierung wie Buchdruck zu Luthers Zeiten

Und es gibt noch einen Punkt, in dem sich Herzog und Zeilinger einig sind: Beide vergleichen die digitale Revolution mit einer aus ihrer Sicht ebenso bahnbrechenden Umwälzung: Der Erfindung des Buchdrucks. "In der Reformationszeit hat sich parallel zu Luthers umwälzenden Erkenntnissen auch der Buchdruck entwickelt. Daher wissen wir, dass zum christlichen Leben auf Erden auch der Einsatz von Technik gehört", stellt Zeilinger fest. 

Herzog sieht das genauso. "Damals war es der Buchdruck, heute ist es das Internet", ist er überzeugt. 

Zeilinger führt aus, Digitalisierung sei auch eine Bildungsaufgabe. Jeder und jede sollten in die Lage versetzt werden, mitreden zu können. Auch dazu solle die Kirche ihren Beitrag leisten. 

Nicht immer alles bewerten

Zum Abschluss hat der Landjugend-Pfarrer noch einen Rat: Gelassenheit. "Wir müssen in Bezug auf die Digitalisierung auch die Bewertung rausnehmen", sagt er. Man sei immer schnell dabei zu sagen, das ist schlecht. "Und dann fallen uns 100.000 Gründe ein, warum das schlecht ist."

Dahinter stecke jedoch meistens Unsicherheit: "Aber warum ist es in der Regel schlecht? Weil es uns bedroht, weil es anders ist, weil es eben auch anzeigt: Der Raum, den wir vermeintlich als sicher identifiziert haben, der ist nicht so stabil, wie wir dachten."

Herzog zieht einen biblischen Vergleich: Als die Jünger während des Sturms auf dem Boot gewesen seien, habe es vorne und hinten gewackelt. Doch dann habe sich Jesus hingestellt und frei übersetzt gesagt: 'Ihr Kleingläubigen, was ist los mit euch?'.

"Es ist im Prinzip nichts anderes. Die Welt ist um uns herum wie ein aufgewühlter See. Ist halt die Frage, wie wir damit umgehen."