In dem modernen Bau mit der markanten Kupferfassade hat die 53-jährige Alexandra Lutz bereits ihr Büro mit Blick auf das Grün am Ufer des Wöhrder Sees in Nürnberg bezogen. Als neue Chefin des landeskirchlichen Archivs der bayerischen Landeskirche ist Lutz seit 1. Juli verantwortlich für eines der größten Kirchenarchive Deutschlands mit derzeit 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Die gebürtige Schleswig-Holsteinerin war zuvor kommissarische Leiterin des Instituts für Stadtgeschichte in Frankfurt am Main. In den kommenden Jahren will sie das digitale Langzeitarchiv der Landeskirche aufbauen, wie sie im Gespräch mit dem Sonntagsblatt sagte.

Software ist wichtig, Umdenken genauso

In diese Bestände sollen Unterlagen wandern, die digital entstanden sind, erklärte Lutz. Elektronische Kirchenbücher, E-Akten, Meldedaten, aber auch Websites, Social-Media-Posts oder Filme und Fotos - versehen mit Metadaten - werde das moderne Archiv enthalten. Man wolle nun eine geeignete Software auswählen, damit die digitalen Unterlagen bewertet, übernommen, verwahrt und für die Benutzung zugänglich gemacht werden können, sagte Lutz.

"Doch mindestens ebenso wichtig wie eine Archivierungssoftware ist ein Prozess des Umdenkens."

Es sei wichtig, innerhalb der Landeskirche langfristige Digitalisierungsmaßnahmen zu entwickeln. Sie wünsche sich, dass hierfür entsprechende Strukturen, Arbeitsgruppen, Runde Tische oder ähnliches geschaffen würden, bei denen auch das Kirchenarchiv dabei sei.

"Nicht um als altmodische Besserwisser aufzutreten, sondern um rechtzeitig zu vermitteln, was für die digitale Langzeitarchivierung gebraucht wird".

Das Archiv wolle weiterhin seine "Aufgabe als Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft" erfüllen, sagte Lutz.

Kirchliche Quellen sind "wahrer Schatz"

"Kirchliche Quellen sind ein wahrer Schatz", sagte die Archivdirektorin, die Mittlere und Neuere Geschichte, Volkskunde und Soziologie studiert hat. Schon bei ihrer Promotion an der Universität Kiel zu Ehealltag und Ehekonflikten in der Frühen Neuzeit habe sie intensive Erfahrungen mit kirchlichen Archiven gemacht. Voll des Lobs ist Lutz für das bisher bestehende analoge Archiv, das seit 2013 in einem modernen Gebäude untergebracht ist. "Ich bin meiner Vorgängerin sehr dankbar, alles läuft wunderbar und rund hier", sagte sie über Andrea Schwarz, die im Frühjahr in den Ruhestand gegangen ist.

Als Archivarin müsse Lutz die Kriterien und eine realistische Einschätzung dafür haben, was in Zukunft aus Vergangenheit und Gegenwart wichtig sein könnte, sagte die Nürnberger Regionalbischöfin Elisabeth Hann von Weyhern bei Lutz’ Einführung.

"Auch Sie als Archivarin können nicht alles aufheben."

Der Leiter des Landeskirchenamts, Nikolaus Blum, bezeichnete es als einen "Glücksfall", dass Alexandra Lutz die Leitung des Archivs übernommen habe. "Sie bringt unschätzbare Erfahrungen mit dem digitalen Wandel allgemein und vor allem dem Aufbau digitaler Langzeitarchivierung mit." Das sei ein Gewinn für all die anderen Stellen der Landeskirche, die sich auf den Weg der Digitalisierung machten und ihre Beratung und Unterstützung gut gebrauchen könnten.

Das Stichwort: Landeskirchliches Archiv

Das Archiv der bayerischen evangelischen Landeskirche ist das zweitgrößte Kirchenarchiv Deutschlands. Es verwahrt - nach den Vorgaben des kirchlichen Archivgesetzes - etwa 18 laufende Kilometer Archivalien und eine Bibliothek, die wiederum über fünf Kilometer Regale umfasst. Darunter sind historische Bibliotheken und moderne Literatur. Zu den wertvollsten Stücken gehören eine Schenkungsurkunde des Nürnberger Burggrafen Konrad von 1260, ein Psalter aus dem 13. Jahrhundert, Dürers Apokalypse und Erstausgaben von Schriften Martin Luthers, Philipp Melanchthons und anderer.

Der im Jahr 2013 eingeweihte Neubau in der Nürnberger Veilhofstraße hat rund 9.000 Quadratmeter Fläche, davon rund 5.000 Quadratmeter Magazinräume. Es ist Platz für 34 Kilometer Archiv- und Bibliotheksgut. Das Haus hat sieben Stockwerke. Eine Besonderheit ist, dass das Gebäude wegen einer natürlichen Klimatisierung ohne Klimaanlage auskommt. Die Baukosten betrugen etwa 18,8 Millionen Euro.