Die Jesiden bilden eine eigene Religionsgemeinschaft. Weltweit bekennen sich mindestens 800.000 Menschen zum jesidischen Glauben. Die Heimat der meisten Jesiden ist der Nordirak. Dort befindet sich nördlich der Millionenstadt Mossul auch ihr religiöses Heiligtum, Lalisch.

Woran glauben Jesiden?

Das Jesidentum ist eine monotheistische Religion, deren Wurzeln bis 2.000 Jahre vor Christus zurückreichen sollen. Der jesidische Autor Darwis Hasso vermutet, dass sich das Jesidentum aus dem Zoroastrismus entwickelte. Jeside wird man ausschließlich durch Geburt, beide Elternteile müssen der Religionsgemeinschaft angehören. Niemand kann übertreten oder bekehrt werden. Bei Ehen mit Nicht-Jesiden verlieren Gläubige ihre Religionszugehörigkeit.

Wie ist die Situation der Jesiden im Irak?

Jesiden werden immer wieder verfolgt und diskriminiert. Fanatische Muslime sehen die Gemeinschaft als Sekte und die Mitglieder als "Teufelsanbeter" an, weil in der jesidischen Religion der "Engel Pfau" (Melek Taus) eine bedeutende Rolle spielt. Er wird im Koran als gefallener Engel bezeichnet. Die brutale Gewalt der sunnitischen Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) gegen Jesiden im Nordirak löste 2014 weltweit Entsetzen aus. Hunderttausende flohen damals in die kurdischen Autonomiegebiete - wo viele bis heute in Flüchtlingslagern leben. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte wirft dem IS Völkermord an den Jesiden vor. Tausende Frauen und Mädchen wurden als Sexsklavinnen verschleppt.

Wer ist Melek Taus?

Melek Taus oder Tausi Melek ist im Glauben der Jesiden ein von Gott geschaffener Engel und wird von einem blauen Pfau symbolisiert. Nach jesidischer Mythologie hat Gott aus seinem Licht in der Form eines siebenfarbigen Regenbogens den Engel Melek Taus geschaffen. Melek Tau ist einer von sieben Erzengeln. Das jesidische Neujahrsfest wird ihm gewidmet. Nach einem Schöpfungsmythos ist der Engel auch an der Erschaffung Adams beteiligt. Demnach stammen Jesiden allein von Adam ab. Dies begründet das Gebot zur Endogamie, also eine Heiratsordnung, die Eheschließungen innerhalb der eigenen Volks- und Glaubensgruppe bevorzugt.

Wie kam Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad nach Deutschland?

Vier Bundesländer haben bislang vor allem Jesidinnen über Härtefall-Aufnahmeprogramme nach Deutschland geholt. Baden-Württemberg nahm 2015 und 2016 mehr als 1.000 Angehörige der religiösen Minderheit auf - unter ihnen Nadia Murad, die 2018 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Murad ist eine Überlebende des vom IS verübten Genozids. Die Menschenrechtsaktivistin ist seit September 2016 die erste Sonderbotschafterin für die Würde der Überlebenden von Menschenhandel der Vereinten Nationen (UNODC).

Bevölkerung der Jesiden - Diaspora in Deutschland

Weltweit gibt es Schätzungen zufolge etwa eine Million Jesiden. Ihre ursprünglichen Heimatländer im Nahen Osten sind allen voran der Irak, die Türkei, Syrien und der Iran. Die Mehrheit der Jesiden spricht das Kurdische "Kurmancî“. Das Hauptsiedlungsgebiet der Jesiden befindet sich in der nordirakischen Provinz Ninive, vor allem in den beiden Distrikten Sindschar ("Sinjar“) und Sheikhan. Hier lebten vor dem Sindschar-Genozid 2014 schätzungsweise zwischen 600.000 und 700.000 Jesiden. Rund 500.000 Jesiden waren es noch bis zum Beginn des am 3. August 2014 einsetzenden Völkermords in der Region Sindschar.

Die weltweit größte Diasporagemeinde der Jesiden mit rund 150.000 Menschen lebt in Deutschland, viele bereits in dritter und vierter Generation. Mehrheitlich leben sie in den Bundesländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen sowie Bremen, Hamburg und Berlin.

Aktuelle Situation der Jesiden

Die jesidischen Geflüchteten sind aufgrund der Erlebnisse von Vernichtung und Vertreibung massiv traumatisiert und es mangelt ihnen, auch aufgrund der katastrophalen humanitären Lage in den überfüllten Flüchtlingslagern an Zukunftsperspektiven. Die Bundeszentrale für Politische Bildung bietet unter diesem Link eine Auflistung der Situation für die jeweiligen Regionen.

Verfolgung & Urteile gegen IS-Kämpfer*innen

Das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg hat im Juli 2022 eine IS-Rückkehrerin aus Bremen zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Staatsschutzsenat sprach die 34 Jahre alte Mutter zweier Kinder wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, Beihilfe zum Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Versklavung schuldig. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Frau, die Ende der 1990er-Jahre als Kind zusammen mit ihren Eltern vor den Taliban aus Afghanistan nach Deutschland geflohen war, Mitglied der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) war. Ihr Ehemann habe eine Jesidin als Sexsklavin gehalten, die Angeklagte habe die Dienste der Frau in Anspruch genommen. Das Urteil gilt als wichtiger Meilenstein, der zeigt, dass der Völkermord an Jesiden geahndet wird.

 

Dieser Beitrag wurde am 30. Juli 2022 überarbeitet und ergänzt.