Seit zwei Jahren sitzt Martin Weigert regelmäßig in den Räumen der BSS in Nürnberg in seiner kleinen, schallisolierten Bude. Vor ihm liegt eine sogenannte Braillezeile, ein Computer-Ausgabegerät für blinde Menschen, das Zeichen in Brailleschrift darstellt. Mithilfe einer speziellen Software wird dem Gerät angezeigt, was sich gerade auf dem Bildschirm abspielt.

Braillezeilen besitzen Navigationstasten, mit denen der dargestellte Textausschnitt gewählt werden kann. Die Ansteuerung erfolgt in der Regel über ein Bildschirmleseprogramm. Diese Informationen liest Weigert dann auf seiner Zeile mit den Fingern ab und weiß, wie er auf seinem Computerdisplay weiter navigieren muss, um die richtigen Einstellungen zu finden, damit seine Sprecher hörenswert ins Szene gesetzt werden.

Wenn Sieglinde Blaschke vor das Mikro tritt, das in dem nur wenig größeren Raum gegenüber steht, da rollt schon mal das fränkische "R". Hinter der Glasscheibe sitzt Martin Weigert, der seine Sprecherin freilich nicht sieht, dem aber nichts entgeht. "Noch mal die letzte Passage", gibt der Toningenieur zu verstehen – weiter geht’s.

Auch Rosemarie Messelhäuser spricht nicht in astreinem Hochdeutsch, wenn sie die Texte für die Empfänger einer der rund 250 CDs einspricht, die vier Mal im Jahr an die Abonnenten versandt werden. Aber hier geht es auch nicht um die "hohe Schule" des Radios, sondern um die Auswahl der Themen und die wohlklingende Vermittlung der Inhalte kirchlicher Informationen, die manchem blinden Leser so verschlossen bleiben würden.

Für blinde Menschen navigierbare DAISY-CD

"Unser Projekt soll in erster Linie Senioren ansprechen, die selten die Blindenschrift oder die blindengerechten Programme auf dem PC erlernen können. Häufig waren die Hörer früher treue Leser der Evangelischen Sonntagszeitungen für Bayern", weiß der Leiter des Projekts und landeskirchliche Beauftragte für die BSS, Kirchenrat Gerald Kick. Ein Redaktionsteam aus fünf ehrenamtlichen und zwei hauptamtlichen Mitarbeitenden wählt die Artikel aus, die sie später im Tonstudio aufnehmen. Die Aufnahmen werden zu einer blinden- und sehbehindertengerechten CD zusammengestellt. So wird seit 17 Jahren die barrierefreie Verbreitung kirchlicher Nachrichten ermöglicht.

Im Jahr 2000 wurde zunächst mit der Produktion von Hörkassetten begonnen. Die wurden dann von den Mitarbeitern jeweils zu Hause aufgesprochen, in mühevoller Arbeit von Hand geschnitten und zusammengesetzt, bevor sie als Tonkassette kopiert und versandt wurden. Nicht zu vergessen: Während man heute mithilfe eines Computers einfach eine CD nach der anderen innerhalb weniger Minuten brennt, mussten Kassetten damals noch quasi in Echtzeit überspielt werden.

Doch diese Zeiten gehören der Vergangenheit an: Seit 2008 wurde die Produktion auf die für blinde Menschen navigierbare DAISY-CD umgestellt. Dieser Tonträger kann von einem entsprechendem Abspielgerät ausgelesen werden, das Blinde intuitiv bedienen können. Und eines scheint klar: Auch dieser Text wird bald aus den Boxen schallen.

 

MEHR INFOS: www.bss-bayern.de

 

So sieht eine Braillezeile aus.