Die wichtigsten Orte im Leben Caspar David Friedrichs waren Greifswald und – ab 1798 – Dresden. Seine Wanderungen führten ihn immer wieder in die Landschaften Vorpommerns rund um Greifswald, auf die nahe Insel Rügen, ins Riesengebirge, in den Harz, nach Nordböhmen. Dort entstanden seine Skizzen, die er dann – oft Jahre später – in seinem Atelier vor seinem inneren Auge zu virtuellen Sinnlandschaften zusammenfügte.
Sein Elternhaus stand in der Langen Gasse 28, die das westliche Stadttor mit dem Marktplatz, den Friedrich 1818 als Aquarell malte, und dem Mühlentor im Osten verband. Am Ort des ehemaligen Geschäftshauses der Familie, in dem sich auch die Kerzenwerkstatt des Vaters befand, erinnert heute das Caspar-David-Friedrich-Zentrum an den bekanntesten Maler der Universitäts- und Hansestadt, die durch den Greifswalder Bodden mit der Ostsee verbunden ist.
Im Altarraum des Greifswalder Doms lernte er das Kreuz kennen, das im Zentrum vieler seiner Sehnsuchts- und Hoffnungsbilder steht
Im Greifswalder Dom, der evangelischen Nikolaikirche, deren ursprünglicher Eingang durch das Westportal in unmittelbarer Nähe zum Wohnhaus lag, wurden Friedrichs Eltern getraut (1765) und Friedrich und seine Geschwister getauft. Als Lichtgießer war Friedrichs Vater eng mit der Kirche verbunden, da er den Dom mit den notwendigen Kerzen zur Beleuchtung des Raums und der liturgischen Feier der Gottesdienste im Jahreskreis belieferte.
Später kamen auch die Seifen hinzu, mit denen zur damaligen Zeit in den Kirchen die Glockenseile geschmiert wurden. Friedrich hat mit seinem pietistisch geprägten Vater die wöchentlichen Gottesdienste im Dom besucht. Seine Familie hatte feste Plätze im Kirchengestühl. In seiner Familie lernte er den lutherischen Glauben kennen und im Altarraum des Doms das Kreuz, das im Zentrum vieler seiner Sehnsuchts- und Hoffnungsbilder steht.
Als Kind wird ihn das Spiel von Licht und Schatten, das die Kerzen seines Vaters im Kirchenraum erzeugten, fasziniert haben. Und er wird auch das natürliche himmlische Licht erleben, das am Sonntagmorgen durch die Kirchenfenster in den Raum strahlt.
Wenn Friedrich 1825 seine Frau Caroline in seiner Dresdner Wohnung als Modell zeichnet, dann hat dies vielleicht auch mit dem Handwerk seines Vaters und den religiösen Licht-Erfahrungen im Haus seiner Kindheit zu tun. Er schenkt die beiden Bilder seinem Bruder Adolf, der das Handwerk seines Vaters weiterführte, Friedrich auch in Dresden mit Kerzen versorgte und ihn in schwierigen Zeiten finanziell unterstützte.
Friedrich malt Allegorien und Metaphern, um beim Betrachter ein religiöses Gefühl zu erwecken
In seinem Bild "Frau mit Leuchter" blicken wir aus der Dunkelheit auf eine Frau mit einer Haube, die sich nach rechts wendet, kurz davor ist, den Flur zu verlassen. Es ist Nacht. Sie trägt einen Kerzenhalter in der Hand. Auch wenn man die Kerze nicht sehen kann, die sie angezündet hat, erleuchtet das warme Licht die Wand mit Gardine, das schlichte Fensterkreuz, in Friedrichs Bildern auch ein religiöses Symbol, einen Teil ihrer Schürze, ihr Gesicht, die Holzdielen und den Eingang. Ein flackerndes Spiel von Licht und Schatten. Wohin wird sie gehen? Das Licht zeigt es ihr bereits. Doch der Betrachter kann es nicht sehen, kann es nur erahnen.
Wir wissen aus Friedrichs Briefen, dass er die Bilder vor seinem inneren Auge entstehen ließ. Friedrich malt Allegorien und Metaphern, um beim Betrachter ein religiöses Gefühl zu erwecken. So schreibt er in seinen Briefen: "Schließe dein leibliches Auge, damit du mit dem geistigen Auge zuerst siehest dein Bild. Dann fördere zutage, was du im Dunkeln gesehen, dass es zurückwirke auf andere von außen nach innen."
Was wird er vor seinem inneren Auge gesehen haben? Friedrich malt Alltagsszenen, die eine symbolische Wirkung haben. Er lässt uns an seinem Glauben teilhaben und möchte unser religiöses Gefühl ansprechen, hinterlässt Erinnerungs- und Andachtsbilder, die einen Moment des religiösen Empfindens des Malers einfangen und zugleich als Metapher für den Glauben an sich stehen. Glauben, das ist für Friedrich ein warmes Licht in der Dunkelheit, das Vertrauen, ohne Angst die dunkle Kellertreppe hinuntergehen zu können.
Beide Bilder gehören zusammen. Die Frau, die gerade noch dabei war mit einem Kerzenhalter in der Hand den Raum zu verlassen, steigt im Bild "Frau auf der Treppe" (1825) nun die Treppe hinauf und rafft dabei mit den Händen Rock und Schürze. Wir sehen ihr dabei aus dem dunklen Keller zu. Was ist das für ein Licht, dem sie entgegengeht? Und was sieht sie bereits, was für uns nur erahnbar ist?
Wenn man sich länger in das Bild vertieft, ist es kein flackerndes Kerzenlicht, kein natürliches Licht: So ein Glanz ist nicht von dieser Welt. Vielleicht ist dieses Bild auch eine Allegorie für die Stufen des Lebens. Und am Ende des Wegs ist ein Licht. Ganz ruhig und andächtig geht die Frau mit der weißen Haube dem in die Dunkelheit hineinstrahlenden Licht entgegen, sieht ein hoffnungsvolles göttliches Licht, das in der inneren Vorstellungskraft des Betrachters an die Auferweckungsbotschaft des Ostermorgens erinnern könnte.
Er malt die untergehende Sonne und das Mondlicht als göttliches Hoffnungslicht
Die Gestaltung des Innenraums und der Fenster des Doms und auch die architektonische Bedeutung des Turms werden Friedrich immer wieder in seinen Bildern und Gesprächen mit Freunden beschäftigen. Aus der "Gartenlaube" (1818) seines Bruders Adolf heraus malt Friedrich seine Vision des Greifswalder Doms mit einem neugotischen Turmhelm, keine barocke Zwiebel, wie sie heute noch zu sehen ist, sondern ein in den Himmel strebender schlanker Spitzhelm einer gotischen Kathedrale, hinter der das Licht des Mondes strahlt. Friedrich wendet sich mit seinen religiösen Bildern gegen die wissenschaftliche Rationalisierung des Glaubens und der Natur. Anstatt das Licht der Sonne an der Höhe des Tages zu malen, als Ausdruck für die Vernunft in der Aufklärung, malt er die untergehende Sonne und das Mondlicht als göttliches Hoffnungslicht. So sind es die Übergänge des Tages zur Nacht oder der Nacht zum Tag, die ihn faszinieren und die Stimmungen seiner Zeit aufnehmen, eine Epoche des Übergangs mit der Hoffnung auf Frieden, Freiheit und eine nationale Identität als Voraussetzung für demokratische Reformen.
Im Geiste Friedrichs und seines Freundes Johann Gottlieb Giese werden im Jubiläumsjahr 2024 die Fenster im Ostchor des Greifswalder Doms nach einem Entwurf des Künstlers Ólafur Elíasson gestaltet, der sich auf die warme Farbgebung des einfallenden Lichtes der drei Ruinenfenster in Friedrichs Ölgemälde "Huttens Grab" (1823/24), das Friedrich zum 300. Todesjahr des humanistischen Dichters Ulrich von Hutten (1488-1523) geschaffen hatte, bezieht.
Im Dom kann der Besucher auch nachvollziehen, wie sich Friedrich einen Kirchenraum vorstellte: schlicht und weiß. Kein Altarbild sollte den Blick ablenken, auf dem Tisch steht allein ein großes goldenes Kreuz, auf das die Innenarchitektur des Raumes zuläuft. Die Neugestaltung im 19. Jahrhundert richtete sich nach Friedrichs Plänen, das heute sichtbare Chorgestühl, Kanzel und Altartisch wurden von seinem Bruder Christian angefertigt.
Auch in den bekannten Panoramabildern von Greifswald, als Sinnbild für die himmlische Stadt, hat er den Nicolaiturm eindrucksvoll stilisiert. Ebenso spielen die beiden anderen Greifswalder Kirchen, St. Jakobi und die Marienkirche, in diesen Bildern zusammen mit dem Dom eine wichtige Rolle als Verweis auf seine Heimatstadt: Sie sind Metapher für einen sicheren Ort, dessen Landschaft und Türme in den Himmel übergehen, wie es in den "Wiesen bei Greifswald" (1820-22) eindrucksvoll zu sehen ist.
Alles, was Friedrich in seinen Skizzen und Bildern nach oben verlängert, steht für einen tieferen Sinn und verweist auf den Himmel und die unsichtbare Welt hinter den Wolken. Auch bei seinen Schiffs- und Hafenbildern von Greifswald, der Dänischen Wieck und der vorpommerschen Boddenlandschaft wird er die Masten der Segelschiffe in den Himmel wachsen lassen und um sie herum die Farben der Übergänge von Tag und Nacht im Mondschein malen.
In der Zeit der Besetzung Schwedisch-Pommerns durch französische Truppen (1807-1815) malt Friedrich die St.-Jakobi-Kirche als Ruine, obwohl das Gotteshaus in dieser Zeit nicht zerstört wurde; gleichwohl wurde sie entweiht und diente den Franzosen in den Befreiungskriegen als Feldbäckerei und Pferdestall. An diesem Bild kann Friedrichs politische Kunst studiert werden, da er in Vorpommern und Sachsen die Umbrüche seiner Zeit aktiv miterlebte, die sich mit seinen religiösen Gefühlen verbanden.
Zu den Landschaftsbildern der Frühromantik gesellen sich alsbald die Schlachtenbilder der Napoleonischen Kriege
Im Jahr der Französischen Revolution war Friedrich 18 Jahre alt. Doch anstatt dass die Erklärung der Menschenrechte von 1789 Europa zum Guten veränderte, repräsentierte die Grande Armeé Napoleons Herrschaftsanspruch und das Eisen seiner Kanonen die Erfolge der Industrialisierung im 18. und frühen 19. Jahrhundert.
Zu den Landschaftsbildern der Frühromantik gesellen sich alsbald die Schlachtenbilder der Napoleonischen Kriege. Erst 1815 wird Napoleon bei Waterloo geschlagen und Vorpommern an Preußen angegliedert.
In den Befreiungskriegen steht er fest an der Seite des früheren Greifswalder Professors, deutsch-nationalen Schriftstellers, Napoleon- und Judenhassers Ernst Moritz Arndt (1769-1860). Friedrichs Bilder atmen die anti-französische und nationalistische Stimmung in Deutschland, die man auch in Arndts Schriften findet. Das Revolutionsjahr von 1848 wird Friedrich nicht mehr erleben, aber er lehnt den Preußischen Staat ab, der die demokratischen Freiheitsbestrebungen unterdrückte und repressive Zensurmaßnahmen einführte.
Nach der Französischen Revolution wird das religiöse Gefühl in den Mittelpunkt gestellt
Als Folge der Französischen Revolution und der Säkularisierung wird in Deutschland auch die Bedeutung von Religion neu bestimmt. Ging es in der Theologie nach der Aufklärung vor allem um die Frage nach dem moralischen Verhalten und dem Verstehen, wie Gott gedacht werden kann, wird nun das religiöse Gefühl in den Mittelpunkt gestellt.
Religion ist nicht das, was eine Religionsgemeinschaft an Lehren und Moral vermittelt, sondern wird persönlich empfunden. Religion wird zur individuellen religiösen Erfahrung, zum "Sinn und Geschmack für die Unendlichkeit", wie es der Theologe Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768-1834) formuliert, der Friedrich einlädt, seine Bilder in Berlin auszustellen. Und diese religiöse Erfahrung kann und darf eben auch in der Natur als Gottes Schöpfung gemacht werden. Oder wie Friedrich es formuliert:
"So betet der fromme Mensch
und redet kein Wort,
und der Höchste vernimmt ihn;
so malet der fühlende Künstler,
und der fühlende Mensch versteht
und erkennt es."
Zu Friedrichs stilisierten Kirchendarstellungen gesellt sich nun die Schönheit der Weite seiner Landschaftsbilder, in denen in Gottes freier Natur Klöster und Kathedralen als Ruinen und knorrige Eichen als Fragmente für die Vergänglichkeit des Lebens und grüne Tannen und Gipfelkreuze für den Verweis auf die Unendlichkeit des Himmels als Ort der Gotteserfahrung stehen.
Geprägt durch frühe Erfahrungen des Schmerzes im engsten Familienkreis
Dass Friedrichs ästhetische Auseinandersetzung mit der Dunkelheit des Todes und dem österlichen Hoffnungslicht auch durch die frühen Erfahrungen des Schmerzes im engsten Familienkreis geprägt ist, darf angenommen werden. Caspar wächst zusammen mit seinen acht Geschwistern auf, ein älterer Bruder ist bereits vor seiner Geburt verstorben. Seine Mutter verstirbt bereits 1781, und auch zwei Schwestern werden in jungen Jahren ihren Krankheiten erliegen.
Im Kirchenbuch des Greifswalder Doms findet sich zudem der erschütternde Eintrag vom Tod seines zwölfjährigen Bruders Johann Christoffer, als er am 8. Dezember 1787 den im kalten Wasser des Wallgrabens untergehenden 13-jährigen Caspar retten wollte und dabei selbst ertrank. Die Erinnerung an den Tod des Bruders, der für ihn sein Leben ließ, spiegelt sich nicht nur in Friedrichs Kreuzesdarstellungen wider, sondern eröffnet für ihn auch eine Trost- und Hoffnungsperspektive über den eigenen Tod hinaus.
Der "Tetschener Altar" bricht mit der Tradition von biblischen Erzählungen, die als religiöse Andachtsbilder in den Kirchen zur Meditation einladen. Erstmals wird allein die Natur zur Spur der Gotteserfahrung.
Die religiöse Bedeutung der Landschaft
Vielleicht wurde Friedrich durch die Theologie und Uferpredigten des Pfarrers Gotthart Ludwig Kosegarten (1758-1818) in Vitt inspiriert, der 1806 eine Kapelle direkt am Strand an der Nordspitze der Insel Rügen bauen möchte. Unter freiem Himmel predigte er von der sichtbaren Welt der Natur als Gottes Schöpfung. Friedrich besuchte Kosegarten auf Rügen, und von ihnen ist ein Briefwechsel bekannt. Aufgrund der französischen Besetzung dauerte der Bau der achteckigen Kapelle zehn Jahre. Es ist möglich, dass der Entwurf des Altarbildes ursprünglich für das Bethaus am Ufer gedacht war, da es 1807/08 als erstes Ölgemälde Friedrichs in seinem Dresdner Atelier entstand, eine neue Bildsprache erkennen lässt und in die dunkle Zeit der französischen Besetzung hinein Trost und Hoffnung vermitteln möchte.
Die sichtbare Landschaft: ein mit grünen Fichten bewachsener Felsen, dessen dunkle Seite die beginnende Nacht zeigt. Auf der Spitze – höher als die Baumwipfel der Tannen – ein in den Himmel ragendes glänzend goldenes Kruzifix. Das Besondere: Es ist vom Betrachter abgekehrt und blickt auf die untergehende Sonne, die hinter dem Berg verborgen ist. Fünf breite Strahlen leuchten hoffnungsvoll in den mit Wolken verhangenen rötlichen Abendhimmel. Einer der Strahlen erhellt eine große Fichte, ein anderer den Körper des leidenden Christus.
Die religiöse Bedeutung der Landschaft hinter der sichtbaren Naturdarstellung beschreibt Friedrich in einem Brief an einen Freund in Weimar so:
"Wohl ist es beabsichtigt, dass Jesus Christus, ans Holz geheftet, hier der sinkenden Sonne zugekehrt ist, als das Bild des ewigen allbelebenden Vaters. Es starb mit Jesu Lehre eine alte Welt, die Zeit, wo Gott der Vater unmittelbar wandelte auf Erden; (…) Diese Sonne sank, und die Erde vermochte nicht mehr zu fassen das scheidende Licht. Da leuchtet, vom reinsten edelsten Metall der Heiland am Kreuz, im Gold des Abendroths, und wiederstrahlet so im gemilderten Glanz auf Erden. Auf einem Felsen steht aufgerichtet das Kreuz, unerschütterlich fest, wie unser Glauben an Jesum Christum. Immer grün durch alle Zeiten während stehen die Tannen ums Kreuz, gleich unsere Hoffnung auf ihn, den Gekreuzigten."
Ausstellungen im Caspar-David-Friedrich-Jahr
Hamburg – Kunsthalle
Caspar David Friedrich. Kunst für eine neue Zeit.
15. Dezember 2023 bis 1. April 2024
Caspar David Friedrich steht wie kein anderer Maler für die Romantik, seine Werke sind Ikonen einer Zeit tiefgreifender gesellschaftlicher und politischer Umbrüche. Im Zentrum der Schau mit mehr als 60 seiner Gemälde und rund 100 Zeichnungen steht das neuartige Verhältnis von Mensch und Natur in Friedrichs Landschaftsdarstellungen. hamburger-kunsthalle.de
Berlin – Alte Nationalgalerie: Caspar David Friedrich. Unendliche Landschaften.
19. April bis 4. August 2024. www.smb.museum
Dresden – Staatliche Kunstsammlungen: Caspar David Friedrich. Wo alles begann. Albertinum: 24. August 2024 bis 5. Januar 2025. Residenz: 24. August bis 17. November 2024. albertinum.skd.museum
Greifswald, Caspar David Friedrichs Heimatstadt, feiert ihren berühmten Sohn mit Ausstellungen ab 28. April und einem großen Veranstaltungsprogramm über das ganze Jahr 2024 hinweg. caspardavid250.de und pommersches-landesmuseum.de
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