"Für mich war das Leben immer aufregend und reich", sagt Editha Humburg. Dankbar und versöhnt blickt sie auf hundert Jahre Lebenszeit zurück. Und voll Neugier nach vorne: "Ich erwarte immer noch was Neues!", sagt die Frau, die mittlerweile im Alexanderstift in Allmersbach im Tal zuhause ist und im Schachspiel auch von zwei Generationen Jüngeren nicht ohne weiteres zu besiegen ist.

Noch kurz vor ihrem 80. Geburtstag erfüllte sie sich den langgehegten Wunsch, auf dem Jakobsweg zu pilgern, trotzte Unwettern, kam mit jungen Menschen aus aller Welt ins Gespräch und schickte das "von Kindern und Enkeln aufgezwungene Handy" kurzerhand nach Hause, nachdem sie es in einer Herberge vergessen hatte. Über ihre Erfahrungen schrieb sie ein Büchlein, das sie mit eigenen Zeichnungen versah. Die Lesungen, die sie Mitte neunzig hielt, waren ausgebucht.

Gott ist der Regisseur ihres Lebens

Sie schrieb Theaterstücke, Hörspiele und Geschichten, führte Puppenspiele bei Festveranstaltungen und in Schulklassen auf. Über viele Jahrzehnte hinweg war sie leidenschaftliche Tänzerin, die andere im Eis- und Ausdruckstanz anleitete. Mit ihrer Kunst möchte sie Menschen einladen, als Original zu leben, als Schöpfungsgedanke eines liebenden Gottes, von dem sie sagt: "Er ist der Regisseur meines Lebens."

Ihren Sinn für Schönheit und würdevolle Kleidung hat die gelernte Gärtnerin nicht zuletzt durch die Herkunft ihrer Mutter aus dem fränkischen Uradel mitbekommen. So manche Ferien hat Editha mit bis zu 45 Vettern und Cousinen in der tausendjährigen Burg- und Schlossanlage der Familie der Freiherren von Thüngen nördlich von Würzburg verbracht. Edithas Großvater ging als Reichsrat der Krone Bayerns beim König ein und aus. Dass Edithas Mutter den Dorfpfarrer heiraten durfte, den sie liebte, war keineswegs selbstverständlich.

Pfarrerstochter strengster pietistischer Prägung

Mit den Jahren kritisierte die in München aufgewachsene Künstlerin, dass man in Adelskreisen nicht "ich", sondern "man" gesagt habe. "Ich habe mich mit den Menschen angefreundet, die 'ich' gesagt haben, die als Person zu erkennen waren." Die Frömmigkeit, die sie als "Pfarrerstochter strengster pietistischer Prägung" mitbekommen habe, ließ ihr noch weniger Raum zur persönlichen Entfaltung.

"Es wurde mehr von Verdammnis gesprochen als von Erlösung, mehr von der Furcht des Herrn als von Freiheit", erinnert sich Editha Humburg, geborene Knappe.

Da sie verinnerlicht hatte, dass Christsein bedeute, immer den schwersten Weg zu gehen, schloss die Zwanzigjährige die Ehe, die ihre Eltern für sie arrangiert hatten. Werner Humburg war ein ehrbarer Mann und ausgezeichneter Ingenieur, zudem ebenfalls Pfarrerskind. "Er hatte für mich etwas furchtbar Gebremstes, ich hatte das Gefühl, mir wird die Luft weggedrückt. Ich wollte nicht heiraten, schon gar nicht ihn, ich wollte keine Hausfrau und Mutter sein, sondern Künstlerin."

Gott ist Liebe

Sie entwickelte eine schwere Depression. "Alle hatten was an mir auszusetzen. Mein Psychotherapeut war der erste, der mich nicht angeschossen hat. An dem habe ich erlebt, wie Jesus ist", erinnert sich die Hundertjährige, die über siebzig Jahre lang in Stuttgart-Degerloch gewohnt hat. Aus der mentalen Sackgasse befreiten sie zwei Zitate, die sie irgendwo bei dem Kirchenvater Augustin gelesen habe:

"Gott ist Liebe und ist es in allem. Diese Wahrheit, ganz geglaubt, vermag unsere Herzen umzuwandeln" und "Danke Gott für alles, auch für das, was du dir nicht gewünscht hast".

Indem sie angefangen habe, für ihren Mann und die Kinder zu danken, seien Kräfte freigesetzt worden, um den Haushalt zu bewältigen und kreativ tätig zu sein. Bis heute ist ihr gedankliche Disziplin wichtig: "Welchen Sender habe ich da eingeschaltet?", fragt sie sich dann. "Negative Gedanken jage ich dorthin, wo sie herkommen - zum Teufel!"

Wie Balsam für ihre Seele sei es gewesen, als ihr Mann kurz vor seinem Tod 1987 seine aufrichtige Freude über ihren Tanz zum Ausdruck bringen, sie Differenzen zur Sprache bringen und gemeinsam beten konnten. "Da, wo Gott Regie führt, habe ich Raum zum Leben und er wird geehrt!" Diese Glaubenserfahrung möchte die Hundertjährige jungen Menschen weitergeben.

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