In der kalten Jahreszeit müssen die Mitarbeiter der Düsseldorfer Zentralbibliothek Montagmorgen erst einmal die Kinderbibliothek aufräumen. Denn Eltern und Kinder halten sich hier an Sonntagen gerne auf, wenn es draußen nass, kalt und dunkel ist. Sie lesen und spielen, im Café gibt es zudem Kaffee und Kuchen, erzählt der Leiter der Zentralbibliothek, Stephan Schwering.

Neues Konzept für Bibliothek ist erfolgreich

Möglich ist das, weil die Düsseldorfer Zentralbibliothek seit gut zwei Jahren auch sonntags geöffnet hat. Besucher können sie im sogenannten Selfservice nutzen, Bibliothekspersonal ist nicht vor Ort, nur ein Sicherheitsdienst ist präsent. Die Sonntagsöffnungszeiten sind Teil des neuen Konzepts, das mit dem Umzug und der Neueröffnung der Bibliothek 2021 entwickelt wurde. Der Deutsche Bibliotheksverband hat die Düsseldorfer Zentralbibliothek, die direkt am Hauptbahnhof in einem alten Postgebäude untergebracht ist, 2023 als "Bibliothek des Jahres" ausgezeichnet.

Die Preisverleihung findet am 24. Oktober statt, dem Tag der Bibliotheken. Mit 20.000 Euro ist der Preis dotiert. Das Geld wolle man in die Stärkung der Sonntagsöffnung investieren, sagt Schwering. Man habe sich von einer klassischen Ausleih-Bibliothek in eine Aufenthalts-Bibliothek verwandelt: Die Räume sind 74 Stunden in der Woche geöffnet.

Das Konzept ist erfolgreich: In diesem Jahr rechnet er mit bis zu 1,3 Millionen Besuchern. Oft kämen bis zu 4.000 Menschen am Tag, sagt Schwering.

"Der Ort Bibliothek erlebt eine Renaissance. Sie ist ein wichtiger, nicht-kommerzieller Raum der Stadtgesellschaft und Ort der Integration."

Bibliotheken sind die meistbesuchte Kultureinrichtung in Deutschland, so beschreibt es der Geschäftsführer des Deutschen Bibliotheksverbands, Holger Krimmer. 132 Millionen Besuche zählten die deutschen Bibliotheken im vergangenen Jahr. Sie entwickelten sich stärker zu Orten der Begegnung - und das losgelöst von der Mediennutzung. "Es ist fehlerhaft anzunehmen, Bibliotheken sind nur die Orte der gedruckten Bücher", sagt Krimmer.

Bibliotheken neben Schulen wichtigster Ort für Leseförderung

Das Gegenteil sei der Fall, sie hätten viele Funktionen hinzugewonnen: Neben Schulen seien Bibliotheken die wichtigsten Orte für Leseförderung, sie vermittelten Kompetenzen zum Umgang mit Informationen und hälfen, Fake News zu erkennen. Für ältere und sozial schwächer gestellte Menschen seien sie zudem das Portal in die digitale Welt.

In Düsseldorf können alle Besucher sich beispielsweise in das öffentlich zugängliche WLan einloggen. Wer einen Bibliotheksausweis besitzt, kann sich ein Podcast-Studio mieten oder mit dem 3D-Drucker experimentieren. "Bibliotheken fördern persönliche Träume", sagt der Bibliotheksleiter.

Doch auch das gedruckte Buch bleibt weiter nachgefragt. Da aber weltweit die Zahl der Ausleihen in Bibliotheken sinke, rechne er mit dieser Entwicklung auch für seine Bibliothek, sagt Schwering. Ein Rückgang sei bislang schon bei der Sachliteratur festzustellen. In der Kinderbibliothek hingegen sei die Zahl der Ausleihen gestiegen, und in der Belletristik blieben die Zahlen bislang stabil.

Ein Sonderfall unter den Bibliotheken ist die Deutsche Nationalbibliothek mit ihren Standorten in Frankfurt am Main und Leipzig. Sie ist das Archiv aller deutschen und deutschsprachigen Publikationen sowie der Publikationen über Deutschland im Ausland, wie Direktor Frank Scholze erläutert. Etwa 45 Millionen Medieneinheiten zählt die Sammlung. Täglich kämen bis zu 10.000 Einheiten hinzu, gut 80 Prozent digital und 20 Prozent noch analog. Diskussionen über das gedruckte Buch gebe es immer wieder, sagt er. "Solange die Gesellschaft es für sinnvoll hält, in analoger Form zu kommunizieren, werden wir das auch abbilden", betont er.

Raum für digitale Innovation

Raum für digitale Innovation gibt es aber auch bei der Nationalbibliothek. Die Bibliothek arbeite mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammen, um sprachbasierte Künstliche Intelligenz transparenter zu machen - und nachprüfbarer, was die Herkunft des Wissensspeichers betrifft. Bibliotheken seien für die Menschen vertrauenswürdige Orte, wo man kuratierte, vertrauenswürdige Informationen finde, sagt Scholze.

Bibliotheksverband-Geschäftsführer Krimmer gibt aber auch zu bedenken, dass die finanzielle Lage vieler öffentlicher Bibliotheken schwierig sei. Denn die Haushaltsdefizite der meisten Kommunen wachsen. Zwar wüssten viele Bürgermeister, was sie an ihrer Bibliothek schätzten, doch sei die Finanzierung eine freiwillige Leistung. In manchen Gemeinden bleibe die Bibliothek manchmal als einziger öffentlicher Raum des Austauschs und der Begegnung übrig.

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