Hört man den Namen "Stockhausen", denken die meisten zuerst an den gleichnamigen Komponisten. Kunsthistorikern fällt aber eher Hans Gottfried von Stockhausen ein. Der 2010 verstorbene Glasmaler hat im Laufe seiner langen Schaffenszeit über 500 Kirchenfenster an etwa 100 Orten im In- und Ausland gestaltet. "Der Name spricht für Qualität, zumal Stockhausen ja von 1968 bis 1985 die Glasklasse an der Stuttgarter Kunstakademie leitete und stilbildend wirkte", ordnet Daniel Szemerédy, Kunstbeauftragter des Kirchenkreises Nürnberg, die Arbeiten ein, die in der evangelischen Stadtkirche in mehreren Etappen zwischen 1958 bis 1969 stattfanden.

"Es sind lichtdurchflutete Wandteppiche, Fenster mit Geschichte", gerät Hans-Otto Schmitz ins Schwärmen, wenn er die roten, blauen, grünen und braunen Tupfer sieht, die den Chorraum erhellen, wenn die Sonne durch das Glas scheint. Dargestellt werden die wichtigsten Episoden biblischer Geschichte auf eine Weise, wie sie auch heute noch aktuell erscheint. Die plastischen Figuren wie Erzengel Michael oder Christus als Weltenrichter, die Darstellung vom Volk Israel, das durchs Rote Meer zieht, oder die Taufe Jesu im Jordan – wohin man blickt, fühlt man sich nicht wie in einem Museum, sondern direkt von der Farbensprache und der Mimik und Gestik der Personen angezogen.

Leuchtende Fenster in St. Michael

Schmerzlich realistisch

Dieser bis zur Schmerzgrenze gehende Realismus ist vielleicht den Erfahrungen geschuldet, die Stockhausen im Zweiten Weltkrieg machte. Mit 21 Jahren wurde er im Schützengraben vor Stalingrad überrollt, verschüttet und doch gerettet. In der Gefangenschaft begann er zu zeichnen. Ein Unbekannter steckte im Lager ein Päckchen mit einer Bibel durch den Zaun – der Stoff für Arbeiten, die den jungen Mann nicht verzagen ließen und die später der Aufnahmeprüfung an der Kunstakademie Stuttgart dienten.

Hier erlernte Stockhausen die Glasmalerei. Und die war nach dem Krieg sehr gefragt, nachdem die Bomben der Alliierten auch allerorts die Kirchenfenster bersten ließen. Doch die Schäden waren teils – wie in Fürth – hausgemacht: Die Reichswehr hatte im April 1945 auf dem Rückzug sämtliche Brücken gesprengt, die Detonation der Ludwigsbrücke der damals noch am Fuße des Kirchbergs vorbeifließenden Pegnitz erwischte auch die Fenster von St. Michael.

Liebevoll detailliert

Was Stockhausen in den kommenden Jahren hier schuf, dokumentiert Schmitz nun in liebevollen Detailbeschreibungen der einzelnen Fenster. "Immer wieder habe ich mich davor gesetzt und die Stimmung auf mich wirken lassen", sagt Schmitz. Die Fotos hat der 69-Jährige auch noch selbst gemacht. 500 Exemplare wurden gedruckt, finanziert von der Gesamtkirchengemeinde und dem Dekanat Fürth, dem Altstadtverein und einem privaten Spender. Die Fenster sind ein Schatz der Kirche St. Michael. "Ein solches Buch finanziert sich nicht über den Verkauf. Es sollte aber ein wertiges Buch werden, das der Wertigkeit der Fenster entspricht", sagt der Fürther Dekan Jörg Sichelstiel.

Und Schmitz hat durch die Arbeit Blut geleckt: Als Nächstes will er sich das Tympanon von St. Michael genauer anschauen. St. Michael lässt ihn noch nicht los.