Evangelisch, katholisch, muslimisch - dazu aus unterschiedlichen Generationen und manchmal mit den verschiedenen Sprachen kämpfend: Dass der pensionierte Polizeibeamte Burkhard Siemoneit aus dem Ulmer Ortsteil Wiblingen, der Elektroniker Stephan Schumann aus Neu-Ulm und der in Ägypten aufgewachsene und in Ulm lebende IT-Spezialist Saher Elsheikh Freunde würden, war ihnen nicht in die Wiege gelegt. Ein gemeinsames Hobby und ein außergewöhnliches Projekt machten es möglich: Das Trio kreiert aus Legosteinen einen nahezu perfekten Nachbau der neuen Hauptorgel der Basilika St. Martin in Wiblingen bei Ulm. Nach gut zwei Jahren Bauzeit sind die drei Männer fast fertig mit ihrem Projekt - und es sieht täuschend echt aus.

Im Keller von Burkhard Siemoneit geht es inzwischen sehr eng zu. Das Orgel-Modell ist 1,80 Meter breit, 1,20 Meter hoch und 90 Zentimeter tief und nimmt die Fläche des Bautisches fast vollständig ein. Geht man im Keller ein paar Meter, wird die Bewegung zu einem Hindernislauf zwischen Legokisten und Sortierboxen. Die Umsetzung der Idee Siemoneits aber hat sich gelohnt: Etwa ab Pfingsten soll das Modell dauerhaft in der Wiblinger Basilika stehen und Zuschauern die Schönheit der von Claudius Winterhalter gebauten und zu Pfingsten 2021 eingeweihten Hauptorgel aus der Nähe zeigen. Eigentlich sollten Modell und Hauptorgel etwa zeitgleich fertig werden, doch Lockdowns und Kontaktbeschränkungen in der Pandemie verhinderten das.

Die Drei teilten sich die Aufgaben in der Bauphase 

Der Mann fürs Filigrane am Lego-Orgelbau ist Saher Elsheikh, der als Lego-Logistiker des Teams auch die insgesamt verbauten etwa 200.000 Einzelteile aus mehreren Ländern - darunter Ungarn und die USA - orderte. Der Ehrgeiz des IT-Spezialisten mit Master-Abschluss ließ ihn den Spieltisch der Hauptorgel derart detailliert nachbauen, dass Legomodell und Original auf seinen Handyfotos kaum zu unterscheiden sind. 14 Tage lang saß er an den Abenden und am Wochenende tüftelnd zuhause, bis jener Spieltisch genauso aussah, wie er ihn sich vorstellte.

Stephan Schumann fungiert als Architekt des Modells, das in sechs Module zerlegbar und dadurch transportabel ist. Die Verbindungen der Module allerdings entwickelten die drei Freunde selbst - die üblichen Lego Technik-Steckverbindungen hätten die Belastung des Modells nicht ausgehalten. Das Modell dürfte etwa 120 Kilogramm wiegen.

Die Planung des Lego-Projekts war aufwendig 

Vermutlich haben sie mindestens ebenso viel Zeit für Überlegungen verbraucht, mit welchen Steinen ihre Ideen umsetzbar sind, wie für den Bau selbst, sagt Siemoneit. Denn Steine für Orgelpfeifen gibt es bei Lego natürlich nicht, die Pfeifen entstanden aus Teilen, die sonst für den Auspuff von Fahrzeugen vorgesehen sind. Die Elemente für das goldfarbene Säulen-Dekor an den Kirchenfenstern stammen aus den USA, wo es einen größeren Markt gerade für goldfarbene Steine gibt - und solche benötigten die Freunde auch für die Emporenbrüstung.

Siemoneit und Schumann haben in der Vergangenheit bereits ein detailliertes Modell des Wiblinger Klosters samt Basilika erbaut, Siemoneit allein schuf zuvor eines der evangelischen Kirche von Wiblingen. Interesse am Orgel-Modell bekundete auch schon der Generalvikar der Diözese Rottenburg.

Das Modell ist schon berühmt 

Vor der Präsentation in Wiblingen wird die Lego-Orgel etwa zwei Wochen lang im Schaufenster des Ulmer Spielwarengeschäfts Gänßlen zu sehen sein - dort, wo die "Klötzlebauer" der Region Passanten oft mit Modellen erfreuen, zum Beispiel vom Ulmer "Nabada" oder von anderen Szenerien. Aber bereits vor der öffentlichen Präsentation hat ihr Modell Wellen geschlagen, berichtet Siemoneit: Eine Anfrage der RTL-Show "Lego Masters" hat das Trio bekommen, aber abgelehnt. "Wir bauen nicht Fantasy, sondern wir bauen kulturelle Gebäude nach", erklärt Stephan Schumann. In die Vorgaben der Show hätten sie nicht gepasst, ist er sicher. Einer Einladung nach Paderborn will das Trio aber gern folgen. Dort haben sieben Jugendliche ein Lego-Modell des Doms der Stadt gebaut, und die Gruppe suchte den Kontakt zu den Tüftlern in Ulm.

Eine Idee haben sie noch, ehe das Modell an die Öffentlichkeit kommt: Saher Elsheikh möchte es so programmieren, dass Orgelmusik erklingen kann.