"Wir sagen Stopp zum Krisengerede in der Musik", sagte der Leiter des Nürnberger Musikfestivals ION, Moritz Puschke, bei der Vorstellung des Festivalprogramms für 2023.
Er sieht sich und sein Team und alle Mitstreiter in der Stadt "auf einem guten Weg zu einem zeitgemäßen, den Menschen zugewandten" Programm. Kein altehrwürdiges Festival für Spezialisten will man mehr sein, sondern "raus aus der Blase".
Der Musik und dem Festival sei nicht geholfen, "wenn wir unter uns bleiben". So werde man verschwinden. Gelingen könne die Trendumkehr unter anderem mit "kraftvollen Kooperationen und zeitgemäßer Kommunikation", sagte Puschke. Letztes Jahr seien bereits 25 Prozent mehr Zuhörerinnen und Zuhörer zu den Konzerten gekommen als vor Corona, sagte Puschke.
ION: Projekt "Sing Bach" vorstellen
Gleich das erste Konzert des Festivals am 23. Juni wird eine Kooperation - nämlich mit Schulen, die 200 Kindern ermöglichen, ein Programm zu erarbeiten, das von Musikpädagogin und Chorleiterin Friedhilde Trüün rund um das Leben von Johann Sebastian Bach aufgebaut ist. Schon jetzt habe man mehr als doppelt so viele Anmeldungen aus den vierten und fünften Klassen.
So wird gleich am ersten Abend in der Lorenzkirche ein Publikum erwartet, das so normalerweise nicht in die große evangelische Kirche kommt: Eltern, Lehrerinnen und Lehrer sowie Freunde der Schülerinnen und Schüler, die ihnen ihr Projekt "Sing Bach" vorstellen wollen.
Musikfest mit mehr digitaler Präsenz
Das Musikfestival erweitert zudem seine digitale Präsenz. Unter dem Motto "Musik? Klick!" steht auf der Homepage des ION ein Vertiefungsangebot, wie Mitorganisator Oliver Geisler erläuterte. Es werde etwa zu Begriffen wie "a-Capella" oder zur kroatischen Klapa-Musik Erklärstücke im Netz geben. Wissenswertes aus der Musik erläutert Dramaturg Geisler in seinem Podcast "Haltestelle Musik".
Virtuelle Realität bietet die digitale Rekonstruktion der Weimarer-Schlosskapelle, in der man zwei Wochen lang auf dem Hauptmarkt die Komponistenwelt von Johann Sebastian Bach nacherleben kann.
Eine weitere Kooperation gibt es mit dem Deutschen Musikrat, dessen Forum Dirigieren während des Musikfestivals ION ein Exzellenzprogramm für angehende Dirigentinnen und Dirigenten anbietet. Jeden Tag der Festivalwoche können sie mit dem "Chorwerk Ruhr" in der Kirche St. Martha proben und am 25. Juni ihr Können beweisen.
Motto der ION: "HALT"
Das Motto des Festivals vom 23. Juni bis 2. Juli lautet "HALT". Auf dem Programm stehen große Werke der Musikgeschichte wie Elias von Felix Mendelssohn-Bartholdy oder das Chorwerk von Arnold Schönberg, "Friede auf Erden".
Dazu kommen künstlerische Auseinandersetzungen mit Klassikern der Pop- und Rockgeschichte, teilten die Verantwortlichen mit. Der Windsbacher Knabenchor tritt gemeinsam mit dem Berliner Ensemble "Tallis Scholars" auf. Die NDR-Bigband ist am Abschlussabend zu hören.
Moritz Puschke verwies bei der Vorstellung der Ideen auch auf die Anfänge der "Internationalen Orgelwoche Nürnberg" (ION) im Jahr 1951. In einer weitgehend zerstörten Stadt hatten die Initiatoren eine Vision und wollten "ein Zeichen der Versöhnung schaffen", sagte Puschke, der seit fünf Jahren ION leitet. Diese Vision sei für die heutigen Festival-Macher ein Auftrag:
"Wir haben die Tradition, aber wir wagen etwas, und sind auch ein bisschen verrückt."
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