Herr Komarnicki, eine zentrale Szene in Ihrem Film spielt im schwarzen Harlem in der Abyssinian Baptist Church. Während eines festlichen Mittagessens nach dem Gottesdienst mit zwei Dutzend Kirchenmitgliedern fragt Reverend Adam Clayton Powell (Clarke Peters) Dietrich Bonhoeffer: "Wo waren Sie, als Sie dem Herrn begegnet sind?" Bonhoeffer, der traditionelle Kirchenchrist aus Deutschland, versteht die Frage zunächst nicht. Darf man Sie fragen: Wo waren Sie, als Sie dem Herrn begegnet sind?

Todd Komarnicki:  (lacht) Oh, wow, das habe ich jetzt nicht kommen sehen als erste Frage!

Es gibt da diese kleine Geschichte, die ich sehr liebe, von dem älteren, sagen wir dreijährigen Bruder, der ans Bettchen seines neugeborenen Geschwisterchens tritt und flüstert: Erzähl mir vom Himmel, ich fange an zu vergessen ...

Also: Ich habe keine Erinnerungen oder Videoaufzeichnungen, aber ich würde sagen, dass ich so dem Herrn begegnet bin. Was meine spirituelle Reise angeht, bin ich ihm in der absoluten Dunkelheit begegnet. Es war während meines Studiums, als ich den hauchdünnen Glauben meiner Jugend abgeschüttelt hatte und ein ziemlich evangelikaler Vertreter meines neu entdeckten Atheismus geworden war. Und was passiert, wenn man sich der Sinnlosigkeit gewiss ist und viel Zeit im Dunkeln verbringt? Alles wird nur noch dunkler. Und so kam ich nach ein paar Jahren, in denen ich die Dunkelheit so eifrig verfolgt hatte, an einen Punkt, an dem ich wusste, dass es kein Licht gab und ich es nicht mehr ertragen konnte, in der Dunkelheit zu sein. Also habe ich mich viele Male von dieser Erde entfernt. Und Tatsache ist, dass Jesus Nein gesagt hat. Dort habe ich ihn getroffen: Ich stand auf einem Hausdach – und er hielt mich zurück.

Die letzten 30 Jahre meines Lebens waren dann ein freudiger, sich immer weiter vertiefender Weg mit Jesus. Seine Barmherzigkeit ist so gigantisch, dass er ein großmäuliges Kind aufnimmt, das seine Schöpfung, sein Leben wegwerfen will. Er hat gesagt: "Weißt du was? Ich werde dieses Kind retten. Und dann werde ich mich so sehr in den Mittelpunkt seiner Lebenserfahrung stellen, dass er nur noch über mich reden will." Und genau das hat Gott getan.

"Wirklich begegnet bin ich Bonhoeffer und seinen Schriften, als ich mit der Arbeit an dem Filmprojekt begann"

Und wann sind Sie Dietrich Bonhoeffer zum ersten Mal begegnet?

Als ich mit Anfang 20 zum christlichen Glauben kam, gab mir jemand Bonhoeffers Buch "Nachfolge". Ich habe es damals nicht sofort ganz durchgelesen, weil es so gehaltvoll war, und weil ich noch nicht so weit war. Ich hatte das Taschenbuch lange auf meinem Nachttisch, ich habe noch das Cover vor meinem Auge, die Schrift des Titels "The Cost of Discipleship. Dietrich Bonhoeffer". Der Name wirkte so ernst, klang schon nach Weisheit. Aber wirklich begegnet bin ich ihm und seinen Schriften, als ich mit der Arbeit an dem Filmprojekt begann.

Warum ist Bonhoeffer gerade heute für Sie aktuell?

Was mich am meisten fasziniert hat, war, dass ich zum ersten Mal wirklich begriff, was zu Beginn von Hitlers Machtübernahme in Deutschland geschah. Wissen Sie, bei uns in Amerika interessiert man sich wenig für die Vorgeschichte zum Zweiten Weltkrieg. Was hier gelehrt wird, ist die Zeit, als Amerika sich einmischte. Wir flogen ein, retteten alle und zogen wieder ab: Das ist die Standarderzählung hier. Ich wusste, dass Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg in der Krise war und dass das den Aufstieg Hitlers begünstigte. Aber was ich nicht wusste, und deshalb ist das in dem Film so wichtig, ist die schockierend schnelle, fast uneingeschränkte Duldung der deutschen Kirche, die es Hitler erlaubte, sich selbst an die Spitze der Kirche zu setzen, seine eigenen Bischöfe einzusetzen, eine arische Bibel zu schaffen und im Grunde den Glauben zu kapern. Wir müssen uns dessen gerade heute wirklich bewusst sein, angesichts der Zunahme des rechtsextremen religiösen Nationalismus in Amerika. Ich will das nicht christlichen Nationalismus nennen, weil es nichts mit Christus zu tun hat. Wenn Sie hier vor Ort hören, wie die Leute darüber reden, raten Sie mal, welches Wort dabei nie fällt? Jesus. Sie benutzen die Bibel als Waffe und versuchen, das alles in die Schulen zu stopfen. Sie wollen nicht Jesus sagen, denn wenn sie Jesus sagten, dann würde offenbar, dass das, was sie tun, nicht von Jesus ist. Also sagen sie Gott. Gott sagen sie sehr oft, aber sie sagen nicht Jesus.

Wo im breiten Spektrum der christlichen Ismen würden Sie sich selbst einordnen? Evangelikal? Lutherisch? Katholisch? Überkonfessionell?

Ich mochte immer die Bezeichnung Christ. Ich wollte nie etwas davor haben. Ein Christ zu sein, bedeutet, ein Nachfolger Jesu Christi zu sein. Und das ist genug. Ich habe im Laufe der Jahre mit vielen meiner Freunde in Amerika gesprochen, die sich selbst als evangelische Christen bezeichnen würden. Und ich habe ihnen gesagt: Leute, ihr isoliert euch und das wird euch in Schwierigkeiten bringen! Um ein Nachfolger Jesu zu sein, sagt Jesus, muss man in alle Welt und zu allen Völkern gehen, um ihnen die frohe Botschaft zu sagen. Sobald man mit den Etikettierungen anfängt, untergräbt man den Kern von Jesu Gebet in Johannes 17, wenn er sagt: "Heiliger Vater, erhalte sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, dass sie eins seien wie wir." Stattdessen sind wir zerrissener denn je. Also will ich mich einfach in die Nachfolge Christi begeben. Und was ich daran liebe, ist, dass es mir erlaubt, tiefe Bedeutung und Schönheit in einem lutherischen Gottesdienst zu finden, tiefe Anbetung und Bedeutung in einem episkopalen Gottesdienst, in einem katholischen Gottesdienst – oder einfach im Gras vor einer Kirche in Texas, wie letztes Jahr in Texas, als im Ostergottesdienst kein Platz mehr war, weil sich die Leute dort schon gestapelt haben. Und so saßen wir vor der Kirche und erlebten alle die Osterpredigt: unser Vierjähriger, unser Siebenjähriger, meine Frau und ich. Und wir haben die Gegenwart Gottes und des Heiligen Geists so wunderbar erlebt, es wird einer meiner liebsten Ostergottesdienste überhaupt bleiben.

Ihr Film ist dafür kritisiert worden, sich zu große Freiheiten zu nehmen, was die Chronologie der Ereignisse und bestimmte historische Fakten angeht. Was waren Ihre Quellen?

Inhaltlich stütze ich mich sehr stark auf die umfangreiche Biografie von Bonhoeffers bestem Freund Eberhard Bethge. Sie ist 935 Seiten lang und beschreibt sehr detailliert, wie Dietrich nach Schweden reiste, sich mit Bischof Bell traf, wie er spionierte und von dem Attentatsversuch auf Hitler durch Rudolf-Christoph von Gersdorff im Rahmen der Berliner Beutewaffenausstellung im März 1943 wusste. Und natürlich auf sämtliche Schriften Bonhoeffers, insbesondere alle seine Briefe aus dem Gefängnis. Ein fantastisches Buch aus jüngerer Zeit, das wirklich die Augen öffnet, ist "Bonhoeffer’s Black Jesus. Harlem Renaissance Theology and an Ethic of Resistance" von Reggie Williams. Das Buch von Eric Metaxas habe ich dagegen nicht gelesen. Mit Metaxas hat mein Film überhaupt nichts zu tun.

"Wenn Sie sich die Ungenauigkeiten meines Films ansehen, auf die Experten so gerne hinweisen, werden Sie sehen, dass es zu 99 Prozent in Dietrichs Werk oder in Bethges Buch dafür faktische Grundlagen gibt"

Und was war das leitende Prinzip für Ihre dramaturgischen Entscheidungen?

Wenn man eine Geschichte basierend auf einer wahren Geschichte filmisch erzählt, ist der zeitliche Ablauf das, was sich in der Regel am meisten ändert. Das habe ich auch bei meinem Film "Sully" so gemacht. Ich bin kein Dokumentarfilmer. Und "Bonhoeffer" ist kein Dokumentarfilm. Es geht um die Kraft der Geschichte, um Kunst, um die Metapher. Die Aufgabe des Machers eines Spielfilms ist es, zu unterhalten und das Herz zu lehren. Und es geht immer darum, die Wahrheit zu ehren, auch wenn man von den wahren Fakten abweicht.

Wenn Sie sich die Ungenauigkeiten meines Films ansehen, auf die Experten so gerne hinweisen, werden Sie sehen, dass es zu 99 Prozent in Dietrichs Werk oder in Bethges Buch dafür faktische Grundlagen gibt. Bethges Biografie ist die erste Empfehlung der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft. Und ich höre immer wieder, dass Dietrich dies nicht getan hat und jenes nicht getan hat. Also sage ich, können wir bitte auf Seite 604 nachsehen? Können wir auf Seite 706 nachsehen? Weil es genau hier steht, schwarz auf weiß.

Mit Pistole – ohne Pistole: links das umstrittene US-Plakat zum "Bonhoeffer"-Film, rechts das deutsche Filmplakat.
Mit Pistole – ohne Pistole: links das umstrittene US-Plakat zum "Bonhoeffer"-Film, rechts das deutsche Filmplakat.
Die Film-Familie Bonhoeffer im Ersten Weltkrieg.
Die Film-Familie Bonhoeffer im Ersten Weltkrieg: Mutter Paula (Nadine Heidenreich) und ihre Kinder. Der älteste Sohn Walter (Patrick Mölleken, oben links), sieben Jahre älter als Dietrich (Phileas Heyblom, unten links), fiel im April 1918 an der Westfront. Einige Jahre später bekam Bonhoeffer zu seiner Konfirmation Walters Bibel geschenkt. Diese hielt er stets in Ehren, arbeitete aber auch aktiv darin.
Am Grab seines ältesten Sohns: Moritz Bleibtreu spielt Bonhoeffers Vater Karl.
Am Grab seines ältesten Sohns: Moritz Bleibtreu spielt Bonhoeffers Vater Karl.
Dietrich Bonhoeffer (Jonas Dassler) 1930 in der Abyssinian Baptist Church in Harlem: Durch seinen Kommilitonen Frank Fisher (David Jonsson) und Reverend Adam Clayton Powell (Clarke Peters) lernte der deutsche Theologe eine völlig neue Welt der Frömmigkeit und der Musik kennen.
Dietrich Bonhoeffer (Jonas Dassler) 1930 in der Abyssinian Baptist Church in Harlem: Durch seinen Kommilitonen Frank Fisher (David Jonsson) und Reverend Adam Clayton Powell (Clarke Peters) lernte der deutsche Theologe eine völlig neue Welt der Frömmigkeit und der Musik kennen.
Dietrich Bonhoeffer (Jonas Dassler) taucht in Harlem in die Spiritualität und Musik des schwarzen Amerika ein.
Dietrich Bonhoeffer (Jonas Dassler) taucht in Harlem in die Spiritualität und Musik des schwarzen Amerika ein.
August Diehl als Martin Niemöller: Sein berühmtes "Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist..." formulierte der Pfarrer Jahrzehnte nach dem Krieg. Der Film, in dem Niemöller als Bischof erscheint, verlegt es als Predigt auf die Kanzel, die zur Verhaftung Niemöllers führt.
August Diehl als Martin Niemöller: Sein berühmtes "Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist..." formulierte der Pfarrer Jahrzehnte nach dem Krieg. Der Film, in dem Niemöller als Bischof erscheint, verlegt es als Predigt auf die Kanzel, die zur Verhaftung Niemöllers führt.
Dietrich Bonhoeffer (Jonas Dassler) mit seiner Zwillingsschwester Sabine (Lisa Hofer).
Dietrich Bonhoeffer (Jonas Dassler) mit seiner Zwillingsschwester Sabine (Lisa Hofer).
Todd Kormanicki erzählt seine Geschichte in Rückblenden: Während Bonhoeffer auf seiner letzten Fahrt dem Tod entgegengeht, notiert er Erinnerungen in sein Tagebuch: an seinen Bruder Walter, der im ersten Weltkrieg fiel, an seine Zwillingsschwester Sabine, mit der er die Trauer über diesen Verlust teilte, an Harlem, an den Kirchenkampf.
Todd Kormanicki erzählt seine Geschichte in Rückblenden: Während Bonhoeffer auf seiner letzten Fahrt dem Tod entgegengeht, notiert er Erinnerungen in sein Tagebuch: an seinen Bruder Walter, der im ersten Weltkrieg fiel, an seine Zwillingsschwester Sabine, mit der er die Trauer über diesen Verlust teilte, an Harlem, an den Kirchenkampf.
Dietrich Bonhoeffer (Jonas Dassler) und der Münchner KZ-Arzt Sigmund Rascher (James Flynn).)
Auch "Bonhoeffer" nimmt Bonhoeffer in den Dienst seiner Sache: Und die ist, die "Christusförmigkeit" von Dietrich Bonhoeffers Leben auszustellen. Die Rolle des teuflischen Versuchers spielt darin der Münchner NS-Medizinverbrecher Sigmund Rascher (1909-1945; im Film verkörpert von James Flynn), der im KZ Dachau mit grausamen Versuchen viele Menschen zu Tode quälte. Auf dem Weg nach Flossenbürg sind sich Bonhoeffer und Rascher tatsächlich begegnet, eine Zelle teilten sie nicht.
Widerstand: Bonhoeffer (Jonas Dassler) vor dem Nazi-Schergen, der am Ende das Abendmahl mitfeiern wird.
Widerstand: Bonhoeffer (Jonas Dassler) vor dem Nazi-Schergen, der am Ende das Abendmahl mitfeiern wird.
Bonhoeffer (Jonas Dassler) in seiner Zelle. Bei einem Bombenangriff brechen - wie es in der Apostelgeschichte im Neuen Testament von Paulus und Silas erzählt wird - die Gefängnistüren auf.
Bonhoeffer (Jonas Dassler) in seiner Zelle. Bei einem Bombenangriff brechen - wie es in der Apostelgeschichte im Neuen Testament von Paulus und Silas erzählt wird - die Gefängnistüren auf.
Todgeweihte Häftlinge auf ihrer letzten Reise: Jonas Dassler als Dietrich Bonhoeffer.
Todgeweihte Häftlinge auf ihrer letzten Reise: Jonas Dassler als Dietrich Bonhoeffer.

Ihre Darstellung betont die Christusförmigkeit von Dietrich Bonhoeffers Weg zu seinem Kreuz. Haben Sie deswegen Bonhoeffers Verlobte Maria von Wedemeyer komplett aus der Geschichte gestrichen?

Nein, ganz und gar nicht. Die Antwort ist sehr einfach: Ich wollte keinen Gefängnisfilm machen. So ziemlich die gesamte Beziehung Bonhoeffers zu Maria von Wedemeyer bestand aus Briefen, die er aus dem Gefängnis schrieb. Ich wollte eine filmische Erfahrung schaffen. Und die Beziehung mit Maria ereignete sich erst sehr spät in Bonhoeffers Leben. Ich hatte das Gefühl, dass das die Chemie der Erzählung zum Kippen gebracht hätte.

"Die Daten der Marketingleute zeigten, dass der Name Bonhoeffer in Amerika nicht sehr bekannt war"

Ihr Film geht in Deutschland mit dem gewissermaßen tödlichen Etikett an den Start, "umstritten" zu sein. Dazu hat das US-Filmplakat, auf dem Bonhoeffer mit Pistole in der Hand zu sehen ist, erheblich beigetragen ...

Ich war strikt gegen das Marketing, ich fand es schrecklich! Aber ich hatte darauf keinen Einfluss. Ich hatte als Kreativer, als Filmemacher die totale Kontrolle über den Film. Aber nicht über seine Vermarktung. Ich finde, das Ganze ist eine sehr lehrreiche Geschichte, bei der sich am Ende viele in den Hintern gebissen haben. Angel Studios arbeitet total datengesteuert. Und die Daten der Marketingleute zeigten, dass der Name Bonhoeffer in Amerika nicht sehr bekannt war. Der Name Bonhoeffer "klickte" nicht. Aber wenn man Bonhoeffer auf ein Plakat setzte, auf dem er eine Pistole in der Hand hielt und das Wort Attentäter dazusetzte, klickten die Leute darauf. Heute herrscht leider die Überzeugung: Wir müssen auf die Daten hören, weil die Daten immer recht haben. Ich habe das Studio gewarnt: Tut das nicht! Und es war dann auch eine Katastrophe.

Vermutlich noch mehr geschadet hat dem Ruf Ihres Films, dass man ihm die Vereinnahmung Bonhoeffers und eine politisch rechte Agenda nachsagte ...

Ja, aber jeder, der den Film sieht, begreift, dass das Unsinn ist. Ich freue mich, dass ich hier Gelegenheit habe, das zurechtzurücken. Was den Brief der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft angeht: Ich sage nicht, dass sie den Brief nicht hätten schreiben sollen, aber alles, was sie hätten tun müssen, wäre gewesen, mich anzurufen. Ich bin der Autor, Regisseur und Produzent. In dem Brief werde ich nicht einmal erwähnt. Dagegen wird Eric Metaxas genannt, der mit diesem Film überhaupt nichts zu tun hat.

Wenn ich ein Neuling als Filmemacher wäre, würde ich sagen: Okay, ich kann verstehen, warum sie mich ignorieren. Aber ich mache das jetzt fast 40 Jahre. Meine "öffentliche Akte" ist sehr offen. Und es gibt keine Karte, die groß genug ist, um zu zeigen, wie weit ich von der extremen Rechten entfernt bin. Alles, was sie hätten tun müssen, wäre gewesen, mich anzurufen. Einer der Verfasser des Briefs hat sich in der Zwischenzeit bei mir entschuldigt.

"Ein antifaschistischer Film, der von der Liebe Jesu handelt und von ihrer Kraft, in uns ein Herz für andere zu schaffen, das zu außergewöhnlichem Mut führt"

Warum also sollte man sich Ihrer Meinung nach den Film ansehen?

Ich will nicht, dass jeder den Film liebt, aber ich will, dass die Leute ihn als das anerkennen, was er ist: nämlich ein antifaschistischer Film, der von der Liebe Jesu handelt und von ihrer Kraft, in uns ein Herz für andere zu schaffen, das zu außergewöhnlichem Mut führt. Und Mut ist, was wir jetzt brauchen. Mit der Ukraine, die der derzeitige Präsident im Weißen Haus gerade im Stich lässt, und so vielem mehr. Wir brauchen Bonhoeffer für diesen Mut, und wir brauchen ihn überall. Wir brauchen junge Menschen, die sehen, dass es möglich ist, sich nicht im Internet zu verstecken und anonym zu posten, sondern tatsächlich aufzustehen und zu sagen, woran man glaubt. Schaut euch einfach den Film an!

Einige konservative Christen sehen in "Wokeismus", "Genderismus" und dergleichen zeitgenössische Inkarnationen des Antichristen, liberale Christen sehen eher die Liebe Christi am Werk, wenn Randgruppen mehr Aufmerksamkeit und mehr Respekt bekommen. In dem Film sagt Bonhoeffer einmal, der Feind ist im Inneren. Wer ist also heute der Feind im Inneren?

Nun, ich denke, das ist keine Frage, wenn man sich ansieht, was Jesus sagt: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und von ganzer Seele, und du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Jesus nimmt zehn Gebote und macht daraus zwei. Klassisches menschliches Verhalten ist, dass ich nicht will, dass jeder mein Nächster ist. Ich möchte nur ein paar Menschen lieben müssen. Lassen Sie mich herausfinden, wer mein Nächster ist, und dann werde ich das tun. Ich will das Minimum tun – aber stattdessen macht Jesus das Maximum daraus. Er sagt nicht nur, dass der Samariter der gute Mensch ist, weil er den Verletzten am Straßenrand rettet, seine Wunden verbindet und für sie bezahlt. Er bezahlt. Das ist unsere Aufgabe. Aber sehen Sie sich die Radikalität dieser Erzählung an! Jesus hat die religiöse Gewissheit, Menschen auszugrenzen, so sehr auf den Kopf gestellt, dass er sagte: Hier ist die Person, die ihr nicht anseht, wenn ihr die Straße überquert. Doch er wird dir das Leben retten. Er verbindet deine Wunden und bezahlt für dich. Die Ausgegrenzten, die Vergessenen, die Unterdrückten stehen bei Jesus im Mittelpunkt. Und was Jesus sagt, sagt er zu den Religiösen, den Leuten, die sich aller Dinge sicher sind: Was ihr für die Armen, die Zerbrochenen und die Gefangenen nicht getan habt, das habt ihr auch nicht für mich getan. Jesus ist überall. Jesus ist in all den Menschen, die unsere Rettung brauchen. Und wir müssen auch die Demut haben zu sagen: Manchmal bin ich derjenige am Straßenrand, der Rettung braucht, und ich werde nicht entscheiden, wer mich rettet. Ich werde offenherzig sein und Hilfe annehmen, wo immer sie auch herkommt.

Das Verrückte ist, dass Sie den Begriff "konservativer Christ" verwenden, aber wo in der Bibel steht "bewahren", "konservieren"? Wo? Oh, nirgendwo! Da steht, dass man nicht in Scheunen lagern soll. Macht euch keine Gedanken darüber, was ihr anziehen werdet, was ihr essen werdet. Folgt mir. Der Menschensohn hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann. Er ist obdachlos, als gäbe es keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen könnte. Und "liberal"? Freiheit bedeutet, ein großes, ein großzügiges Leben zu führen. Wenn man Jesus nicht gehorcht, dann urteilt nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Jeder urteilt die ganze Zeit, dass diese Gruppen falsch sind, dass jene Gruppen falsch liegen. Ich bin daran nicht interessiert. Jesus sagt, dass Sie dem Bruder mit dem Splitter im Auge helfen können, sobald Sie den Balken aus Ihrem eigenen Auge entfernt haben. Und mit dem Maß, das Sie verwenden, werden auch Sie gemessen werden. Ich möchte deswegen lieber nicht richten, sondern lieber alles auf die Heilige Schrift zurückführen, alles zurück auf Jesus. Und sehen Sie, die Wahrheit kommt am Ende immer ans Licht, und das Licht siegt. Ich bin ein Kind der Auferstehung, und so will ich auch leben. Ich will furchtlos leben, denn vollkommene Liebe vertreibt die Angst, und ich bin vollkommen geliebt. Also will ich überall eine Liebesbombe sein, denn ich weiß, dass die Liebe die einzige unbesiegte Waffe in der Geschichte der Welt ist.

"Nein zu den Lügen und Nein zu den Dingen, die im Namen Gottes getan werden"

Ist es das, was Dietrich Bonhoeffer Ihrer Meinung nach heute zu uns sagen würde? Was würde er sagen zum Christentum heute, zu einer Welt des Trumpismus?

Ich glaube, er würde aufstehen. Ich denke, er würde Nein sagen. Ich denke, er wäre wie ein Martin Luther King, der Arm in Arm mit anderen Demonstranten über Brücken geht. Ich denke, er würde an vorderster Front stehen und einfach Nein sagen. Nein zu den Lügen und Nein zu den Dingen, die im Namen Gottes getan werden. Ich denke, er würde dort draußen mit aller Kraft kämpfen.

Herr Komarnicki, vielen Dank für dieses Gespräch.

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Ingrid Müller am Mo, 17.03.2025 - 04:29 Link

Dieses Interview macht Lust den Film anzusehen.
Aber auch wie der Regisseur über den Glauben an Jesus spricht.
Besser als die Predigt heute im Gottesdienst.