Am zentralen Nürnberger Hauptmarkt verkaufen Marktleute Obst, Gemüse und Feinkost, einige Touristen spazieren Richtung Burg. Manch einer wirft einen Blick in die Schaufenster der Buchhandlung, einige gehen auch hinein. Doch nur wenige wissen, dass der Buchladen Korn & Berg eine historische Besonderheit ist: "Wir sind Deutschlands älteste Buchhandlung", sagt Inhaber Thomas Kistner, und man merkt ihm den Stolz an.
In einer wissenschaftlichen Untersuchung sei der lückenlose Geschäftsbetrieb seit 1531 belegt. Damals war der Buchdruck mit beweglichen Lettern eine junge Kunst, erfunden um 1440 von Johannes Gutenberg.
Schnell verbreitete er sich auch in der einstigen Kaiserstadt Nürnberg.
Der geschichtsversierte Kistner erinnert daran, dass in der Reichsstadt die erste deutsche Papiermühle (1390) stand und hier auch die Schedelsche Weltchronik (1493) erschien. Das Malergenie Albrecht Dürer mit seiner Werkstatt im Burgviertel war drei Jahre vor Gründung der Buchhandlung gestorben. "Nürnberg war ein europäisches Gelehrtenzentrum."
In diesem Umfeld baute ab 1531 der Buchhändler und Musikverleger Johann Ott am damaligen Herrenmarkt sein Geschäft auf. Nach mehreren Wechseln erwarb Christian Heinrich Korn (1834) das Haus am Hauptmarkt 9 unmittelbar gegenüber der Frauenkirche. 1919 stieg Oskar Berg als Teilhaber mit ein. Kistner, selbst Spross einer Nürnberger Buchhändlerfamilie in vierter Generation, kaufte 2004 Korn & Berg.
In der Nazizeit hieß der Platz vor der Buchhandlungstür Adolf-Hitler-Platz, erzählt Kistner. Für die Parade 1934 wurde er an dessen Wünsche angepasst: Der Neptunbrunnen, von einem Juden gestiftet, war schon zuvor entfernt worden. Aber die eckigen Schaufenster von Korn & Berg mussten in Rundbögen umgestaltet werden.
Bei einem Fliegerangriff 1945 ging das Haus mit 30.000 Büchern in Flammen auf. Weitere 15.000 Exemplare, zur Sicherheit in einen Vorort ausgelagert, wurden Opfer eines Feuersturms.
1952 öffnet die Buchhandlung als erstes Geschäft nach dem Krieg am Hauptmarkt in einem Neubau.
Die Buchhandlung habe Renaissance und Neuaufbruch überstanden, die Umwälzungen der industriellen Revolution und den Beginn des Informationszeitalters, zählt Kistner auf: "Wir sind alt, aber nicht altmodisch." Das mittlerweile 488-jährige Bestehen sei ihm "Ansporn, sich immer wieder zu erneuern". Dabei hilft ihm seine eigene technische Affinität - und das neue Denken seines 36-jährigen Sohnes Philipp.
Auch einige seiner Vorgänger hätten ein technische Faible gehabt, berichtet Kistner. Medizinprofessor und Buchhändler Philipp Wittwer ließ etwa Nürnbergs ersten Blitzableiter (1788) auf seinem Wohnhaus anbringen. Georg Wolfgang Eichhorn - nebenbei ein versierter Astronom - datierte vom Dach des Hauses aus im 19. Jahrhundert die Sonnenfinsternis für Nürnberg im Jahr 1842.
Seinen Sohn Philipp hat der Vater früh ins Boot geholt hat, um den Generationenwechsel einzuleiten. Trotz eines bundesweit schwierigen Buchmarktes und eines Standortsterbens sieht der Junior keinen Grund, sich zu bemitleiden. Er will vielmehr für die Buchhandlung die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters nutzen.
Kunden können per WhatsApp ihre Bücher bestellen.
Mit weiteren Social-Media-Kanälen soll eine junge Community aufgebaut werden, die einerseits ein Feedback auf Buchempfehlungen gibt, andererseits sich auch untereinander begeistert. Für den Sommer ist geplant, dass Leser Bilder von sich und Orten, an denen sie lesen, auf Instagram posten können.
Das klassische Buchgeschäft wird nach allen Regeln der Kunst ausgereizt. Reiseführer für Touristen und Bestseller gehören zum Basisgeschäft. Buchhandlungs-Leiter Gerhard Mayer stellt aber auch ein Programm abseits von Bestsellerlisten zusammen. Dazu gehören Werke von Kleinverlagen, die kaum im Internet zu finden sind.
Bücher von Nürnbergern oder über Nürnberg seien "ziemlich vollständig verfügbar", erklärt er.
Darunter finden sich auch Exemplare der Hersbrucker Bücherwerkstatt, die in Auflagen von 100 Stück im historischen Bleisatz-Verfahren hergestellt werden und eine außergewöhnliche Haptik haben. Solche Spezialtitel würden sich zwar nur einmal im Jahr verkaufen, was unwirtschaftlich ist. Aber es helfe bei der Profilbildung, meint Mayer.
Er stöbert bundesweit auch nach alten Stichen und Druckgrafiken, die einen Bezug zu Nürnberg haben. Von der Naturforscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian, die auch in Nürnberg lebte und forschte, hat er Original-Kupferstiche aus ihrer Zeit in Surinam (1705) gefunden. Und handkolorierte Originale des Malers J.F. Leizelt (1730) sind für stattliche 1.100 Euro zu bekommen.