Der 25. Juli ist in Bayreuth so etwas wie ein zusätzlicher Feiertag. Traditionell werden an diesem Tag die Bayreuther Festspiele eröffnet. In diesem Jahr mit einer Neuproduktion von "Tristan und Isolde".

Seit 1876 finden die Festspiele in dem nach eigenen Entwürfen Wagners gebauten Festspielhaus am Bayreuther Grünen Hügel statt. Zahlreiche internationale Gäste werden sich wie jedes Jahr zu den Festspielen aufmachen. Und mitten unter den Besuchern wird auch der Bayreuther evangelische Dekan Jürgen Hacker sein.

Glühender Wagner-Fan

Seit seinem 16. Lebensjahr ist der gebürtige Bayreuther ein glühender Wagner-Fan. Als Hacker damals die Karten zur Generalprobe für "Parsifal" bekam, wusste er selbst nicht so genau, was auf ihn zukommt, erinnert er sich. Ehrfurchtsvoll habe er auf den ungemütlichen Stühlen im Bayreuther Festspielhaus gesessen und sei vom ersten Ton an in den Bann der Oper gezogen worden.

Nun wollte er auch in den Folgejahren als Schüler und Student mindestens einmal ins Festspielhaus.

"Damals stand ich sogar mit dem Schild 'Karte gesucht' in der Hand da und hoffte, eine Karte zu ergattern."

Die erschwinglichen Karten für Schüler und Studenten seien schließlich immer schnell weg gewesen.

"Ich bin dann schon so früh wie möglich von Heinersreuth, wo wir wohnten, mit dem Mofa zum Kartenkiosk reingefahren und habe mich angestellt." Internet gab es noch nicht, damals galt noch der Spruch: "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst." Oder man kam durch Beziehungen an Karten. Für Hacker waren nur die Generalproben-Karten erschwinglich, aber auch für die musste man sich lange anstellen.

Warum nach dem ersten Akt nicht geklatscht wird

Der Jugendliche Hacker machte bei seiner ersten "Parsifal"-Aufführung auch gleich Bekanntschaft mit dem Wagner-Festspiel-Knigge. Neben ihm saß ein schon erfahrener Wagner-Gänger, der missmutig zu dem Jugendlichen blickte und ihn sogleich ermahnte. "Nach dem ersten Akt wird nicht geklatscht, das hat Cosima angeordnet." Cosima - die Frau Richard Wagners, die nach seinem plötzlichen Tod 1883 die Leitung der Festspiele übernommen hatte.

Geklatscht wurde trotzdem von ein paar wenigen, die sodann vom erfahrenen Wagner-Publikum ausgebuht wurden. Im Laufe der Jahre hätten sich die Festspiele aber dieser Etikette entledigt, sagt der heute 56-jährige Hacker.

Wagner ging es um Erlösung

Das Erlebnis schreckte ihn nicht ab, vielmehr war sein erster "Parsifal" prägend fürs Leben, auch weil er den Opern Wagners religiöse Fragestellungen bescheinigt und somit eine Brücke schlägt - von Wagners Werk hinüber zum Glauben.

"Wagners Gedanken kreisten immer um die Erlösung, nicht nur im 'Parzival', sondern auch in allen seinen anderen Opern."

Die Antwort von Wagner sei natürlich ein ganz andere, aber trotzdem ist Hacker von dieser Symbolik fasziniert.

Untergang – und neue Zukunft

Bei der Frage, welche Inszenierung in Lauf der letzten Jahrzehnte Hacker sich am meisten im Gedächtnis eingeprägt hat, fällt ihm die Antwort nicht schwer. Allein bei dem Gedanken daran bekommt er Gänsehaut: "Das war der "Ring" von Harry Kupfer im Jahr 1988, die letzten Momente der Götterdämmerung - kein Bühnenbild, nur etliche Menschen im Abendkleid schauen im Fernsehen und auf Monitoren ihren eigenen Untergang an." Dann war es auf der Bühne dunkel geworden und ein Junge und ein Mädchen "tasten sich durch das Dunkel der Bühne mit einer Taschenlampe auf dem Weg in eine neue Zukunft".

Das sei wie ein Spiegelbild der heutigen Gesellschaft, wenn man sich im Fernsehen oder Internet die Bilder von Kriegen und Umweltkatastrophen anschaue, sagt der Theologe. Die Werke Wagners könne man auch auf die heutige Zeit anwenden. Für Hacker zeigt sich in solchen Beispielen Wagners Kunst, nach schweren Moll-Tönen in Dur die Oper enden zu lassen.

"Viele sagen immer: Kunst komme von Können, aber das stimmt nicht: Kunst kommt von Künden."