Der Verein "Die Förderer" e.V. veranstaltet, zusammen mit der Stadt Landshut,  alle vier Jahre das mittelalterliche Spektakel "Landshuter Hochzeit 1475". Wegen Corona wurde die Aufführung auf 2023 verschoben. Um die Wartezeit zu verkürzen, können sich Besucher*innen die Sonderausstellung "Am Hof der Reichen Herzöge" auf der Burg Trausnitz besuchen. Dort können sie die Kostüme der "Landshuter Hochzeit 1475" in historischem Ambiente bestaunen. Im Interview verrät Ursula Wohlgemuth, Mitglied der Vorstandschaft von "Die Förderer" e.V., was Besucher*innen sonst noch erwartet.

Warum ist das Ereignis der Landshuter Hochzeit ein so wichtiges in der bayerischen Geschichte?

Ursula Wohlgemuth: Im 15. Jahrhundert änderte sich viel in Europa. Bedeutende Persönlichkeiten, wie Martin Luther, Albrecht Dürer oder Michelangelo veränderten das Denken der Menschen. Auch die Entdeckung Amerikas fällt in diese Zeit. Auch politisch gab es Machtwechsel, zum Beispiel durch den Tod des polnischen Königs Kasimir IV.. Der Generationenwechsel signalisiert gleichsam das Ende der mittelalterlichen Epoche, die Ablösung des Zeitalters der Gotik durch die Epoche des Humanismus und der Reformation, des europäischen Aufbruchs in die Welt.

Also steht sie für den Beginn einer neuen Zeit?

Wohlgemuth: Die Hochzeit von 1475 findet noch im Schoß der alten Zeit statt, aber auch die Unruhe und Spannung einer Endzeit liegen über dem Fest. Trotzdem hat das Fest mehr bewegt, als es eine oberflächliche Betrachtung als Familienfest des europäischen Hochadels erkennen lässt: Nach ihm hat der Polenkönig sein von Litauen bis an die Krim reichendes Imperium noch durch weitere vier Heiraten im Reich verankert; das christliche Abendland rückte näher zusammen, und Polen wurde ein Bollwerk davon – auch wenn die Rivalität um Osteuropa blieb, aus der eines Tages Habsburg als Sieger hervorgehen sollte.

Die Ehe von Georg und seiner Hedwig blieb ohne männlichen Nachfolger und so löste Georgs Tod den "Landshuter Erbfolgekrieg" 1504 aus, da Herzog Albrecht von Bayern-München und König Maximilian das Testament Herzog Georgs zu Gunsten seiner Tochter Elisabeth, die verheiratet war mit Rupprecht von der Pfalz, nicht anerkannten. Was wäre wohl passiert, wenn Georg und Hedwig einen männlichen Erben gehabt hätten? Vielleicht gäbe es dann jetzt München in dieser Form nicht, und an ihre Stelle würde jetzt Landshut stehen?

Die Aufführung der "Landshuter Hochzeit 1475" musste verschoben werden. Die Ausstellung "Am Hof der Reichen Herzöge" wurde im Dezember eröffnet. Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Ersatzprogramm auf die Beine zu stellen?

Wohlgemuth: Einen wirklichen Ersatz für die Landshuter Hochzeit gibt es wohl nicht. Gleichwohl soll die Ausstellung die Wartezeit auf die nächste Aufführung 2023 (30.06. – 23.07.2023) etwas verkürzen. Die Stadt Landshut ist im Sommer 2021 auf den Verein "Die Förderer" e.V.  mit der Idee zugekommen, eine Ausstellung auf der Burg Trausnitz zu machen, in der in verschiedenen Räumen einige der Kostüme der Landshuter Hochzeit gezeigt werden und so auch eine Geschichte erzählt wird.

Wir haben diese Idee gerne aufgenommen und zusammen mit der Stadt das Konzept entwickelt. Für uns war hier wichtig, dass unsere Kostüme nicht von modernen Schaufensterpuppen getragen werden. Wir haben absichtlich Puppen ohne Gesicht gewählt, da so die Kostüme auch wirklich gut zur Geltung kommen, auch auf Perücken haben wir bewusst verzichtet. Es waren viele Stunden notwendig, bis die Figuren alle angezogen und in der Burg auf Ihrem Platz standen. Manchmal musste eine Idee wieder umgeworfen werden, da das Kleid nicht passte, der Gürtel zu eng oder die Kopfbedeckung zu groß war. Da im Verein "Die Förderer" e.V. jeder im Ehrenamt arbeitet, hat hier ein Team von 10 Personen einige Wochenende investiert, um die Ausstellung noch vor den Weihnachtstagen eröffnen zu können.

Über die Landshuter Hochzeit

Inspiriert von einem Gemälde im Prunksaal des Landshuter Rathauses gründeten im Jahr 1902 Landshuter Bürger den Verein „Die Förderer“ e.V., der sich seither für die möglichst originalgetreue Aufführung der „Landshuter Hochzeit 1475“ engagiert.

Bei der „Landshuter Hochzeit 1475“ freite der junge Herzog Georg von Bayern-Landshut die Polen-Prinzessin Hedwig. Die Hochzeit war ein Anlass von europäischer Dimension. Die Feier sollte das üppigste Fest des ausgehenden Mittelalters werden.

Das vom Verein „Die Förderer“ e.V. alle vier Jahre veranstaltete, drei Wochen dauernde Fest ist geprägt von großer Spielfreude und beeindruckendem Engagement der über 2.400 aktiven Mitwirkenden sowie dem Streben nach größtmöglicher, spätgotischer Authentizität. Die im Verein „Die Förderer“ e.V. mittlerweile weit über 7.000 organisierten Mitglieder stellen ein breitgefächertes Spiegelbild der Landshuter Bürgerschaft dar.
Das Motto dieses größten und aufwändigsten historischen Kostümfestes, das die Landshuter zum eigenen und zum Vergnügen von Gästen aus aller Welt voller akribischer Hingabe zum Detail mit Leben füllen, lautet „Eine Stadt spielt Mittelalter“ - so perfekt, dass auch die Historiker und Experten begeistert sind. Die Aufführung der „Landshuter Hochzeit 1475“ ist sowohl bayerisches als auch deutsches Kulturerbe und bemüht sich um die Anerkennung als Weltkulturerbe.

Was erwartet die Besucher*innen auf der Burg? Wie kann man sich einen Gang durch die Ausstellung vorstellen?

Wohlgemuth: Die Burg Trausnitz ist schon allein einen Besuch wert, sind doch im Sommer 2021 frisch renovierte Räume der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt worden, in denen die Besucher*innen unter anderem die wunderschönen neu restaurierten Wandteppiche bewundern können. Zurzeit sind keine Führungen auf der Burg möglich, das heißt, die Besucher*innen folgen einem Rundweg.

Was umfasst der?

Wohlgemuth: Als Erstes kann man die Kunst- und Wunderkammer bestaunen, danach geht es dann zum wohl schönsten Ausblick auf die Stadt, zum Söller, und dann im nächsten Raum geht es schon los, mit den Kostümen der "Landshuter Hochzeit 1475". Polnische Hofdamen, die aus einer großen Truhe edle Gewänder für die Königstochter Hedwig vorbereiten und ausbessern. Im St. Georgs- Ritter Saal tagt Herzog Ludwig der Reiche mit seinen Räten. Und so kann man Zimmer für Zimmern mit Fürsten, Pagen, Fechtern in blinkenden Rüstungen und Musikanten, sehen, wie das Leben zurzeit Herzog Ludwigs hätte sein können. Die einzelnen Szenen sind beschriftet und erzählen jeweils eine kleine Geschichte und beschreiben den historischen Hintergrund dieser.

In der Ausstellung können Besucher*innen die Original-Kostüme bestaunen. Wie empfindlich sind solche Stücke und wie erhält man sie?

Wohlgemuth: Wir vom Verein "Die Förderer" e.V. sind bestrebt, unsere Kostüme originalgetreu zu fertigen. Die Landshuter sind in der glücklichen Lage, dass es mehrere Quellen für die Landshuter Hochzeit gibt, mehrere Chronisten haben genau aufgeschrieben, wie es damals war, im November 1475, bei der großen Hochzeit. Viele der Kostüme werden nach alten Gemälden, Altarbildern oder Grabplatten geschneidert.

Dabei ist es meistens nicht einfach, die passenden Stoffe und Materialen dafür zu finden. Oft werden wir in Italien fündig, lassen aber auch Stoffe nach alten Mustern extra weben. Kunstfaser oder andere "neuere" Stoffe gibt es in der Landshuter Hochzeit nicht. Ebenso lassen wir unsere Schuhe extra anfertigen, sie sind spitz zulaufenden, das war damals Mode. Gerade die Kostüme aus Samt oder Brokat sind empfindlich, wenn sie nass werden oder zu lange der Sonne ausgesetzt werden.

Wanderausstellung "KULTUR.ERBEN"

Immaterielles Kulturerbe bedeutet Traditionen wie Musik, Tanz oder Handwerk - also Ideen und kreative Leistungen, die unmittelbar mit dem Menschen zu tun haben. Auf der Repräsentativen Liste der UNESCO stehen insgesamt 420 Formen des Immateriellen Kulturerbes.

Immaterielles Kulturerbe bedeutet auch lebendiges Brauchtum: Dazu gehören etwa die traditionelle chinesische Medizin oder die italienische Geigenbaukunst. Aus Argentinien und Uruguay kommt der Tango, aus Deutschland die Orgelmusik.

Die Ausstellung "KULTUR.ERBEN" umfasst 37 fotografische Arbeiten renommierter Fotografinnen und Fotografen sowie junger Nachwuchskünstler. Sie umfasst die Themen Musik, Vereinsleben, Sport, Handwerk, Arbeitsleben und Religion.