In seinem 102. Jahr versucht sich das Mozartfest zwar nicht jedes Jahr aufs Neue zu erfinden. Jedoch wird immer wieder versucht, sich neue Hörerkreise zu erschließen, dem Musikfestival den Nimbus des Elitären zu nehmen und sich weit in die Stadtgesellschaft zu öffnen. Dabei werden immer wieder neue künstlerische wie soziale Anläufe unternommen.

In der Reihe "unexpected" wollen die Organisatoren in diesem Jahr erstmals unkonventionelle Konzertformate an außergewöhnliche Spielorten zu den Menschen bringen. Neue Hörperspektiven erschließen kann man sich insgesamt bei 84 Veranstaltungen an über 30 Orten vom barocken Prunksaal über den Hofgarten ins Maschinenhaus. Neu ist außerdem die Aktion "Konzert-Tandem", eine Initiative im Zuge der Jahresaktion der Seniorenvertretung "Generationen im Dialog".

Oma und Enkel, Meister und Geselle, Menschen verschiedener Generationen wurden eingeladen, im Duo gemeinsam Kultur zu erleben. Das passt alles zum diesjährigen Motto "Speculire – studiere – überlege": Faszination Mozart. Erlebbar gemacht werden soll der "Musikmensch" Mozart, der stets in der "Musique steckt", und hinterfragt, was es bedeutet, heute ganz für die Musik zu leben.

Feurige Trompeterin aus Norwegen

Letzteres kann man mit Sicherheit von Tine Thing Helseth behaupten, die bei dieser Nachtmusik zusammen mit dem Philharmonischen Orchester Würzburg unter der Leitung von Enrico Calesso konzertierte. Helseth hat in ihrer bereits mehr als ein Vierteljahrhundert dauernden Karriere bereits mehrere Preise gewonnen und hat ihr Spiel auf einigen CD-Produktionen konserviert.

2007 scheint das große Jahr der heute 35-Jährigen gewesen zu sein. Damals spielte sie bei der Verleihung des Friedensnobelpreises, holte sich beim "Kissinger Sommer" – dem neben dem Mozartfest zweiten großen Klassikfestival in Unterfranken – den Luitpoldpreis und spielte mit ihrem neu gegründeten "tenThing Brassensemble" ihre erste Aufnahme ein.

Keine Nachtmusik ohne Mozarts "Eine kleine Nachtmusik". Die Serenade Nr. 13 G-Dur gehört zum festen Inventar des Würzburger Mozartfests und ist nicht nur titelgebend für dessen bekannteste Veranstaltung, sondern erfreut auch in jedem Jahr aufs Neue das durchwegs gemischte Publikum im Hofgarten der Residenz, wo sich Klassik-Puristen und Musikhörer treffen, die sich einmal im Jahr vielleicht auf solche Hochkultur niederschwellig einlassen wollen.

Von Armenien bis Amerika

Nach diesem lauschigen Auftakt, blies Helseth in die Trompete – und ließ bei ihrem Auftaktstück gleich aufhorchen: Der armenische Komponist Alexander Arutjunjan vollendete sein Trompetenkonzert in As-Dur im Jahr 1950 und schuf dabei ein rund viertelstündiges Paradestück, bei dem der Interpret in Sachen Ausdruck und Virtuosität sein ganzes Können zeigen kann.

Helseth hat dieses Werk schon mehrmals live gespielt und auch aufgenommen – insofern war es praktisch für sie ein "Muss", dieses Stück energetischer Musik auch dem Würzburger Publikum zu präsentieren.

Aus Camille Saint-Saens (Frankreich) Oper "Samson und Delilah" stammt die Arie "Mon cœur s’ouvre à ta voix", die hier in einer Adaption für Trompete ihre Wirkung entfalten sollte. Dasselbe gilt für Astor Piazzollas (Argentinien) "Libertango", eines der bekanntesten Tango-Stücke überhaupt, das sich Helseth für ihr Instrument zu Eigen machte.

130 Jahre alt ist in diesem Jahr Antonín Dvořáks 9. Sinfonie "Aus der neuen Welt", die der tschechische Komponist vor den Eindrücken eines dreijährigen Amerika-Aufenthalts schrieb und darin versuchte, seine Inspirationen von indigener und Schwarzer Musik zu verarbeiten. Hier überließ die Virtuosin die Bühne wieder dem Philharmonischen Orchester, das bei dem rund dreiviertelstündigen Werk seine Güte bewies.

Vor allem beim zweiten mit "Largo" überschriebenen Satz, der sich einfühlsam in die Gehörgänge schmeichelte und beim furiosen vierten "Allegro con fuoco" wurde wieder einmal klar, dass die Würzburger sich nicht hinter großstädtischen Ensembles verstecken müssen.

Die zweite Nachtmusik findet am 23. Juni mit dem Orchester der Musikhochschule Würzburg unter der Leitung von Andreas Hotz statt. Solist ist dann Lutz Koppetsch (Altsaxofon).

Johanniskirche Würzburg Türme
Von der nahen Johanniskirche in Würzburg scheinen die Türme über das Geschehen im Hofgarten der Residenz zu wachen.

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