Rotraut Stromer von Reichenbach-Baumbauer sitzt im "Sternenzimmer" ihrer 800 Jahre alten Burg im Nürnberger Land unter der Stuckdecke und dem Kronleuchter auf einer schlichten Sitzbank. Sie schenkt sich eine Apfel-Quitten-Schorle ein und legt die Beine hoch. Die Administratorin der Stromerschen Stiftung gerät ins Schwärmen von den Obstbäumen auf den Streuobstwiesen, von denen das Getränk stammt.

Stiftungswälder

Sie schweift ab zu den Stiftungs-Wäldern, "der Förster hat mich weitergebildet" und spricht von den verpachteten Feldern, auf denen sie am liebsten nur noch Bio-Landwirtschaft zulassen möchte. Seit 2004 sind die 86 Hektar Grund und 51 Hektar Wald, die zur Stiftung gehören, als Flora-Fauna-Habitat (FFH) eingetragenes Gebiet.

Lebensgeschichte der 70-Jährigen 

Die 70-Jährige, die als älteste von vier Geschwistern der früheren Patrizierfamilie Stromer aufwuchs, hat am Dienstag den Kulturpreis der Bayerischen Landesstiftung erhalten. Weil sie für die Denkmalpflege "mindestens genauso wichtig" ist wie das Bayerische Denkmalschutzgesetz, heißt es in der Laudatio. Durch ihr herausragendes Engagement sei es ihr gelungen,

"das in einem sehr schlechten Erhaltungszustand befindliche Schloss Grünsberg Zug um Zug zu renovieren, es mit Leben zu erfüllen und der Öffentlichkeit für kulturelle Veranstaltungen, Konzerte und so weiter zugänglich zu machen".

Als Kind war diese Burg für Rotraut Stromer von Reichenbach ein Abenteuerspielplatz. "Kein Baum war zu hoch, keine Höhle zu dunkel", gibt sie zu, dass sie als junges Mädchen viel Unsinn im Kopf hatte. Während der Woche waren die zwei Buben und zwei Mädchen der Familie Stromer in einem Erlanger Glasscherbenviertel auf der Straße unterwegs, an den Wochenenden fuhr die Familie nach Grünsberg und die Kinder durften die Burg entdecken. "Ich habe gar nicht gewusst, dass das etwas Besonderes ist", gibt Rotraut Stromer zu. Erst die 40 Regalmeter Urkunden und die Akten, die auch im Staatsarchiv stehen, haben ihr die Augen geöffnet.

Renovierung der Burg mit spannenden Geschichten 

Die Freifrau weiß heute zu jedem einzelnen Stück der großen Burg eine Jahreszahl und eine Geschichte zu erzählen. "Achtung, fallen Sie nicht über den Mauerbrecher", warnt sie auf dem Weg in den "Gelben Salon", der mit einer atemberaubenden groß gemusterten Tapete dekoriert ist. Die metallene Schildkröte auf dem Boden diente als Spucknapf. Ein weiteres Museumsstück ist der steinerne Schädel mit nummerierten Zonen, der auf einer Kommode platziert ist. Er stammt von einem Vorfahren, der der Gall'schen Schädellehre anhing.

Von den Ölgemälden blicken die Ahnen einer der ältesten Nürnberger Patrizierfamilien, darunter ein Reichsschultheiß. Der dürfte noch nicht von den großen Sorgen geplagt gewesen sein, wie er "die alte Kiste zusammenhalten soll". So salopp bezeichnet von Stromer ihre Bemühungen um den Erhalt der Burg. Ständig sei sie auf der Suche nach Quellen, "die man anzapfen kann". Sie weiß, wie man "Bettelbriefe" an den Entschädigungsfonds schreibt, kennt sich mit Sonderprogrammen für den Denkmalschutz aus und kann nachbohren.

Mit leuchtenden Augen erzählt die Freifrau von der Zusammenarbeit mit ihrer Architektin bei der niemals endenden Sanierung der Burg. Mit ihr ist sie auf einer Wellenlänge: "Wir wollen kein Disneyland schaffen. Das Gebäude soll stabil sein und funktionieren." Aber auch das kostet. 9.000 Euro allein hat die Restaurierung der aufsehenerregenden Tapete im "Gelben Salon" gekostet. Und das, obwohl sich in den Kellergewölben noch Reste der historischen Wanddekoration gefunden hatten. "Adel schmeißt nichts weg", sagt die Freifrau trocken.

Vielfältige Berufserfahrung 

1970 hat die junge Rotraut in Nürnberg das Abitur gemacht und war danach, weil sie keinen Studienplatz für ihren Traumberuf Ärztin erhielt, auf der Suche: Biologie, Spanisch, Paläontologie, Psychologie - in all diese Studiengänge begab sie sich hinein. Sie war studentische Koordinatorin, war dabei, als nach dem Pinochet-Putsch in Chile 60 chilenische Studenten in Erlangen aufgenommen wurden. Die Freifrau heiratete einen Bürgerlichen und bekam mit ihm drei Söhne.

Als der älteste Sohn im Kindesalter stirbt, "musste ich mein beschädigtes Schiff wieder halbwegs in den Hafen bringen", sagt die Burgfrau. Sie nimmt in dieser Krise wieder Klavierunterricht und entdeckt dabei, dass sie gerne Kinder an dem Instrument unterrichten möchte. Es fügt sich gut, als ihr Klavierlehrer die kleinen Schüler an sie abgibt und selbst die fortgeschrittenen Schülerinnen und Schüler übernimmt. Von Kindern ist Stromer begeistert. Sie liebt es auch heute noch, wenn Schulklassen Führungen auf Burg Grünsberg buchen, "denn die haben immer so interessante Fragen".

Ihrem Vater Wolfgang Stromer von Reichenbach, der bereits den Besitz der Familie in eine Stiftung eingebracht hatte, hat Rotraut Stromer 1999 auf dem Sterbebett versprochen, sich um Burg Grünsberg zu kümmern. Zwei Rosenstöcke gab es damals in der Burganlage, heute sind es 25. Die lassen sich bei einer öffentlichen Führung mit der Freifrau persönlich bestaunen oder bei einem der Konzerte, die in der Burgkapelle oder im Schlosshof stattfinden. Ans Klavier setzt sich die Hausherrin aber nicht selbst, "das können andere besser", winkt sie ab.

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