Experten aus Kirche, Medien, Schule und Politik sind sich einig, dass angesichts des digitalen Wandels mehr Anstrengungen im Bereich der Medienbildung unternommen werden müssen. Das ist das Ergebnis eines zweitägigen Medienforums der bayerischen Landeskirche in der Evangelischen Akademie Tutzing.
Haberer fordert bessere Reflexion im Internet
Die evangelische Medienexpertin Johanna Haberer sprach sich für einen reflektierten Umgang mit modernen Kommunikationstechnologien aus. Viele Menschen handelten in der digitalen Welt zu oft nach dem Prinzip »Reflex statt Reflexion«, sagte die Erlanger Professorin für Christliche Publizistik. »Es geht alles sofort«, warnte sie. Eine unverschämte E-Mail des Kollegen werde unmittelbar ebenso unverschämt beantwortet. So entstünden viele Missverständnisse.
Das sei besonders problematisch, da das Internet ein unendliches Gedächtnis habe, unterstrich Haberer. Menschen, die sich einen Fehltritt erlaubt hätten und Opfer eines Shitstorms geworden seien, trügen das ein Leben lang mit sich rum. Eine zentrale Frage der christlichen Medienbildung sei deshalb: »Vergebung und Neuanfang - wie geht das in der digitalen Welt?«
Schulze will mehr Medienkompetenz bei Jugendlichen
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag, Katharina Schulze, betonte: »Nur weil jemand Zugang zum Internet hat und es nutzt, heißt nicht, dass er damit auch umgehen kann.« Kinder und Jugendliche müssten vor allem den richtigen Umgang mit Inhalten lernen, denen sie im Netz begegneten.
Im Mittelpunkt der Medienbildung müsse vor allem der Umgang mit den Inhalten stehen, die einem im Netz begegnen, sagte die Politikerin. »Wir haben im Internet eine Informationsflut aus den unterschiedlichsten Quellen, aber das Fakten checken müssen wir selber übernehmen.«
Der richtige Ort, um das zu lernen, sei die Schule. Dafür müsse dort aber die technische Ausstattung verbessert und die Lehrer stärker im Bereich Medienkompetenz geschult werden.
Bierbaum ruft zu Haltung gegenüber Social Media und Big Data auf
Bereits einen Tag zuvor hatte der Chef der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), Siegfried Schneider, gesagt, er sehe es als Aufgabe der Medien selbst, Medienkompetenz zu vermitteln. Internetnutzer sollten beispielsweise genau erfahren, inwiefern sie für Informationen mit ihren Daten bezahlten. »Jeder Click ist ein Fingerabdruck«, mahnte Schneider.
Oberkirchenrat Detlev Bierbaum rief dazu auf, eine Haltung gegenüber Social Media und Big Data zu entwickeln. Das gelinge, »wenn ich das Wissen, das überall zugänglich und an vielen Stellen sogar überfordernd viel zugänglich ist, gut sortieren, einordnen und reflektieren kann, um daraus eine kluge Haltung einzunehmen«, sagte der Theologe, der in der bayerischen Landeskirche für Bildung und Medien zuständig ist.
»Ohne Medien ist Bildung nicht möglich«
»Ohne Medien ist Bildung nicht möglich«, erklärte die Bildungswissenschaftlerin Manuela Pietraß von der Bundeswehr-Universität in München. Pietraß zufolge gibt es zwei Formen des Medienwandels: Zum einen entwickelten sich Medien weiter. Dazu gehöre etwa die Möglichkeit, flexibel, individuell und ortsunabhängig zu lernen. Eine der negativen Folgen seien die »entfesselte Kommunikation« oder Fakenews. Pietraß forderte eine umfassende Medienbildung an Schulen. Kinder und Jugendliche sollten alle Formen von Medien verwenden und nutzen. Zugleich sei es wichtig, die Rückbindung an die soziale Zusammenhänge und reale Welten zu schaffen. »Ein Kind, dass im Netz gemobbt wird, muss in der realen Welt Rückhalt bekommen«, so Pietraß.
Das Medienforum der Landeskirche fand bereits zum fünften Mal statt. Die Tagung wurde von der Landeskirche, der Evangelischen Akademie Tutzing und der Friedrich-Alexander-Universität-Erlangen-Nürnberg veranstaltet. Sie stand unter dem Motto »Welche Medienbildung brauchen wir?«.