Die Medienbranche steht unter Druck. Suchmaschinen zeigen nicht mehr die Inhalte der Zeitungen oder Onlinemagazine an, sondern KI-generierte Zusammenfassungen. Journalistische Angebote werden deshalb mitunter bis zu 40 Prozent weniger abgerufen – was massive Auswirkungen auf die Refinanzierung der Onlinemedien hat.

Die Plattformökonomie greift immer tiefer in die technologischen Strukturen der Medienhäuser ein – und lässt diese leer ausgehen. Hinzu kommt: Immer häufiger werden Journalist*innen und Redakteur*innen bei öffentlichen Veranstaltungen angegriffen oder inhaltlich massiv kritisiert.

Künstliche Intelligenz wirkt disruptiv auf die Gesellschaft – und bedroht demokratische Werte ebenso wie die freie Meinungsbildung. "WTFuture?!" lautete der provokative Titel der 39. Medientage in München, die am Freitag zu Ende gingen.

Braucht es eine digitale Abgabe der Plattformen?

Gleich zu Beginn des Events machte Kulturstaatsminister Wolfram Weimer klar, dass er sich eine Digitalabgabe gegenüber US-Plattformen wünscht. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder warnte vor zu viel Regulierung jenseits von Kennzeichnungs- und Haftungspflichten, weil damit wichtige Innovationen gebremst werden können. Diese Meinungsverschiedenheit gleich zu Beginn der Tagung machte deutlich, wie schwer es inzwischen ist, Lösungen für die komplexen Fragen rund um Meinungsfreiheit und Medienvielfalt zu finden.

Karen Hao: Plattformen agieren wie ein Imperium

Wie auch schon in der Vergangenheit haben sich die Organisatoren der Medientage prominente Speaker auf die Bühne geholt – und sorgten so für ein reges Interesse bei den über 5000 Besucher*innen.

Die US-amerikanische Journalistin Karen Hao stellte ihr Buch "Empire of AI" vor, in dem sie die Geschichte von OpenAi nachzeichnet – und dabei die Probleme der Technologie verdeutlicht. Die Plattformen würden wie ein Imperium funktionieren, so ihre These: Sie bedienen sich des Landes, der Mineralien, der Kunst, der Daten, beuten dann die Menschen aus, monopolisieren das Wissen und behaupten, sie seien moralisch überlegen und würden der Gesellschaft etwas Gutes tun. Dabei gehe es im Grunde darin, sich auf Kosten aller zu bereichern.

Sowohl die Nutzung von Daten als auch der Verbrauch von Energie wachse exponentiell. Viele Plattformen hätten kein Problem damit, sich für dieses Wachstum auch illegal Daten zu besorgen, sie würden Bücher scannen und das Netz aggressiv durchforsten. Die Socialmedia-Plattformen würden ihre Algorithmen so einsetzen, dass die Menschen länger verweilen und noch mehr Daten hinterlassen. Zudem würden die Kosten für Datenzentren explodieren. Für den laufenden Betrieb seien Unmengen an Wasser nötig - was für Wasserknappheit sorge und die Gesundheit der Menschen beeinträchtige.

"Wir sollten diese Imperien zur Rechenschaft ziehen", forderte sie die Journalisten auf. "Die Geschichte von Künstlicher Intelligenz ist keine Technologie-Geschichte, sondern eine Geschichte über Macht, Geld und Ideologie", sagte Hao.

Medienhäuser sollten nicht mit Plattformen kooperieren

Karen Hao machte keinen Hehl daraus, dass sie es als höchst problematisch erachtet, wenn Medienhäuser mit den Plattformen kooperieren oder ihnen gar die Daten zur Verfügung zu stellen.

"Wir sollten die Macht über die Produkte und KI-Tools behalten, denn wir brauchen Alternativen zu den Plattformen", erklärte sie.

Viele Manager der Silicon Valley hätten kein Problem damit, wenn es künftig keinen Journalismus mehr gebe. Auf ihre Rechercheergebnisse zur Geschichte von OpenAi habe sie viel Kritik geerntet. Doch gebe auch Investoren, die sich durchaus für die Entwicklungen interessierten. Sogar Mitarbeitende des Konzerns hätten sich bei ihr bedankt, denn sie wüssten oft selbst nicht, was das Management entscheide.

 

Gewinnen Creator weiter an Bedeutung?

Wird es künftig bald keine Journalisten geben, sondern nur noch Influencer und Creator? Dieser Frage widmete sich Marc-Christian Ollrog von der Ostfalia-Universität. Für seine Studie befragte er über 260 Journalist*innen aus ganz Deutschland zur sogenannten "Creator Economy". Die Erkenntnisse spiegeln die aktuellen Trends gut wider: Inhalte werden kürzer, präziser, unterhaltender, die Recherche ist oberflächlicher, die Formate sind kürzer und konzentrieren sich stark auf kurze Videos.

"Die Medienhäuser verschieben ihre Priorität hin zu Socialmedia und versuchen, erfolgsorientierte Inhalte zu pushen", so Ollrog.

In der plattformgetriebenen Umgebung sei es für Journalisten immer wichtiger, die eigene Person als Marke zu präsentieren. Zudem verliere die Trennung zwischen Nachricht und Meinung an Bedeutung. Immer häufiger schalte die Branche in einen "zentralen Betriebsmodus der Erregungsöffentlichkeit", so die Studie.

Gleichwohl bleibe Journalismus ein Beruf, den die meisten Menschen aus Idealismus ergreifen. "Die Identifikation mit dem Job ist groß und das Verständnis, dass Journalisten eine Wächterrolle haben, bleibt bestehen", so eine weitere Erkenntnis der Studie, so Ollrog.

 

 

Medientag München 2025
Medientag München 2025: Publikum

Künstliche Intelligenz als Chance für die Medienbranche

Dass Künstliche Intelligenz die Medienbranche auch voranbringen kann, demonstrierte Marie Kilg von der Deutschen Welle. Sie präsentierte einige Beispiele für die Arbeit mit KI-Tools und zeigte, wie die Technologie für die journalistische Arbeit genutzt werden kann. "Es gibt so viele innovative Produkte und Tools, die unseren ganzen Produktionsprozess begleiten können", erklärte sie.

Jim Sengl und Carolin Gierth gaben Einblick in das "Reallabor KI.M" des KI Kompetenzzentrum Medien in Bayern. Diese Organisation unterstützt Medienhäuser bei der Umsetzung konkreter Projekte. Damit möglichst viele von diesen Modellprojekten profitieren können, werden die Ergebnisse nach Fertigstellung ganz basisdemokratisch geteilt.

Konkrete Lösungen und Produkte für die Branche wurden auf der Media-Lab-Bühne präsentiert. Dazu gehörten das Startup Radiozeit, dass gesprochene Inhalte in durchsuchbaren Text umwandelt oder Articly, mit dem Artikel in einen Podcast und einen Audio-Newsletter verwandelt werden können.

Regulierung für Medienbranche in Europa

BR-Intendantin Katja Wildermuth warnte davor, dass mit der Macht der Plattformen auch eine schleichende Monopolisierung von Wissen einhergehe, denn mit der ungefragten Nutzung von Medieninhalten verschwinde auch die Kennzeichnung einer Quelle. Bei den Medientagen zeichnete sich gleichwohl eine Art "rote Linie" für die europäische Medienpolitik ab. Bei einer Expertenrunde zum "Europatag" wurde betont, dass die Medienlandschaft auf europäischer Ebene gesichert und etabliert werden müsse. Dafür könnte der geplante "Digitale Omnibus" der Europäischen Kommission sich eignen: Dieses Maßnahmenpaket soll digitale Vorschriften vereinfachen und Innovationsfähigkeit fördern.