Alles ist "mutmaßlich", da die Archäologen bis heute keinen Beweis für die Existenz des Königs David – des berühmten Vorfahren Jesu – oder für jenen weltweit bekannten Sohn eines Zimmerers aus Nazareth gefunden haben. Unklar ist auch, was die Forscher eigentlich finden wollen – einen Ausweis, den es damals noch nicht gab, eine Visitenkarte oder nur eine "zeitgenössische" Inschrift? Es ist nicht einmal gewiss, ob die berühmte Geburtsstadt Jesu südlich von Jerusalem das wahre Bethlehem ist oder vielleicht eher ein kaum bekanntes Dorf nahe Nazareth in Galiläa, wo Jesu Familie doch angeblich wohnte.

Viele Legenden ranken sich rund um Jesus und seine Geburt. Maria und Josef waren ja nur "verknastet", wie es in einer jiddischen Übersetzung des Neuen Testaments heißt. Das bedeutet, dass sie nur "verlobt" waren und nicht verheiratet. Gemäß damaligen Moralvorstellungen und teilweise noch heute üblichen Sitten und Gebräuchen durften sie sich nicht einmal berühren. Aus der Bibel entnehmen wir, dass Maria mit dem "Sohn Gottes" schwanger wurde, indem der Erzengel Gabriel ihr ins Ohr flüsterte. Dazu haben mittelalterliche Rabbiner in einer antichristlichen Polemik festgestellt, dass Maria sogar nach der Geburt noch eine "Jungfrau" blieb. Denn sie sinnierten: "Wo der Samen reingeht, kommt das Kind auch heraus." Gemäß dieser rabbinischen Logik war also Maria "durch das Ohr" geschwängert worden. Demnach muss das Jesuskind auch durch das Ohr auf die Welt gekommen sein.

Herodes war einer der größten Bauherren des Heiligen Lands

König Herodes gilt wegen der Kindermord-Erzählung als dunkle Gestalt der Geburtsgeschichte. Jede denkbare Missetat sei ihm angehängt und dann hochgespielt worden, behaupten moderne Theologen. Sicher erscheint nur eins: Herodes war einer der größten Bauherren des Heiligen Lands. Zu den Werken seiner Ära gehörten unter anderem die Erweiterung des Jerusalemer Tempels und der Neubau des Hafens von Caesarea. Er beschäftigt die Archäologen noch heute: Erst im Mai 2007 hat der israelische Archäologe Ehud Netzer, ein Sohn von Puah Ben-Tovim, der Hebräischlehrerin Franz Kafkas, auf dem riesigen künstlich aufgeschütteten Herodion-Berg bei Bethlehem das Grabmal des Herodes und sogar dessen mutwillig zertrümmerten Sarkophag entdeckt.

Netzer, Professor an der Hebräischen Universität in Jerusalem, war ein Experte für die Architektur des Königs Herodes und hatte sein Leben lang nach diesem Grab gesucht. Der römische Historiker Josephus Flavius hatte das Staatsbegräbnis des Königs Herodes in allen Einzelheiten beschrieben – und festgestellt, dass sogar Legionäre aus Thrakien und Germanien Spalier standen, als er auf einer goldenen Bahre liegend entlang einer säulengesäumten Prachtstraße zu seinem Mausoleum getragen wurde.

Geburtsgrotte Jesus in Bethlehem
Geburtsgrotte Jesus in Bethlehem

"Legionäre aus Germanien" – das klingt in heutigen Ohren beeindruckend, und für den damaligen Leser sollte es die Bedeutung dieser Figur unterstreichen. So ändern sich die Zeiten. Ein Besuch von Bundeswehrsoldaten in Israel ist heutzutage eine kurze Meldung unter "Vermischtes". Deshalb versucht man im Nahen Osten auch heute noch, Geschichte umzuschreiben, um sich im Glanz der alten Zeiten zu sonnen. So wird behauptet, dass Jesus nicht nur der "erste Palästinenser" war, sondern auch, dass der Gekreuzigte sogar als "Märtyrer beim Aufstand gegen die römischen Besatzer" gestorben sei und deshalb den palästinensischen Selbstmordattentätern Vorbild sein sollte. (www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3344541,00.html)

Jesus, der palästinensische Jude

Versöhnlichere Töne schlug Professor Hamid Dabashi von der Columbia University auf dem arabischen Nachrichtenkanal Al Jazeera an, als er zu Weihnachten 2018 zwar der Existenz Israels nichts abgewinnen konnte, aber doch feststellte, dass das Judentum seinen Platz im Heiligen Land hat. Er sagt: "Jesus war ein palästinensischer Jude, der Aramäisch sprach, eine Sprache in derselben Familie wie Hebräisch und Arabisch. Er stammte aus derselben prophetischen Tradition wie die Propheten Moses und Mohammad." (www.aljazeera.com/indepth/opinion/remember-christ-palestinian-refugee-181224101728798.html)

Man kann auch "ernsthaft" über die Traditionen rund um Bethlehem berichten. Im 3. Jahrhundert hat Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin, das Heilige Land besucht. Dabei hatte sie zahlreiche christliche Stätten "wiedergefunden", darunter auch die Grotte unter der heutigen Geburtsbasilika in Bethlehem, wo die Krippe Jesu gestanden haben soll. Da der römische Kaiser Hadrian über der Stelle einen Adonis-Tempel errichtet habe, war klar, dass so eine ältere, von Juden oder Christen verehrte Stelle "versteckt" werden sollte. Die Höhle, die Christen als Geburtsstätte Jesu ansehen, wurde ab dem 2. Jahrhundert verehrt. Kaiser Konstantin der Große und seine Mutter Helena ließen an der Geburtsstätte eine Kirche mit bunten Mosaikböden errichten, die teilweise heute noch zu sehen sind. In die Grotte gelangen die Pilger durch eine riesige und wunderschöne Basilika, gesäumt von mächtigen Säulen, auf die Kreuzfahrer Figuren von Heiligen gemalt hatten. In einer dieser Säulen auf der rechten Seite befinden sich fünf kleine Löcher in Kreuzform. Diese werden insbesondere von muslimischen Frauen verehrt. Sie kommen und stecken ihre Finger in die Löcher, um schwanger zu werden.

Eder ältesten erhaltenen christlichen Gotteshäuser

Das Hauptschiff der im Jahr 335 geweihten Kirche gehört heute der griechisch-orthodoxen Kirche. Es ist eines der ältesten erhaltenen christlichen Gotteshäuser und seit Anbeginn eines der wichtigsten. 386 kam der heilige Hieronymus nach Bethlehem, wo er seine lateinische Bibelübersetzung Vulgata vollendete. In der zweiten Hälfte des 5. Jh. wurde die konstantinische Basilika vollständig neu erbaut. Man vermutet, es habe zuvor einen Brand oder ein Erdbeben gegeben. Wesentliche Änderungen des Neubaus waren das Abdecken des Mosaikbodens mit Steinplatten, die Vergrößerung des Ostabschlusses mit drei Apsiden und ein doppelter Treppenabgang zur Grotte, sodass nun die Pilger auf einer Treppe zur Geburtsstätte gelangen und sie über die zweite Treppe wieder verlassen konnten. Während andere Kirchenbauten 614 von vorrückenden Persern beschädigt wurden, blieb diese Kirche verschont. Möglicherweise haben die Perser eine Darstellung der Drei Könige aus dem Morgenland gesehen und geglaubt, dass es sich um ein persisches Heiligtum handelte.

Die Kreuzfahrer restaurierten die Kirche (1161-1169). Unter den Osmanen verfiel die Kirche zunehmend. 1670 begann die griechisch-orthodoxe Kirche, die Basilika zu renovieren. Am mutmaßlichen Geburtsort in der Geburtsgrotte wurde exakt auf der Mittelachse der Basilika 1717 von der römisch-katholischen Kirche ein silberner Stern mit der Inschrift "Hic de virgine Maria Jesus Christus natus est" – "Hier wurde Jesus Christus von der Jungfrau Maria geboren" angebracht. Seine 14 Zacken symbolisieren die 14 Geschlechter im Stammbaum Jesu. Gegenüber der Geburtsstelle sollen der Ochs und der Esel gestanden haben. Das ist wohl eher symbolisch gemeint, wobei der Esel das jüdische Volk und der Ochse die "Völker" darstellte, also Jesu Bestimmung, als jüdischer Messias alle Völker der Welt zu "erlösen".

Eingang zur Bethlehemer Geburtskirche
Man muss sich tief bücken, um in die Bethlehemer Geburtskirche zu gelangen. So wollten die Bauherren verhindern, dass man hoch zu Ross in die Kirche hineinreiten konnte.

Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Konfessionen über die Verwendung des Gebäudes, sodass die "Hohe Pforte in Istanbul" 1757 eine Regelung zum "Status quo" festlegen musste. Der zufolge gehören heute noch der Hauptaltar und die rechten Seitenaltäre den Griechen und zwei Seitenaltäre links den Armeniern.

Den römischen Katholiken (Lateinern) blieben neben dem Dreikönigsaltar und dem Stern unter dem Geburtsaltar nur die Hieronymus-Grotten und ein Platz links von der Kirche, wo sie einen Kreuzgang und ab 1881 eine eigene Kirche errichteten, die Katharinenkirche. Im armenischen Teil sind auch schwarze Kreuze im goldenen Mosaikboden eingelassen, ein Zeichen, dass dieses Mosaik vor dem 4. Jahrhundert geschaffen worden war. Denn sowie das Kreuz zu einem "heiligen Symbol" erklärt worden war, durfte es keinen Fußboden mehr schmücken, um nicht mit Schuhen beschmutzt zu werden, wie ein Tourguide bei einer Führung erklärte, nachdem er die schützende Holzklappe über dem Mosaik geöffnet hatte.

Die Konfessionen streiten über die Nutzung der Kirche

Nachdem der silberne Stern in der Geburtsgrotte 1847 entfernt worden war, wurde er zwar 1852 von Sultan Abdelmid I. neu gestiftet, doch führte dieser Vorfall zum Ausbruch des Krimkriegs. Nach starker Beschädigung durch ein Erdbeben (1927) ließen die britische Mandatsverwaltung und später die Franziskaner Ausgrabungen und Restaurierungen durchführen.

Auch in neuerer Zeit gibt es immer wieder Streitigkeiten zwischen den Konfessionen über die Nutzung der Kirche. Ende Dezember 2007 und 2011, beim traditionellen Kirchenputz für das orthodoxe Weihnachtsfest, kam es zu Raufereien zwischen armenisch- und griechisch-orthodoxen Priestern. Die Polizei musste dabei eingreifen und schlichten. Als "Kompromiss" darf der Armenier auf einem Fenstersims stehen und nur so weit die Wand abwischen, wie sein "kurzer" Besen reicht. Die halbrunden Spuren des geschwungenen Besens waren anschließend auf den weiß getünchten Mauern der Kirche deutlich zu erkennen.

Eingangstor wurde im Lauf der Gesichte immer wieder verkleinert

Jahrelang waren das Hauptschiff und die Säulen eingerüstet und mit Tüchern verhüllt. Inzwischen erstrahlt die Kirche in neuem Glanz, vor allem dank der unter dem alten Putz neu entdeckten Mosaiken an den Seitenwänden über den Säulen.

Zu den architektonischen Besonderheiten der Kirche gehört das monumentale Eingangstor. Man sieht, wie es im Lauf der Geschichte immer wieder verkleinert worden ist. Heute muss man sich tief bücken, um durch den kleinen, niedrigen Eingang aus drei mächtigen Felssteinen in das Gotteshaus zu gelangen. So wollten die Bauherren verhindern, dass man hoch zu Ross in die Kirche hineinreiten konnte.

Die Weihnachtsfeiern beginnen am 24. Dezember morgens, wenn der katholische Patriarch mit seiner Autokolonne von Jerusalem nach Bethlehem einzieht. Genau auf halber Strecke gibt es beim griechischen Mar-Elias-Kloster eine "Wachablösung". Während bis dorthin israelische Polizisten hoch zu Ross den Patriarchenkonvoi begleiten, übernehmen ab dort palästinensische Pfadfinder die Ehrenbegleitung.

Turm der Geburtskirche Jesu
Die Flaggen Palästinas – und der muslimische Felsendom auf dem Dach der Geburtskirche Jesu.

Das Mar-Elias-Kloster befindet sich nahe einer älteren heiligen Stätte, "Stuhl der Maria" genannt. Am Straßenrand sieht man zwischen Olivenbäumen noch die Grundmauern einer im 3. Jh. rund um einen bloßen Felsen errichteten oktogonalen Kirche mit wunderbaren bunten Mosaiken und einer griechischen Inschrift unter dem Eingangsbereich. Die Mosaiken sind nach Ausgrabungen zu ihrem Schutz wieder mit Sand bedeckt worden.

Gemäß der Legende sei an dieser Stelle die hochschwangere Maria von ihrem Esel herabgestiegen und habe sich auf den Felsen gesetzt. Da habe sich der Felsen ihrer Körperform angepasst, damit sie gemütlich sitzen könne. Dieses Gebilde wurde von den Griechen dann zur heiligen Stätte erklärt, an der die Pilger auf dem Weg von Jerusalem nach Bethlehem beten und prozessieren mussten. Das war ein ausgeklügeltes Geschäftsmodell. Denn so wurden die Pilger lange genug aufgehalten, dass sie die Geburtsstadt Jesu erst bei Dunkelheit erreichten. Dort mussten sie dann eine Unterkunft buchen, frühstücken und Andenken einkaufen, ehe sie nach Jerusalem zurückkehren konnten.

Missbrauch für politische Zwecke

Heute ist diese Masche – zum Schaden der Tourismusindustrie in Bethlehem – wieder vergessen. Die Touristen reisen in ihren Bussen an, werden von den Tourguides mal eben schnell durch die Geburtskirche gejagt, um kurz bei der Krippe innezuhalten. Danach besteigen sie wieder ihre Busse und eilen zurück nach Jerusalem, ohne auch nur einen Schekel oder Dinar in Bethlehem ausgegeben zu haben.

Seit 1994 werden die Weihnachtsfeierlichkeiten in Bethlehem für politische Zwecke missbraucht. Am Tag vor Weihnachten 1994 hatten sich die israelischen Besatzer aus Bethlehem zurückgezogen und die Stadt der palästinensischen Autonomiebehörde übergeben.

Jassir Arafat kam mit seinem Hubschrauber

Palästinenserführer Jassir Arafat war mit seinem Hubschrauber bei den Hirtenfeldern vor Bethlehem gelandet und zog nach Bethlehem. Die Weltpresse durfte ein hohes Geschäftshaus zwischen dem Krippenplatz und dem "Friedenszentrum" besteigen. Von dort konnte man gut sehen, was sich auf dem Dach der Geburtskirche abspielte. Eine riesige palästinensische Flagge hing an der Außenmauer unter der Stelle, wo Arafat vor Tausenden johlenden Palästinensern eine Rede hielt. Unsichtbar für die Feiernden auf dem Krippenplatz unten, aber gut erkennbar für die Presseleute auf dem Dach des Geschäftshauses, war ein großes Modell des muslimischen Felsendoms mitsamt der vergoldeten Kuppel von Arafat auf das Dach der christlichen heiligen Stätte gehievt worden. Das war ein höchst symbolischer Akt, um der Menschheit zu zeigen, dass jetzt der Islam übernommen habe.

Eigentümlicherweise hat außer dem Schreiber dieser Zeilen keiner der anwesenden Journalisten diesen Vorgang fotografiert und in seinen Berichten dokumentiert. In den Jahren danach nutzten immer wieder Palästinenser die Anwesenheit von viel ausländischer Presse während des Patriarcheneinzugs, um mit englischsprachigen Schildern gegen Israel und die Besatzung zu demonstrieren. Gleichzeitig hing wie eine Ikone das Abbild Arafats über dem Eingang der Geburtskirche, wenn die Geistlichen warteten, um den einziehenden Patriarchen vor dem Tor zu begrüßen.

Während der Zweiten Intifada kam es dann im April 2002 zu einer 39 Tage dauernden Belagerung der Anlage durch israelisches Militär, nachdem 40 bewaffnete palästinensische Kämpfer in die Geburtskirche geflüchtet waren und sich dort verschanzt hatten. Außerdem waren rund 160 weitere Personen (Friedensaktivisten sowie 60 Priester, Mönche und Nonnen) in dem Kirchenkomplex eingeschlossen. Die Vertreter der christlichen Kirchen verweigerten später eine Bestattung von zwei erschossenen Palästinensern im Kirchenkomplex, aus Angst, dass militante Muslime hier einen Verehrungsplatz einrichten könnten.