Sie heißen Lucky, Muhammad oder Alexandr. Kommen aus Nigeria, dem Irak oder Weißrussland. Machen sich auf den Weg - voller Hoffnung. Dann die Enttäuschung: Ihre Anträge auf Asyl in Deutschland werden abgelehnt. Ihrer Abschiebung aber entziehen sie sich. Zurück? Auf keinen Fall. Sie tauchen unter, doch werden gefunden, in Gewahrsam genommen. Die zuständige Ausländerbehörde stellt einen Antrag, ein Richter entscheidet:
Sie müssen in Abschiebehaft.
Nun sind sie hier. In einem Flugzeughangar am Münchner Airport - keine hundert Meter entfernt vom Rollfeld. Der mächtige Stacheldrahtzaun, der den Hochsicherheitsbereich des Flughafens von der Außenwelt abschirmt, durchzieht die Halle in ihrer ganzen Breite. Früher wurden in dem Hangar Passagierflugzeuge gewartet. Jetzt warten darin Männer auf ihre Rückführung: in sechs Meter langen blauen Wohncontainern hinter hohen Zäunen.
Innerhalb der Umzäunung dürfen sich die Männer frei bewegen, telefonieren, Besuch empfangen. Auch Internet gibt es - in einem der Module steht ein PC. "Wir bezeichnen die Abzuschiebenden ganz bewusst nicht als Gefangene", sagt Florian Steinmetzer, Abteilungsleiter im bayerischen Landesamt für Asyl und Rückführungen (LfAR), das 2018 ins Leben gerufen wurde. "Die Männer sind keine Kriminellen."
Wie ein Gefängnis ohne Gitterstäbe
Doch in der mehr als 10.000 Quadratmeter großen Halle wirkt das Konstrukt aus Zäunen und Stacheldraht, das jeden der Container in eine Zelle verwandelt, wie ein übergroßer Hamsterkäfig. Ein Gefängnis, auch ohne Beton und dicke Gitterstäbe. Die Anlage ist kameraüberwacht. Ein zwölfköpfiges Securityteam hält 24 Stunden lang Wache. Zwei Polizisten unterstützen. Am Eingang steht ein Metalldetektor.
Mit der Verabschiedung des Asylplans im Juni 2018 stand fest, dass erstmalig Abschiebehaftplätze unter dem Dach des Innenministeriums geschaffen werden sollten - zusätzlich zu den etwa hundert Plätzen in den umfunktionierten JVAs in Eichstätt und Erding, die das Justizministerium verwaltet. "Alles musste schnell gehen", sagt Steinmetzer. Die Wahl fiel auf den Hangar am Münchner Airport.
Die Flüchtlinge in der Einrichtung sind "vollziehbar ausreisepflichtig". Im Schnitt verbringen sie hier neun Tage, bis sie ein letztes Mal in den Streifenwagen gesetzt, zum Terminal der Bundespolizei gefahren und dann per Flugzeug abgeschoben werden. Manche wissen es bereits bei ihrer Ankunft in der Haftanstalt: "In einer Woche geht der Flug." Andere müssen noch auf den gefürchteten Brief der Ausländerbehörde warten.
Hellgrauer Jogginganzug für alle
"Jeder Mensch, der bei uns landet, hat eine ganz eigene Geschichte. Im Prinzip läuft aber alles immer gleich ab", erklärt Semir Jassim, der als Sozialpädagoge die Abzuschiebenden betreut. Mehr als hundertmal hat der unaufgeregte Mann dieses Prozedere schon miterlebt. Menschen wurden nach Georgien rückgeführt, nach Eritrea, Nigeria, Vietnam, El Salvador, Albanien oder China.
Wer aus dem Polizeiwagen aussteigt, erhält einen hellgrauen Jogginganzug. "Das ist keine klassische Häftlingskleidung", erklärt Jassim. "Damit es aber nicht zu Streitereien wie am Schulhof kommt, muss jeder das Gleiche anziehen." Hab und Gut verschwinden in der Asservatenkammer. Handys sind nicht erlaubt, auch kein Bargeld. Drei Mahlzeiten gibt es am Tag. Tabakwaren werden gestellt. "Und wer von einem Mittagsmenü nicht satt wird, der bekommt ein zweites", sagt Jassim. Ihm ist die Unterscheidung zu Strafgefangenen wichtig. Mit Handschellen sei noch niemand hergebracht worden, erinnert er sich.
Nach dem Check-in zum Suizid-Screening
Nach einer Identitätsprüfung und dem IT-Vollzug, also ihrem "Check-in" in der Haftanstalt, folgt für die abgelehnten Asylbewerber eine medizinische Untersuchung. Ein Sanitäter ist dauerhaft vor Ort, ein Arzt kommt stundenweise. Im Anschluss das Erstgespräch mit Jassim. Das "Suizid-Screening" gehört dazu. Jassim schätzt Gefahren ab, liest zwischen den Zeilen, prüft, ob der Insasse gefährlich werden könnte für sich selbst oder für andere. Wenn ja, muss er verlegt werden.
Zwischen den Containern steht eine Tischtennisplatte, ein paar Meter weiter ein Kickertisch. Hier kommt der Sozialpädagoge mit den Flüchtlingen ins Gespräch. Auch Steinmetzer traut sich auf die andere Seite des Zauns. Er habe schon einmal mit Tischtennis gespielt. Für ihn gehöre es zu einem respektvollen Umgang persönlich mit den Insassen zu reden. Angst hat er keine. "Warum auch?", sagt er. Ausschreitungen habe es bislang nicht gegeben. Nicht zuletzt, weil sein Team sich stetig um ein gutes Klima bemühe. Steinmetzer sagt:
"Wir versuchen, die schwierige Aufgabe mit möglichst viel Menschlichkeit zu erfüllen."
Nach einer Anlaufphase seien nun die Kapazitäten der Einrichtung ausgelastet, betont Steinmetzer. "Seit Anfang des Jahres betreuen wir bis zu 15 Insassen gleichzeitig." Die Kosten-Nutzen-Bilanz geht für die Einrichtung dennoch nicht gut aus. In der Anlaufphase seit Inbetriebnahme am 10. September 2018 war wochenlang nur eine Handvoll der Container belegt - bei enorm hohen Kosten: 420.000 Euro Miete zahlt das Landesamt dem Flughafen für die Nutzung der Halle - pro Monat.
420.000 Euro monatlich für 21 umzäunte Wohncontainer, die auch auf einem Acker platziert werden könnten? "Natürlich ist das eine Menge Geld. Die konsequente Anwendung geltenden Rechts im Bereich der Rückführungen muss uns das aber wert sein", sagt Steinmetzer. 111 Flüchtlinge wurden bislang untergebracht (Stand: 26.03.2019), etwa 970 Hafttage sind in Summe zusammengekommen. Legt man nur die Miete um, ergibt das Kosten von mehr als 2.500 Euro. Pro Nacht und Nase.
Die Zukunft der Einrichtung steht noch in den Sternen.
Bis der Mietvertrag Ende 2019 ausläuft, werde man sich nach einer dauerhaften Alternative am Flughafen umsehen. "Wir sind in Verhandlungen", sagt Steinmetzer.