München, Trabantenstadt Neuperlach. Hier ist seit einem Jahr die ehemalige Zentrale eines großen Versicherers die Heimat der Lebensmittelretter "CommunityKitchen" und des Ehrenamtsprojekts "Shaere". Wer hierher kommt, begegnet mit einiger Sicherheit Christiane Gruzlewski. Entweder sortiert sie gerettete Haushaltswaren, betreut Kinder beim Spielen, hilft Gruppen, das passende Bastelmaterial zu finden oder sie ist im Gespräch mit Menschen. 

Christiane Gruzlewski ist Mutter von vier erwachsenen Kindern, Ehefrau des evangelischen Pfarrers im Stadtteil, hat selbst Theologie studiert und arbeitet heute als Psychologin. In ihrer Familienzeit als Pfarrfrau hat sie gelernt, was Gruppen und Kreise brauchen. Sie fühlt, wann ein Tacker oder Kleber gebraucht wird und hat immer eine praktische Lösung parat und sieht sofort, wo eine weitere Hand gebraucht wird.

Spätestens seit sie mit ihrem Mann in die Laetare-Gemeinde gewechselt hat, schaut sie über den Tellerrand der Kirche hinaus. Hier gebe es mehr Personal für spezielle Anliegen, Mutter-Kind-Gruppen seien kaum noch gefragt in der Kirchengemeinde, das religiöse Leben spiele sich hauptsächlich am Wochenende ab, so Gruzlewski.

"Insofern war das Shaere für mich ein Volltreffer"

Denn hier kann sich die sehr aktive Frau in allen Bereichen einbringen und ihre Ideen umsetzen - vom Bücherbett bis zum Steinezimmer. Mit dem Steinezimmer hat Christiane Gruzelwski eine Höhle geschaffen, in der leise Musik läuft. Das Licht ist gedämpft, als Sitzgelegenheiten stehen bequeme Metten zur Verfügung. Auf einem Glastisch liegen viele bunte Glas- und Halbedelsteine.  Sie stellen das Neue Jerusalem aus der Offenbarung 21,19 dar, was die Pfarrfrau und selbst studierte Theologin gerne erklärt. Für sie war es ein logischer Schritt, auch ihren persönlichen Lebensmittelpunkt, den Glauben, hier mit einzubringen. Umso spannender ist es für sie, mit Menschen anderer Ansichten, Glaubensrichtungen und Meinungen ins Gespräch zu kommen.

Die Menschen gehen fröhlicher weg, als sie gekommen sind

Lebensmittel und Gegenstände zu retten, ist das grundsätzliche Prinzip, das im ehemaligen Bürohaus an der Fritz-Schäffer-Straße gepflegt wird. Aber es geht auch darum, den Menschen aus der Nachbarschaft einen Platz zu bieten, an dem sie sich wohlfühlen können. Dazu ist ein gemeinsamer Umgang voller Wertschätzung wichtig. Dass andere gesehen werden und man selbstwirksam sein kann, gehört zum Konzept des Shaere. Für Christiane Gruzlewski ist das ein Volltreffer. 

"Ich lebe mit der Endlichkeit"

Etwa 500 Menschen gehen derzeit täglich im Schnitt ein und aus im früheren Verwaltungsgebäude, um andere zu treffen, Kurse zu besuchen, etwas zu essen oder zu trinken, Sachen zu bringen oder zu holen. Doch ist die Zeit des Projekts begrenzt. Als Zwischennutzung läuft der Vertrag derzeit fünf Jahre. Was dann passieren wird, ist ungewiss: Abbruch, Umbau oder weitere Zeit für die Retter. Christiane Gruzlewski fände es Schade, wenn das Projekt Shaere bald beendet wäre. Allerdings hat sie keine Angst davor. "Mein ganzes Leben war bisher schon auf Endlichkeit ausgerichtet", sagt sie und lächelt. Und es schwingt im Raum: jedes Ende birgt einen neuen Anfang.

Podcast MitMensch

Die Welt ein bisschen besser machen

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