Führer hatte in der Leipziger Nikolaikirche unter anderem die Tradition der Friedensgebete begründet, die am 9. Oktober 1989 zum Ausgangspunkt der bis dahin größten bürgerlichen Demonstration gegen das DDR-System wurden. Für den erkrankten Preisträger nahmen Führers Tochter Katharina Köhler und seine Söhne Sebastian und Martin die Auszeichnung bei einem Festakt im Audimax der Universität Bayreuth entgegen.
In ihrer Laudatio sagte die Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Margot Käßmann, dass Christian Führer allzu oft auf seine politischen Aktivitäten und Äußerungen verkürzt werde. Dies sei jedoch ein Missverständnis: Die "Gnade der Kraft zum Widerstehen" in einer Diktatur sei für den Leipziger Pfarrer vor allem sein tiefer, im Evangelium verwurzelter Glaube.
Unbequem auch nach der Wende
Dies und eine gewaltfreie und respektvolle Erziehung seien die Mittel, die Widerstandskraft von Menschen gegen Feindbilder, Ideologien und Diktatur zu stärken, so die frühere hannoversche Bischöfin. Auch nach der politischen Wende 1989 sei Christian Führer nicht "sprachlos" geworden, sondern sei ein unbequemer Prediger geblieben. "Wir sind dankbar für sein Zeugnis in der Zeit der DDR, aber sehr wohl auch danach", sagte Käßmann. "Wir brauchen Menschen, die widerständig sind, denen die Kraft dazu vermittelt wurde in ihrer Erziehung und im Glauben."
In seiner vorbereiteten Dankesrede, die in Bayreuth von Tochter Katharina Köhler, Pfarrerin in Cottbus, verlesen wurde, rief Führer zu "mehr Aufmerksamkeit für unser Herz" auf. Wenn "gefährlicher Sondermüll wie Hass und Gewalt, Sorgen und Ängste" entsorgt werde, müssten sich Menschen nicht mit ihrer Schwäche und Restangst verstecken und könnten neu dem Leben entgegentreten, so Führer mit Blick auf die Montagsdemonstrationen 1989 in Leipzig. "Und wenn Gottes Kraft in den Schwachen mächtig wird, wenn das nicht für möglich Gehaltene tatsächlich geschieht, dann gerät die Welt in Erstaunen."
Ein Preis für eine Haltung
Zuvor hatte Bayreuths Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe (Bayreuther Gemeinschaft) betont, dass der Toleranzpreis nicht allein für eine Leistung, sondern vor allem für eine Haltung vergeben werde. Diese Haltung zeichne sich etwa durch Zivilcourage aus, durch den Einsatz für andere Menschen, die keine Stimme hätten, oder durch den Willen zum Ausgleich und zum Frieden. "Es ist diese Haltung, geprägt von Toleranz, Menschlichkeit und Glauben, die sich auch nach 1989 beispielsweise im Engagement für Menschen in Not oder gegen Rechtsextremismus äußert, die wir heute mit diesem Preis ehren", so Merk-Erbe.
Der mit 10 000 Euro dotierte "Wilhelmine-von-Bayreuth-Preis" wird von der Stadt Bayreuth seit 2008 an Persönlichkeiten oder Gruppen verliehen, die sich im internationalen Bereich auf kulturellem, sozialem, politischem oder wissenschaftlichem Gebiet um die kritische Reflexion europäischer Wertvorstellungen und die interkulturelle Verständigung verdient gemacht haben. Zu den bisherigen Preisträgern zählen der nigerianische Literatur-Nobelpreisträger Wole Soyinka, der Dirigent Daniel Barenboim und die senegalesische Frauenrechtlerin Madjiguène Cissé.