Das Porträt einer halbnackten Frau vor goldener Tapete zieht gleich zum Auftakt die Blicke an: Das Gesicht wird von einem dunklen Haarschopf gerahmt, mit fast geschlossenen Augen schaut sie verführerisch von oben auf die Betrachter.

1901 hatte der Wiener Jugendstilkünstler Gustav Klimt (1862-1918) das Porträt der "Judith" gemalt. Das Gemälde ist das magische Zentrum der Ausstellung "Secessionen. Klimt, Stuck, Liebermann", die bis 22. Oktober in der Alten Nationalgalerie in Berlin zu sehen ist.

München, Wien und Berlin

Erstmals stehen die drei Hauptstädte der neuen Künstlervereinigungen im Fokus. Sie waren in rascher Folge 1892 in München, 1897 in Wien und 1899 in Berlin entstanden. Mit der Gründung von Secessionen, sogenannten Abspaltungen vom akademischen Kunstbetrieb, suchten Künstlerinnen und Künstler mit neuen Ausdrucks- und Präsentationsformen den Aufbruch in die Moderne.

"Uns war es wichtig, den Pluralismus, den die Künstler wollten, in den Vordergrund zu rücken", betont der Direktor der Alten Nationalgalerie und Kurator der Ausstellung, Ralph Gleis. Die jeweiligen Gründer der Secessionen, Franz von Stuck in München, Gustav Klimt in Wien und Max Liebermann in Berlin, stehen mit den von ihnen geprägten Strömungen von Symbolismus, Jugendstil und Impressionismus im Zentrum.

Künstlerinnen standen in regem Austausch

Darüber hinaus sind rund 80 Künstlerinnen und Künstler zu sehen, die ihre Werke erstmals im Rahmen der Secessionsausstellungen präsentieren konnten. Die Schau, konzipiert in Kooperation mit dem Wien Museum, zeigt in 13 Kapiteln rund 200 Arbeiten, unter denen die Werke von Gustav Klimt einen Schwerpunkt bilden. Sein Frauenporträt "Judith" ist nach der Erstpräsentation auf der Secessionsausstellung 1905 in Berlin nun erstmals wieder an der Spree zu sehen.

Die Künstlerinnen und Künstler der Bewegung standen in regem Austausch, das zeigt gleich der erste Raum in der Gegenüberstellung der Protagonisten und Gründungsväter der jeweiligen Secession. So ist Gustav Klimts "Pallas Athene" (1898) mit goldener Maske deutlich von dem kurz zuvor entstandenen Porträt der Figur von Franz von Stuck beeinflusst, bei dem das realistische Frauengesicht aus dem flächigen goldenen Hintergrund hervortritt.

"Die Künstler haben sich gegenseitig befruchtet", erklärt Gleis.

In dem folgenden Kapitel geht es um die Prinzipien, die alle drei Secessionen prägten, die zugleich ihre eigene Markenbildung betrieben. Und es gab regionale Unterschiede: München als Vorreiter pflegte eine enge Verbindung zur Presse. In Wien stand der Gedanke des Gesamtkunstwerks im Mittelpunkt. "Hier spielte von Anfang an auch die Architektur eine Rolle", sagt die Kuratorin und Direktorin des Wien Museums, Ursula Storch, und verweist auf ein Architekturmodell von Otto Wagner.

Auch Kunstgewerbliches von Josef Hoffmann aus der Wiener Werkstätte wird gezeigt. Und obwohl von Anbeginn auf allen Secessionen auch Künstlerinnen vertreten waren, nahm nur die Berliner Secession Frauen auch als Mitglieder auf, darunter Dora Hitz, Sabine Lepsius und Käthe Kollwitz.

Die weibliche Seite

Die weibliche Seite der Secessionen gehört in allen Kapiteln zu den Entdeckungen, ob in den Kinderbildnissen, den Porträts, in der Darstellung von Arbeit und Alltag oder auch den Begegnungen mit der Natur. Sie hängen hier - wie schon in den Secessionsausstellungen um 1900 - gleichberechtigt neben den Arbeiten ihrer männlichen Kollegen. Beeindruckend ist etwa das fast lebensgroße Porträt eines "Katzenfressers" von Elena Luksch-Makowsky aus Wien, die mit der Darstellung eines Landstreichers und seiner für viele abschreckenden Nahrungswahl auf Not und Elend aufmerksam macht.

Unter den Porträts sticht die "Dame in Weiß" (1898) von Ernestine Schulze-Naumburg (später Orlandini, 1869-1865) ins Auge, die von der Nationalgalerie eigens für die Schau angekauft werden konnte. Die Ausstellung zeigt, wie die Secessionen über die vielfältige Vernetzung von Künstlerinnen und Künstlern zur Triebfeder der Moderne wurden und der Kunst zur Freiheit verhalfen.

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