Norbert Roth ist evangelischer Pfarrer an der Münchner Matthäuskirche und hat dort am Sonntag (23. April) im Festgottesdienst zum 175. Gründungsjubiläum des Münchner "Evangelischen Handwerkervereins" gepredigt. Roth weiß, wovon er spricht: Vor seinem Theologiestudium hat er Kaminkehrer gelernt. Ein Gespräch über Kirche und Handwerk.

"Als Kaminkehrer habe ich viele Menschen zu Hause besucht."

Wie haben Sie als Pfarrer von der Ausbildung zum Kaminkehrer profitiert?

Norbert Roth: Als Kaminkehrer habe ich viele Menschen zu Hause besucht. Das genaue Hinhören und Überlegen, was ich in einem Gespräch mit den Menschen sage, habe ich dabei gelernt. Im Predigerseminar haben die anderen Vikare mir erzählt, dass es ihnen schwerfällt, an einer fremden Tür zu klingen. Ich hatte diese Erfahrung schon. Dementsprechend konnte ich viel einfacher auf Menschen zugehen.

Würde Theologen und Theologinnen mehr Kontakt zum Handwerk guttun?

Ja, überhaupt mehr Kontakt zur Welt, die nicht die akademische ist. Klar haben wir als Studenten alle gejobbt, sei es in der Gastronomie oder in einem anderen Ferienjob. Aber gerade das Wahrnehmen anderer Lebenswelten, zum Beispiel wie Handwerker ihre Lebensherausforderungen meistern, kann eine große Bereicherung sein. In erster Linie müssen wir das Handwerk und seine Kunstfertigkeit schätzen und das auch mal laut aussprechen.

"Kirche als Institution kann die Segmentierung unserer Gesellschaft etwas lösen."

Wie kann Kirche heutzutage Handwerker und Handwerkerinnen am besten erreichen?

Dadurch, dass wir das, was da an Kunstfertigkeit vorhanden ist, hoch schätzen. Darüber hinaus muss man Handwerker erst mal wahrnehmen. In der Großstadt selbst sieht man ja kaum noch Handwerksbetriebe. In der Gemeindesituation sind sie ganz anders präsent, da gibt es mehr Kontakt zwischen Kirche und Handwerk. In erster Linie müssen wir das Handwerk schätzen und das auch mal laut aussprechen, das würde uns als Kirche guttun. 

Was kann Kirche vom Handwerk lernen?

Die Offenheit, aber auch, dass es so etwas wie einen Kodex gibt. Ich habe das als Kaminkehrer gemerkt. Das ist wie eine große Gemeinschaft. Man hält zusammen, auch wenn man sich nicht persönlich kennt. Kirche als Institution kann die Segmentierung unserer Gesellschaft etwas lösen. Die Tür ist für jeden offen, egal wie reich, wie alt, wie jung, wie schön, wie hässlich, welche Hautfarbe. Das ist ein großer Punkt für die Kirche!

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