Vertreter*innen von Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, Gewerkschaften, Wissenschaft und Kultur haben zu gesellschaftlicher Solidarität in Krisenzeiten aufgerufen.

"Starke Schultern können und müssen mehr tragen - das ist ein zentraler Grundsatz unserer sozialen Marktwirtschaft",

heißt es in dem Schreiben, das von der Diakonie Deutschland in Berlin und der bayerischen evangelischen Landeskirche in München veröffentlicht wurde.

Preisanstiege kaum noch zu stemmen

Selbst für Menschen mit durchschnittlichem Einkommen seien die Preisanstiege durch die Folgen der Corona-Pandemie und des Ukrainekriegs kaum noch zu stemmen. Daher sei nun die Solidarität jener Menschen mit großen Einkommen und Vermögen gefragt.

"Menschen mit geringen Einkommen können nicht mehr warten und müssen jetzt wirkungsvoll von der Preisexplosion entlastet werden",

sagte der Diakonie-Präsident und Mitunterzeichner Ulrich Lilie.

Bedford-Strohm: Am Ende profitieren alle

Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm erklärte, "in dieser besonderen Situation kommt jetzt viel darauf an, dass wir zusammenhalten". Er forderte daher Solidarität für diejenigen ein, die von der Krise besonders getroffen würden.

"Gerade in Krisenzeiten haben sich unsere christlichen Grundorientierungen zu bewähren",

sagte Bedford-Strohm, "davon profitieren am Ende alle".

Sozialstaat verspricht Teilhabe für alle

Der Sozialstaat verspreche allen Bürger*innen Teilhabe, heißt es in dem Solidaritätsaufruf. Das Versprechen sei aber wertlos, wenn es sich in Krisenzeiten nur für die Einkommens- und Leistungsstarken bewahrheite.

Für diesen Fall warnen die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner vor einer nie dagewesenen sozialen und politischen Zerreißprobe. Der russische Präsident Wladimir Putin wolle die westlichen Gesellschaften spalten. Dieser Strategie solle man mit Zusammenhalt entgegentreten.

Caritas unterschreibt nicht

Der Caritas-Bundesverband trat einem Medienbericht entgegen, wonach er sich von dem Aufruf distanziert habe. "Wir distanzieren uns nicht", sagte dessen Sprecherin Mathilde Langendorf am Montag in Berlin. "Wir haben ihn nur nicht unterschrieben." Die Position, dass große Herausforderungen auf die Gesellschaft zukämen, teile die Caritas zu 100 Prozent, sagte Langendorf.

Der Verband sehe aber zumindest im Moment noch kein Solidaritätsdefizit. Zudem habe es an personellen Ressourcen für die Abstimmungsprozesse für diesen Aufruf gemangelt, so dass die Caritas ihn nicht mit Priorität behandelt habe. Das Onlineportal zur gleichnamigen Bistumszeitung "Kirche und Leben" in Münster hatte am Montag berichtet, dass die Caritas sich von dem Aufruf distanziere.

Bätzing auch nicht dabei

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, habe es ebenfalls abgelehnt, den Aufruf zu unterschreiben, sagte Pressesprecher Matthias Kopp dem epd. Bätzing sei "grundsätzlich bei der Zeichnung von Appellen und Petitionen zurückhaltend". Diese Linie habe er hier fortgesetzt.

Zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs gehören neben anderen der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke, die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, der Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbands, Rolf Rosenbrock, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, André Wilken, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher und der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann.

Anmerkung: In einer ersten Version des Artikels hatte es noch geheißen, die Caritas distanziere sich von dem Aufruf. Wir haben das korrigiert.