Der Berliner Migrationsforscher Herbert Brücker hält die Integration der 2015 nach Deutschland Geflüchteten für gelungen.
Zumindest was den Arbeitsmarkt betreffe, "haben wir sehr viel geschafft", sagte Brücker em Evangelischen Pressedienst (epd).
Brücker, der außerdem den Forschungsbereich "Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung" am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg leitet, bezieht sich damit auf den Satz der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "Wir schaffen das".
Integration übertrifft Erwartungen
Knapp zwei Drittel der damals überwiegend aus Syrien geflüchteten Menschen gingen einer Beschäftigung nach, das sei die Schätzung aufgrund der bisher vorliegenden Informationen. Im Bevölkerungsdurchschnitt liege die Beschäftigungsquote mit 70 Prozent nur wenig höher.
Die Geflüchteten von 2015 und den Folgejahren seien heute besser integriert als früher gekommene Asylsuchende, ergänzte Brücker. Nur etwa ein Zehntel lebe noch in einer Gemeinschaftsunterkunft. "Sie performen sogar deutlich besser, als die Wissenschaft und wir alle es 2015 erwartet hatten."
Erfolgsfaktoren und wo noch Potenziale liegen
Im internationalen Vergleich stehe Deutschland damit vor den meisten anderen europäischen Ländern, sagte Brücker, der Professor für Volkswirtschaftslehre an der Berliner Humboldt-Universität ist.
Gründe seien zum einen die günstige Wirtschaftslage zwischen 2015 und 2019 und die nachhaltige Integrationsstrategie. Deutschland habe Sprach- und Integrationskurse für die meisten Geflüchteten geöffnet und die Asylverfahren beschleunigt. Auch die breite Willkommenskultur habe eine entscheidende Rolle gespielt.
Noch bessere Ergebnisse könnten erzielt werden, wenn Geflüchtete sofort mit Sprachkursen beginnen dürften und schnell eine individuelle Integrationsberatung erhielten, sagte Brücker.
Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern leitet er eine fortlaufende jährliche Befragung von Geflüchteten, die seit 2013 in Deutschland Schutz gesucht haben.
Arbeitsmarktpolitik als Schlüssel zur regionalen Integration
Zudem sollten Arbeitsmarktkriterien bei der Verteilung der Geflüchteten auf die Regionen berücksichtigt werden: "Da haben wir in der Vergangenheit zwischen drei und fünf Prozentpunkte bei der Beschäftigungsquote verschenkt."
Vor diesem Hintergrund müssten die Klagen über Überlastung unter anderem aus den Kommunen differenziert betrachtet werden. Die Infrastruktur sei heute viel besser als 2015 auf Geflüchtete vorbereitet. Zwar könne es bei starkem Zuzug immer wieder zu Belastungen kommen. Aber in den vergangenen Jahren sei die Zahl der Schutzsuchenden stark gesunken.
Belastung oder Erfolgsgeschichte? Ein differenzierter Blick
Den Grund für die derzeit eher ablehnende Haltung gegenüber Asylsuchenden sieht Brücker weniger in objektiven Gegebenheiten als im politischen Diskurs.
"Wenn Politiker sagen, die Menschen haben keine legitimen Schutzansprüche und nutzen unsere Sozialsysteme aus, hat das einen Einfluss auf die Stimmung im Land."
Dabei hätten rund 85 Prozent der noch in Deutschland lebenden Geflüchteten einen rechtlich anerkannten Schutzstatus. "Ich vermisse manchmal die Empathie mit den Menschen, die vor Krieg und Verfolgung geflüchtet sind." Der Blick auf die Einzelschicksale sei verloren gegangen.
Kommentare
Hm, der Erfolg berechnet…
Hm, der Erfolg berechnet sich hier ja zunächst einmal an der Zielstellung. Hier beginnt aber schon der erste Streitpunkt: War es das Ziel Geflüchtete vor dem Tod und Leid zu bewahren (wie gerne erzählt wurde) oder in Arbeit zu bringen. Letzteres kann zwar ein Nebenaspekt von Ersterem sein, denn insbesondere bei längerem Aufenthalt hat Arbeit etwas Sinnstiftendes, Gemeinschaftsförderndes und erlaubt zudem eine gewisse Unabhängigkeit und Würde. Trotzdem wäre bei erstem Ziel die Frage nicht: Wie viele arbeiten sondern wie geht es Euch jetzt? Im Falle der Arbeit hängt zudem viel von den Zugewanderten selbst ab: Wie alt waren sie, wie gebildet, intelligent und einsatzfreudig. Das Schaffen hat da nur teilweise mit dem Zielland zu tun. Theoretisch sind besonders gefährdete Flüchtlinge halbtot und an Arbeit ist erst einmal und vielleicht nie mehr zu denken oder noch lange nicht (Kleinkinder). Alle Statistiken sind durchaus glaubwürdig und jeder im kirchlichen Umfeld kennt wahrscheinlich einige Geflüchtete, die ihren Weg gemacht haben oder zumindest auf einem guten Weg sind. Das beantwortet aber nicht die Frage nach der Trennung der Fragen von Flucht und Arbeitsmigration, nach Entzug von Arbeitskraft aus ohnehin schon schwächeren Ländern oder der Abnahme eines perspektivlosen Geburtsüberschußes oder eben doch Kriegs- und Folterentkommenen, die irgendwie weiter leben wollen und zu diesem Zweck natürlich auch arbeiten, Familie leben und eine Zukunft planen wollen. Nur wenn wir diese Unterscheidung treffen, ist der Erfolg überhaupt sinnvoll festzustellen und hier kann es auch zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen: Der Mittelständler ist vielleicht froh junge, eifrige Angestellte zu bekommen, der Pensionist über die Pflegekraft, die Oma über den süßen Lesepaten, während der Frisör sich über die 5 neuen Konkurrenzbetriebe in der Straße vielleicht weniger freut... Das sind alles legitime Emotionen unabhängig davon, dass objektiv manches gut und anderes schlechter funktioniert hat. Es ist müßig ewig beweisen zu wollen, dass man richtig lag. Wichtiger ist das Lernen für die Zukunft und das Bearbeiten aktueller Probleme.