Mit deutlichen Worten haben der bayerische evangelische Landesbischof Christian Kopp und der Generalvikar der Erzdiözese München und Freising, Christoph Klingan, bei der Kundgebung "Dach gegen Hass" am Sonntag auf dem Münchner Königsplatz Stellung bezogen. Wer Jüdinnen und Juden angreife, "greift uns alle an", sagte der Landesbischof vor mehreren hundert Menschen. Christen stünden "an der Seite unserer jüdischen Geschwister - heute und immer".
Generalvikar Klingan forderte die Menschen auf, jeder offenen oder verdeckten Form von Antisemitismus "mit klarer Haltung, mit Zivilcourage, mit Solidarität" entgegenzutreten. Der Hass auf Jüdinnen und Juden bedrohe die gesamte Gesellschaft und die Demokratie. Die Verantwortung aus der deutschen Geschichte gehe über Erinnerungsarbeit hinaus: "Sie ist Auftrag zum Handeln, hier und jetzt", betonte Klingan.
Die Kirchenvertreter verbanden ihren Aufruf mit der Hoffnung auf eine offene Gesellschaft: "Wir wollen eine Gesellschaft, in der jüdisches Leben selbstverständlich, sicher und sichtbar ist. Lasst uns gemeinsam dafür einstehen: entschlossen, friedlich, vereint", sagte der Landesbischof.
Antisemitismus zu bedauern und antisemitische Vorfälle zu betrauern reicht nach Ansicht von Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) nicht aus. "Wir müssen handeln", sagte der Beauftragte der Bundesregierung bei der Kundgebung "DACH gegen Hass" am Sonntagnachmittag in München. Nach Angaben der Polizei nahmen daran mehrere Hundert Menschen teil. "Weil wir Menschen sein sollten, wie Margot Friedländer uns zurief. Und deshalb verteidigen wir heute nicht nur die Rechte einer Minderheit - wir verteidigen die Werte der Gesamtheit."
Die bittere Wahrheit sei, so Weimer, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland wieder Angst haben, "und das ist unerträglich". Antisemitismus sei kein Schatten der Vergangenheit, sondern "mitten unter uns. In unseren Straßen, in unseren Schulen und - ja, auch im Kulturbetrieb". Kultur sei das Fenster in die Welt des Anderen und dürfe niemals zum Werkzeug der Ausgrenzung werden. Weimer kündigte an, in seinem Amt jüdisches Leben und jüdische Kultur "noch sichtbarer und in die Breite der Gesellschaft erlebbar" zu machen.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte, Antisemitismus sei seit dem 7. Oktober 2023 "lauter, aggressiver und sichtbarer" geworden. Im DACH-Raum Deutschland (D), Österreich (A) und Schweiz (CH) erlebten Jüdinnen und Juden Anfeindungen und Angriffe. "Es ist derselbe Hass - nur mit wechselnden Kulissen." In allen drei Ländern müsse der Kampf gegen Antisemitismus entschlossener geführt werden: durch Bildung und eine Politik, die "jüdisches Leben wirksam schützt - mit klaren Gesetzen und verlässlichem Handeln von Polizei und Justiz".
Kundgebung Dach gegen Hass
Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) bezeichnete die Demo als Zeichen dafür, dass "wir das Versprechen 'nie wieder' nicht halten konnten". Der Judenhass mache sich immer breiter, auch in Bereichen der Mitte, in Kunst und Kultur, Politik, Hochschulen und Wissenschaft, NGOs. Antisemitismus sei die "Ur-Form der Menschenverachtung" und habe zum größten Verbrechen der Menschheit geführt, so die Politikerin. Wo er vorkommt, sei früher oder später jeder der Nächste. "Wir tragen die größte Verantwortung, diesen Hass zu benennen, zu ächten und zu bekämpfen. Immer und überall!"
Die Kundgebung "Dach gegen Hass" wurde vom Münchner Hochschulprofessor Guy Katz initiiert. Sie versteht sich den Angaben zufolge als breites zivilgesellschaftliches Bündnis aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zu den Unterstützern zählen über 200 Organisationen, die Deutsch-Israelische Gesellschaft sowie zahlreiche Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Gesellschaft. Schirmherrin der Kundgebung war Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) München, zusammen mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU).
Forderungen: Geiseln befreien und Antisemitismus bekämpfen
Zentrale Forderungen der Demo und einer Petition sind Maßnahmen gegen Antisemitismus in Europa sowie die Freilassung aller Geiseln nach dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023. Noch immer befinden sich nach israelischen Angaben 48 Geiseln im Gazastreifen, mindestens 20 von ihnen sollen noch am Leben sein.
Die Schirmherrschaft über die Kundgebung haben die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) übernommen. Auch die bayerische evangelische Landeskirche und das Münchner Erzbistum sowie hunderte weitere Organisationen unterstützen die Kundgebung.
Die dazugehörige Petition "Nie wieder heißt Jetzt - Fünf Punkte gegen Antisemitismus!" haben inzwischen rund 35.000 Menschen (Stand: Oktober 2025) unterschrieben.
Zufrieden sei er dennoch nicht, "denn Hunderttausende sehen unsere Petition, aber nur ein Bruchteil unterzeichnet", so Katz. Dasselbe Bild ergebe sich bei Unternehmen, die man zur Unterstützung des Fünf-Punkte-Planes angefragt habe.
"Viele reagieren überhaupt nicht. Dieses Schweigen ist leider bezeichnend - und macht die Arbeit noch wichtiger", sagte Katz.
Fünf-Punkte-Plan gegen Judenhass mit konkreten Maßnahmen
Die Initiative fordert gezielte Maßnahmen gegen Antisemitismus:
- Bildung und Begegnung sollen durch verpflichtende Inhalte und Austauschprogramme gestärkt werden.
- Recht und Schutz jüdischen Lebens müssen durch klare gesetzliche Regelungen und Antisemitismusbeauftragte gesichert sein.
- Jüdisches Leben soll sichtbar und sicher in der Gesellschaft verankert werden – etwa durch Schutz jüdischer Einrichtungen und arbeitsrechtliche Absicherung von Feiertagen.
- Partnerschaften und jüdische Kultur sollen durch Förderung, Städtepartnerschaften und wissenschaftliche Kooperationen unterstützt werden.
- Schließlich wird ein europaweites Monitoring gefordert, inklusive Fortschrittsberichten und grenzüberschreitender Zusammenarbeit mit Israel.
Breites Bündnis aus dem deutschsprachigen Raum
Weder der Krieg in Gaza noch politische Entscheidungen in Israel könnten jemals ein Vorwand sein, Jüdinnen und Juden zu hassen, anzugreifen oder auszugrenzen, sagen die Organisatoren. Zu oft schauten Politik und Gesellschaft weg, wenn jüdische Menschen bedroht, beleidigt oder diskriminiert werden.
Die Organisatoren bezeichnen sich selbst als breites Bündnis aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Schirmherren des Fünf-Punkte-Planes sind Charlotte Knobloch, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, und Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos).
Minister Weimer: Juden haben Angst in Deutschland
Im Vorfeld der Großkundgebung "DACH gegen Hass" hatte Wolfram Weimer, Staatsminister für Kultur und Medien erklärt: "Die bittere Wahrheit, vor der wir stehen, ist die: Jüdinnen und Juden haben wieder Angst in Deutschland – und das ist unerträglich. Der Antisemitismus ist mitten unter uns. In unseren Straßen, in unseren Schulen und – ja, auch im Kulturbetrieb."
Vor diesem Hintergrund betonte er: "Kultur darf niemals zum Werkzeug der Ausgrenzung werden. Sie ist das Fenster in die Welt des Anderen." Weimer äußerte sich besorgt über die zunehmende Ausgrenzung jüdischer Kulturschaffender in Deutschland und Europa. Öffentliche Boykottaufrufe, Anfeindungen und Ausladungen – zuletzt gegenüber dem israelischen Dirigenten Lahav Shani oder jüdischen Künstlerinnen beim Eurovision Song Contest – seien nicht hinnehmbar. "Wir dürfen nicht zulassen, dass sich die Schlinge der Intoleranz weiter zuzieht," so Weimer. "Und wir dürfen nicht hinnehmen, dass das Fenster zum Anderen von Ideologie und Menschenhass verdunkelt wird."
Staatsminister Weimer rief dazu auf, nicht nur am heutigen Tag, sondern an jedem Tag des Jahres Haltung zu zeigen: "Es genügt nicht, Antisemitismus zu bedauern, die Vorfälle zu betrauern. Wir müssen handeln."