Was bedeutet Gender?

"Gender" ist ein Begriff aus dem Bereich der Sozialwissenschaften, der sich auf die sozialen, kulturellen, psychologischen und Verhaltensaspekte von Geschlechtern bezieht. Im Gegensatz zu "Sex" (biologisches Geschlecht), das auf den körperlichen Merkmalen wie den Fortpflanzungsorganen basiert (meist männlich oder weiblich), bezieht sich Gender auf die sozial konstruierten Rollen, Verhaltensweisen, Erwartungen und Identitäten, die einer bestimmten Geschlechterkategorie zugeschrieben werden.

Gender wird dabei in zwei Kategorien unterteilt:

  1. Geschlechterrolle: Dies bezieht sich auf die Erwartungen, Normen und Verhaltensmuster, die eine Gesellschaft an bestimmte Geschlechter stellt. Zum Beispiel können traditionelle Geschlechterrollen vorschreiben, dass Männer eher dominant, rational und stark sein sollten, während Frauen eher fürsorglich, emotional und schwach sein sollten. Diese Rollen können sich jedoch in verschiedenen Kulturen und Zeiten unterscheiden und sind somit sozial konstruiert.

  2. Geschlechtsidentität: Dies beschreibt das individuelle Empfinden und die innere Vorstellung einer Person darüber, zu welchem Geschlecht sie gehört. Menschen können sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde (cisgender), oder sie können sich als einem anderen Geschlecht zugehörig fühlen (transgender). Es gibt auch andere Identitäten wie nicht-binär, genderqueer usw., bei denen Personen sich außerhalb der binären Geschlechtersysteme sehen.

Die Unterscheidung zwischen Sex und Gender verdeutlicht, dass Geschlecht keine rein biologische Eigenschaft ist, sondern auch durch soziale und kulturelle Faktoren beeinflusst wird. Die Betrachtung von Gender ermöglicht es, Geschlechterstereotypen zu erkennen und zu hinterfragen, Ungleichheiten zu analysieren und die Vielfalt der Geschlechtsidentitäten anzuerkennen.

In den letzten Jahrzehnten hat die Diskussion über Genderfragen erheblich zugenommen, da viele Menschen für Geschlechtergerechtigkeit und die Anerkennung verschiedener Geschlechtsidentitäten kämpfen. Dies hat zu einer zunehmenden Sensibilisierung für die soziale Konstruktion von Geschlecht geführt und die Notwendigkeit betont, Vorurteile und Diskriminierung aufgrund von Geschlecht zu überwinden. 

Auf der anderen Seite hat sich eine hartnäckige Minderheit herausgebildet, die mit teilweise kruden Argumenten gegen die diesbezügliche Aufklärung und Dekonstruktion von Vorurteilen kämpft. Insbesondere am Thema gendergerechte Sprache entzündet diese Gruppe oft sehr heftige Diskussionen. 

Wie geht die Kirche mit Gender um?

Das ist pauschal schwer zu beantworten. Das Verhältnis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu Gender ist komplex, es gibt sehr unterschiedliche theologische und gesellschaftliche Perspektiven darauf. Die EKD besteht bekanntlich aus verschiedenen evangelischen Landeskirchen, und somit variieren die Positionen zur Gender-Thematik in den einzelnen Landeskirchen.

Davon abgesehen gibt es innerhalb der evangelischen Kirche in Deutschland drei mehr oder weniger große inhaltliche Ansätze zum Thema Gender:

  1. Gendergerechtigkeit und Geschlechtergerechtigkeit: Ein Teil der evangelischen Kirche in Deutschland befürwortet die Gleichstellung von Frauen und Männern und setzt sich für Geschlechtergerechtigkeit ein. Das bedeutet, dass sie auf eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in allen kirchlichen Bereichen, einschließlich Leitungsfunktionen, abzielen. Die Kirche setzt sich dabei für eine Überwindung traditioneller Geschlechterstereotype und für die Anerkennung der Vielfalt von Geschlechtsidentitäten ein.

  2. Kritische Haltung: Es gibt jedoch auch kirchliche Strömungen, die eine kritische Sicht auf die Gender-Thematik haben. Einige argumentieren, dass eine zu starke Betonung der Geschlechtervielfalt gegen biblische Grundsätze verstößt und traditionelle Geschlechterrollen unterstützt werden sollten.

  3. Diskussion über Theologie und Gender: Die Evangelische Kirche in Deutschland führt auch theologische Diskussionen über Geschlecht und Gender. Es werden Fragen nach der biblischen Sicht auf Geschlecht und sexuelle Identität gestellt und wie diese in einer sich wandelnden Gesellschaft zu verstehen sind.

Die EKD unterhält seit 2014 ein Studienzentrum für Genderfragen in Kirche und Theologie. Dieses widmet sich der Auswertung wissenschaftlicher Forschungsansätze. Es hat die Aufgabe, Diskurse rund um Geschlechterverhältnisse zu verfolgen und für die kirchliche Praxis auszuwerten. Im Fokus steht dabei die Frage, wie die Kirche von den aktuellen Forschungsergebnissen profitieren kann. Von Interesse sind dabei die genderrelevanten Ansätze aus verschiedenen Fach- und Forschungsgebieten und auch interdisziplinäre Projekte. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der wissenschaftlichen Theologie, den Sozialwissenschaften und den Gender Studies. 

Wie steht die bayerische Landeskirche zum Thema Gender?

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB) vertritt im Allgemeinen eine liberale und progressive theologische Ausrichtung. Dies zeigt sich in ihrem Bekenntnis zur Gleichstellung von Frauen und Männern in vielen Bereichen des kirchlichen Lebens, einschließlich der Ordination von Frauen als Pfarrerinnen und der Zulassung von Frauen in Leitungspositionen.

Die ELKB setzt sich für Geschlechtergerechtigkeit und die Anerkennung der Vielfalt von Geschlechtsidentitäten eingesetzt. Dies bedeutet, dass die Kirche bemüht ist, Geschlechterstereotype zu überwinden und Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu bekämpfen. Die Landeskirche setzt sich für die Teilhabe und Mitbestimmung von Frauen in allen kirchlichen Angelegenheiten ein. Einzelne Mitglieder oder auch Amtsinhaber mögen dies freilich anders sehen. 

Kirche & Queer: Ein Lexikon

Der Begriff "queer" steht für Personen, deren sexuelle Orientierung nicht heterosexuell ist, sowie Geschlechtsidentitäten, die nichtbinär oder nicht-cisgender sind. In unserem Sonntagsblatt-Lexikon erklären wir die Begriffe – und erläutern, wie die evangelische Kirche zum Thema steht; oder wir stellen Personen vor, die sich mit einem der Begriffe identifizieren.

Hier geht es zum Sonntagsblatt-Lexikon "QUEER".

Kommentare

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Die 95 Thesen am Mo, 21.10.2024 - 17:45 Link

Nun die einseitige Gleichschaltung bei diesem Thema als „Diskussion“ zu betrachten finde ich lächerlich. Aber kommen wir zum wesentlichen.
Zu differenzieren ist in diesem Feld, wie von Ihnen in einem anderen Beitrag zutreffend festgestellt, zunächst zwischen subjektiver und objektiver Geschlechteridentität sowie dem Begriff der Geschlechtergerechtergerechtigkeit.
Letzterer steht nachfolgend selbstverständlich nicht zur Debatte.
Viele Gläubige nehmen am Begriff der Geschlechteridentität Anstoß, zu denen ich mich, wär hätt’s erraten, ebenfalls zähle.
Meine nachfolgenden Ausführungen beziehen sich ausdrücklich nicht auf die subjektive Geschlechteridentität, da es jedem selbst vorbehalten ist, wie er sich sieht.
Vielmehr beabsichtige ich hiermit der objektiven Geschlechteridentität sowie der LGBTQ usw. Bewegung Einheit zu Gebieten.
Zwischen subjektiver und objektiver Geschlechteridentität besteht der Unterschied darin, dass ich bei der subjektiven Variante die mir durch unser Grundgesetz gegebene Freiheit einfordere, mein Leben und auch meine Person frei zu entfalten, was selbstverständlich absolut rechtmäßig ist. Die objektive Variante hingegen endet oftmals nicht in der eigenen Rechtssphäre, da ich nicht nur versuche einzufordern, mich selbst zu sehen, wie ich es für richtig halte, sondern den Versuch unternehme, andere zu zwingen mich ebenfalls so zu sehen.

Nun zu den Theologischen Aspekten.
In der Bibel gibt es keine, aber auch wirklich keine Stelle, in der auf andere, undefinierte Geschlechter hingewiesen wird.
Die Rede ist von Mann und Frau. Wenn man es ganz genau nehmen will: „Mann und Männin, denn vom Mann ist sie genommen“. Aber so weit wollen wir nun wirklich nicht gehen…

2. Nachfolgende Meinungsäußerung bezieht sich nicht auf einzelne homosexuelle oder multigeschlechtliche Individuen, sondern auf die LGBTQ-Bewegung.
Zuallererst ist festzustellen, dass es sich hierbei um eine politische Bewegung handelt. Auch die feministischen Einflüsse wurden vom Autor herausgearbeitet, verkannt wurde jedoch, dass nicht jede Bewegung, die den Kampf gegen den Feminismus für sich proklamiert auch eine ist. Es gibt hunderte, wenn nicht tausende Bewegungen dieser Art und nicht wenige davon waren militant bis extremistisch veranlagt.
Nun zu den so umstritten Aussagen.
Die LGBTQ-Bewegung weist starke Überschneidungen mit der Lehre der Nikolaiten auf, dessen Vorgänger die Lehre des Bileams war. Es gibt eben nichts Neues unter Sonne.
Weiterhin warnte uns auch Paulus im Römerbrief, Röm 18, 1, 18-25 vor einer ähnlichen Bewegung.
Andere Auslegungsweisen sind gerne willkommen.
Und darauf bezugnehmend halte auch ich diese Bewegung ihrem Kern, ihrem Geiste nach für einen Angriff auf die Schöpfungsordnung Gottes und der Kirche, denn ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht.

PeterG am So, 06.08.2023 - 08:07 Link

"Auf der anderen Seite hat sich eine hartnäckige Minderheit herausgebildet, die mit teilweise kruden Argumenten gegen ..."
Das entspricht nicht den Fakten. Sicherlich gibt es auch solche Leute. Nach Umfragen ist die Mehrheit gegen Gender, auch Wissenschaftler, die in ihrem Fachgebiet anerkannt gelten, argumentieren dagegen.

Florian Meier am Mi, 23.10.2024 - 08:50 Link

Ich glaube da geht einiges durcheinander. Es ist nicht das Konzept von Gender, das mehrheitlich abgelehnt würde sondern die gegenderte Sprache, die je nach Umfrage mehrheitlich auf mehr oder weniger große Ablehnung stößt, wobei sich diese in der Regel auf bestimmte Formen (gegen das etablierte sehr geehrte Damen und Herren haben die Kritiker meist nichts) richtet. Ansonsten finde ich den Artikel ziemlich platt, denn hier werden künstliche Kategorien eingeführt (progressiv vs irgendwie krude), die zum Einen grob vereinfachen und zum anderen an der Realität vorbei gehen - als gäbe es nur diese Wahl. Genauso könnte man argumentieren, dass eine Seite aus Geschlechtsleugnern und die andere aus Realisten oder Anhängern der Naturwissenschaften besteht (was genauso eine falsche Simplifizierung wäre). Die Wahrheit ist, dass hier Minderheiten einer breiten differenzierteren Mehrheit ihre jeweils sehr ideologischen Sichtweisen aufdrücken wollen, die da sind: Alles was es zu Mann und Frau an Rollen, Stereotypen und Regelungen gibt ist quasi gottgewollt und vor allem unabänderlich vs die Unterscheidung von Männern und Frauen ist eine fiese Unterdrückungsmasche von Ewiggestrigen Männern (sic!). In Wahrheit bestimmt jeder sein Geschlecht selbst. Der Artikel gibt dieser Lagerbildung, die realitätsfremd und irrational ist Zucker. Weder hat Gott unveränderliche Rocklängen und Aufteilung der Hausarbeit endgültig definiert noch ist die Leugnung biologischer Differenzen dem Fortbestand der Menschheit dienlich. Fast alles andere ist Verhandlungssache. Statt dumpfen Extrempositionen das Wort zu reden und sich an Diffamierungen zu beteiligen sollte sich Kirche neugierig bei der Aushandlung mitmachen unter Beachtung des Schutzes der Schwächeren und der Rechte aller auf Teilhabe. Kränkungen sind dabei nicht ausgeschlossen, aber als Christen können wir beachten, dass sie nicht das emotionale Ende des Prozesses sind. Die Landeskirche scheint mir da mittlerweile im Eifer um die progressive Spitzenposition eher ideologisch etwas verengt. Schade, denn eigentlich sollte Gott die Füße doch auf weiten Raum stellen? Ganz praktisch gesehen ist es erfreulich, dass unser Blick auf Geschlecht heute vielschichtiger ist, aber es gibt auch besorgniserregende Entwicklungen wie eine starke Verunsicherung im Selbst gerade junger Menschen mit gesundheitlichen Folgen und eine demographische Entwicklung, die man zwar global als gut, aber regional als nicht sehr zukunftsversprechend ansehen muss. Auch Identität als politische Kampfzone mit Abgleiten in Vernichtungsphantasien und extremistische Gewalt ist ein Element unserer Zeit, was hauptsächlich (wie immer) Minderheiten, bisweilen aber auch vermeintlich die Stärkeren betrifft und wenig Anlaß zur Freude gibt. Dabei wäre es durchaus interessant erst einmal nach den Gründen für die offensichtlichen Veränderungen der Gesellschaft zu suchen. Das könnte allerdings am eigenen Heldenmythos kratzen: Entwertung der eigenen Körperkraft angesichts der Erfindung von Massenvernichtungswaffen im 20. Jh., Kapitalismus mit dem Bedarf an auszubeutender Arbeitskraft, in der Tat logischen Widersprüchen klassischer Machtverteilung und dem Anspruch von Freiheits- und Menschenrechten, der Entfremdung der Menschen von der Natur usw.. Weitere Verbeulungen des eigenen Selbstverständnisses sind zu erwarten und wahrscheinlich unausweichlich. Das wird neben finsteren CIS-Männern auch bei Frauen, Kindern und denen die in kein Schema zu passen scheinen nicht ganz erspart bleiben. Das Ziel muss sein gut hindurch und heiler heraus zu kommen.