Der Bundestag hat im April 2024 das Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet. Der Gesetzentwurf von Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) sieht vor, es trans- und intergeschlechtlichen sowie nicht binären Menschen zu erleichtern, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen ändern zu lassen.
Das Selbstbestimmungsgesetz löste damit ab 1. November 2024 das bisherige Transsexuellengesetz ab, das deutlich restriktiver ist. Nach geltendem Recht ist eine Änderung des Geschlechtseintrags nur durch einen gerichtlichen Beschluss möglich, der eine Begutachtung durch zwei Sachverständige voraussetzt. Betroffene schildern das Verfahren als entwürdigend. Künftig reicht eine entsprechende Erklärung beim Standesamt, ob der Geschlechtseintrag "männlich", "weiblich" oder "divers" lauten soll.
Es bestand Handlungsbedarf: Das Bundesverfassungsgericht hatte das seit mehr als 40 Jahren gültige Transsexuellengesetz in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig erklärt.
Die wichtigsten Änderungen im Überblick
- Trans- und intergeschlechtliche sowie nicht-binäre Menschen müssen künftig kein gerichtliches Verfahren mehr durchlaufen, um ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen im Personenstandsregister ändern zu lassen.
- Auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist nicht mehr Voraussetzung für eine Änderung. Vielmehr reicht eine sogenannte "Erklärung mit Selbstvergewisserung" gegenüber dem Standesamt aus. In dieser Erklärung muss die antragstellende Person versichern, dass die beantragte Änderung ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht und sie sich der Tragweite der mit der Erklärung verbundenen Folgen bewusst ist.
- Die Änderung des Geschlechtseintrages und der Vornamen muss drei Monate vor der Erklärung beim Standesamt angemeldet werden.
- Für eine erneute Änderung gilt eine Sperrfrist von einem Jahr ab der letzten Änderungserklärung.
Für Minderjährige gelten folgende Regelungen:
- Für Minderjährige bis zum 14. Lebensjahr können die Erziehungsberechtigten die Änderungserklärung abgeben; die Minderjährigen selbst können die Änderungserklärung nicht abgeben.
- Minderjährige ab 14 Jahren können die Änderungserklärung selbst abgeben. Ihre Wirksamkeit hängt aber von der Zustimmung der Sorgeberechtigten ab. Diese Zustimmung kann durch das Familiengericht ersetzt werden. Maßstab ist – wie im Familienrecht allgemein – das Kindeswohl.
- Eintragung als "Elternteil" in die Geburtsurkunde: Eltern erhalten die Möglichkeit, in die Geburtsurkunde ihrer Kinder "Elternteil" anstelle von "Vater" oder "Mutter" eintragen zu lassen.
Offenbarungsverbot und Hausrecht:
- Um Personen vor einem Zwangsouting zu schützen, ist es – wie im geltenden Recht – auch künftig verboten sein, frühere Geschlechtseinträge oder Vornamen auszuforschen und zu offenbaren. Wird eine betroffene Person durch die Offenbarung vorsätzlich geschädigt, ist die Ordnungswidrigkeit bußgeldbewehrt. Ein generelles Verbot des so genannten "Misgendering" oder "Deadnamings" ist allerdings nicht vorgesehen.
- Es gibt jedoch auch Ausnahmen vom Offenbarungsverbot. Damit wird sichergestellt, dass sich niemand durch die Änderung des Geschlechtseintrages und des Vornamens der Strafverfolgung entziehen kann.
- Das Selbstbestimmungsgesetz lässt das private Hausrecht und die Vertragsfreiheit unberührt. Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wird durch das Selbstbestimmungsgesetz nicht berührt. Für den Zugang zu geschützten Räumen (beispielsweise eine Frauensauna) wird sich durch das Selbstbestimmungsgesetz also nichts ändern.
Reaktionen aus der Kirche: Lob und Kritik
Die Reaktionen aus dem kirchlichen Bereich fallen unterschiedlich aus – sofern es überhaupt welche gibt.
Der Vorsitzende der Evangelischen Jugend in Bayern (EJB), Malte Scholz, sagte gegenüber Sonntagsblatt: "Ich freue mich sehr, dass die jahrelange gesetzliche Stigmatisierung und Diskriminierung von Transpersonen endlich durch das neue Selbstbestimmungsgesetz abgeschafft werden und Transpersonen, die Rechte gewährt werden, die sie schon lange verdient hatten." Die Transition sei ein großer Schritt für betroffene Personen, der ihnen ermögliche, sie selbst zu sein. Hierbei brauche es Unterstützung und Beratung statt Kontrolle und Einschränkung wie bisher:
"Dieses Gesetz ist ein großer Schritt für die Queerfreundlichkeit Deutschlands."
Der Dachverband der Evangelischen Frauen in Deutschland (EFiD) begrüßte das Selbstbestimmungsgesetz bereits bei der Vorstellung im Sommer 2023. Eske Wollrad, Geschäftsführerin des Vereins, erklärte, "das Geschlechtsempfinden eines jeden Menschen muss ernst genommen werden."
Schon im Herbst 2022 habe der Dachverband ein Positionspapier verabschiedet, das die Aufhebung der sozialen und rechtlichen Diskriminierung von trans, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen fordere.
"Das Eintreten für Geschlechtergerechtigkeit heißt für uns evangelische Frauen auch, dass wir uns gegen jede Form von Transfeindlichkeit stellen – auch wenn sie aus feministischen Reihen kommt. Für uns sind trans Frauen Frauen", teilt Wollrad mit.
Kritik am neuen Gesetz beziehungsweise an der Haltung der Kirche dazu kommt vom konservativen Arbeitskreis Bekennender Christen (ABC) aus Bayern. Mit dem Gesetz werde "die gute Schöpfungsordnung Gottes infrage gestellt", heißt es in einer Erklärung des ABC. Zudem bedauere man, dass sich die Kirchen größtenteils nicht mit biblisch-theologischen Argumenten an der Debatte beteiligt hätten.
Der ABC argumentiert:
"Der Mensch lebt nicht mehr im Vertrauen auf seinen Schöpfer, sondern behauptet, er wisse es besser. Er handelt so, als wäre er nicht Geschöpf, sondern Schöpfer; nicht Mensch, sondern Gott. Dieses Verhalten nennt die Bibel Sünde."
Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) begrüßt den Beschluss des Selbstbestimmungsgesetzes als "Meilenstein", sieht aber für Kinder und Jugendliche noch Verbesserungsbedarf:
""Selbstbestimmung und Gleichberechtigung sind keine Zugeständnisse, sondern unveräußerliche Rechte, auch für Kinder und Jugendliche. Wir setzen uns weiter dafür ein, dass diese Rechte für alle Menschen umfassend gewährleistet werden."
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