Der Nürnberger evangelische Regionalbischof Stefan Ark Nitsche spricht von einer "Chance, die wir kein zweites Mal bekommen werden". Mitten in der Stadt Nürnberg könnte die Kirche "in einer freundlichen, offenen Weise in der Stadtgesellschaft zeigen, wer wir sind".

Die Rede ist von der ehemaligen Oberpostdirektion in Nürnberg am Rathenauplatz, einer rund 50 Jahre alten Betonburg, die die evangelische Landeskirche vor drei Jahren für 49 Millionen Euro gekauft hat. Sie soll zu einem "Evangelischen Campus Nürnberg" (ECN) werden, so die Vorstellung vieler Verantwortlicher.

Die Immobilien

Aller Voraussicht nach wird der Finanzchef der Landeskirche, Erich Theodor Barzen, das Großprojekt der evangelischen Landessynode bei den Haushaltsberatungen im November vorschlagen.

Derzeit stünden noch einzelne Prüfungen zu Vermietungen und Verwertungen der Immobilien aus, die frei werden, wenn verschiedene Einrichtungen in das ECN umsiedeln, erklärt er.

"Wir gehen verantwortungsvoll mit den Steuergeldern unserer Mitglieder um und wir werden Gebäude nur dann umgestalten, wenn es sich unter dem Strich rechnet", sagt Barzen im Gespräch mit dem Sonntagsblatt.

Der Finanzierungsplan

100 Millionen Euro sollen in den Umbau fließen. Der Finanzierungsplan sieht vor, die Hälfte der Summe fremd zu finanzieren und ein Viertel dieser Summe aus kirchlichen Eigenmitteln zu nehmen. Außerdem rechnet man mit 25 Prozent staatlicher Förderung.

2023 soll dann die Adresse Bayreuther Straße 1 nicht mehr an den grauen Telekom-Klotz erinnern. Dann soll da ein "studentischer Marktplatz" sein, es soll begrünte Dachterrassen geben, eine Fassade mit Elementen aus Glas und anderen Materialien soll "dem Gebäude eine Tiefenwirkung geben", stellt sich der Architekt der Landeskirche, Sebastian Hagemann, das Projekt vor.

"Offen und naturbewusst, die Schöpfung bewahrend" werde das Gebäude kirchliche Werte widerspiegeln.

Ein Projekt für alle Nürnberger

Eine "Heavens-Lounge" auf dem Dach mit dem Blick auf die Burg soll eine Attraktion für alle Nürnberger sein, so zeigt es eine zwölfseitige farbige Zeitung, die den Kirchenparlamentariern bei ihrer konstituierenden Sitzung am vergangenen Wochenende ausgehändigt wurde.

Sie soll ein Beitrag zur "offenen und ehrlichen Kommunikation im kirchlichen Geist sein", schreibt Synodenpräsidentin Annekathrin Preidel im Vorwort. "Von der Betonkiste zum Stadt-Lächeln" ist der Artikel über die Pläne der Architekten überschrieben.

Er setze darauf, dass sich in der Stadt herumspreche, "dass hier Lebendigkeit da ist, dass du hier was für dein Leben bekommst, dass es gut tut, hier zu sein", schwärmt Regionalbischof Nitsche im Gespräch mit dem Sonntagsblatt. Die Kirche stehe vor der großen Herausforderung, "den Schatz des Evangeliums vom menschenfreundlichen Gott und der Freiheit des Menschen auf der Höhe der Zeit weiterzugeben und Menschen neugierig zu machen auf das, was uns wichtig ist".

Das könne auch mit einem solchen Gebäude geschehen, sagt Nitsche.

Keine Nachteile für das Projekt durch Corona

Corona und zurückgehende Kirchensteuereinnahmen haben das Projekt nicht gebremst. Wie Barzen erklärt, muss die Landeskirche ohnehin Investitionen tätigen, um Gelder für langfristige Verpflichtungen wie die Altersversorgungen zurückzulegen.

Der Kauf des Gebäudes mit rund 25.000 Quadratmeter Bürofläche war zunächst als sogenannte Ertragsimmobilie geplant. Sorgen habe er sich in den Corona-Monaten nur um den Nürnberger Immobilienmarkt gemacht. Heute sei er aber überzeugt, dass sich der stabil weiterentwickeln werde und im Vergleich zu anderen Großstädten noch ein Aufholpotenzial habe, sagt Barzen.

Die Zukunft der Gebäude

Einziehen sollen in den Komplex unter anderem die Evangelische Jugend, das Amt für Gemeindedienst oder der CVJM. Besonders hohen Platzbedarf haben aber die Akademien der Rummelsberger Diakonie und die Evangelische Hochschule Nürnberg. Die leidet unter großer Raumnot, denn die bisherigen Gebäude sind nur für 750 Studierende ausgelegt. Heute hat die Hochschule bereits 1.500 Studentinnen und Studenten. Außerdem ist vorgesehen, externe Mieter zu finden, "die zu uns passen", sagt Nitsche. Er kann sich außerdem vorstellen, das ECN zum Tagungsort der Landessynode zu machen.

Kritik aus Gemeinden

Es gibt Skeptiker, die befürchten, dass ein solch teures Vorhaben schlechte Stimmung in den Gemeinden verursacht, die doch häufig über Geldmangel und Sparmaßnahmen klagen. Andere sehen noch Risiken in zusätzlich nötigen Baukosten oder darin, dass in Zeiten zunehmender Digitalisierung in Zukunft große Begegnungsstätten nicht mehr gefragt sein könnten.

Sollten die Synodenmitglieder das Großprojekt ablehnen, gäbe es zwei Möglichkeiten: die weitere Vermietung oder der Verkauf des Gebäudes. Dann aber hätten viele kirchliche Einrichtungen in Nürnberg ein Problem, sagt Regionalbischof Nitsche. "Wir müssen dann noch mal ganz von vorne anfangen zu denken."