Ein Pfarrer wird zum Dekan ernannt, hat aber keine Lust, für die neue Stelle seinen bisherigen Wohnort zu verlassen. Also zieht nicht der Dekan um – Julius Knoell übrigens sein Name – sondern sein Amtssitz zieht zu ihm. Klingt kurios, soll sich aber genau so zugetragen haben, 1918 in Neu-Ulm. Bis dahin und seit 1810 war Leipheim Sitz des evangelischen Dekanats in Bayerisch-Schwaben.

Sitz des Dekanats Neu-Ulm war einst Leipheim

Am 3. August 1918 also wurde der Dekanatssitz ins 24 Kilometer entfernte Neu-Ulm verlegt. Dazu habe sich "seine Majestät der König allergnädigst bewogen gefunden", so hieß es damals im Amtsblatt der evangelischen Landeskirche. Kurios auch dies: Erst gut 30 Jahre später, 1947, wurde der Name der neuen Adresse angepasst und das Dekanat Leipheim in Dekanat Neu-Ulm umbenannt.

Das heutige evangelische Dekanat Neu-Ulm mit Dekan Jürgen Pommer an der Spitze gehört zum Kirchenkreis Augsburg und erstreckt sich auf das Gebiet der Landkreise Neu-Ulm, Günzburg und Dillingen. Es reicht von Neu-Ulm bis Thannhausen und von Illertissen bis Höchstädt bei Dillingen. Zu den 26 Kirchengemeinden gehören rund 50.000 evangelische Christinnen und Christen.

Reutti: Marienaltar in evangelischer Kirche

Wer sich für besondere und geschichtsträchtige Kirchen interessiert, auf den wartet in Reutti, einem Stadtteil von Neu-Ulm, eine Entdeckung: Die wunderschöne St. Margaretha-Kirche aus dem 13. Jahrhundert wurde der Heiligen Margaretha geweiht. Ungewöhnlich ist der mittelalterliche Marienaltar, der Geburt, Leben und Sterben Marias zeigt – auch Marias Eltern Joachim und Anna sind in einer Szene zu sehen – und als eines der schönsten Kunstwerke der Ulmer Schule gilt.

Als Ulm und Neu-Ulm getrennt wurden

Aber nochmal zurück zum Anfang: Das Dekanat besteht seit dem 8. Dezember 1810. Dass es zu der Gründung kam, ist dem Vertrag von Paris vom 18. Mai 1810 geschuldet, den die Königreiche Bayern und Württemberg unterzeichnet hatten.

Darin hatten sie sich auf einen Gebietsaustausch geeinigt. Damals musste Bayern – die einstige Freie Reichsstadt Ulm war ab 1802 bayerisch – das Stadtgebiet links der Donau und den größten Teil des ulmischen Territoriums an Württemberg abtreten. Also auch das gotische Ulmer Münster, heute die größte evangelische Kirche in Deutschland mit dem höchsten Kirchturm der Welt.

Lange protestantische Tradition

Einzig das Stadtgebiet rechts der Donau, das heutige Neu-Ulm, blieb bei Bayern. Außerdem die Ortschaften Holzschwang, Leipheim, Pfuhl, Reutti, Riedheim und Steinheim. Diese Gemeinden sind die ältesten Gemeinden im Dekanat Neu-Ulm an der Donau und haben teilweise eine lange protestantische Tradition.

"Eine gewisse Vorreiterrolle in Sachen Glaubenserneuerung spielte Leipheim bereits 1523, als Pfarrer Jakob Wehe begann, im Sinne Martin Luthers zu predigen", schreibt Erich Broy in seiner Chronik des Dekanats Neu-Ulm.

"Diese Entwicklung wurde jäh unterbrochen durch die erste blutige Schlacht des Bauernkrieges am 4. April 1525 bei Leipheim und den tags darauf erfolgten gewaltsamen Tod Wehes: Er wurde enthauptet."

Fünf Jahre später, 1530, stimmten die abstimmungsberechtigten Männer der Reichsstadt Ulm mit großer Mehrheit für die Einführung der Reformation. Zunächst folgten die Gläubigen der Lehre Zwinglis, nach dem Augsburger Religionsfrieden 1555 der Lehre Luthers. In den Jahren danach wurden weitere Orte evangelisch, so etwa Burtenbach (1546), Bächingen (1576) und Haunsheim (1603).

Viele evangelische Gemeinden entstanden im 19. und 20. Jahrhundert

Doch viele evangelische Gemeinden im Gebiet des heutigen Dekanats Neu-Ulm entstanden erst im 19. und 20. Jahrhundert. In Dillingen 1851, in Neu-Ulm 1867. Die Zahl der Protestanten in der Gegend stieg nach dem Zweiten Weltkrieg stark an: Denn zahlreiche Vertriebene evangelischen Glaubens zogen – wie auch andernorts in Bayern – in die Industrieregion im bayerisch-württembergischen Grenzgebiet.

Dekanat Neu-Ulm

Petrusplatz 8
89231 Neu-Ulm
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