Als trans* (transident, transsexuell, transgender) bezeichnen sich Menschen, die sich nicht – oder nicht nur – mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Das Spektrum sei dabei breit, sagt Petra Weitzel von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti).

Es reiche von Menschen, die ihre Geschlechtsrolle nur sozial wechselten, bis hin zu solchen, die einige oder alle möglichen geschlechtsangleichenden medizinischen Maßnahmen in Anspruch nähmen und ihr eigentliches Geschlecht rechtlich anerkennen ließen.

Das Sternchen ist dabei als Platzhalter für verschiedene Endungen nach dem Präfix trans gedacht – wie transgender, transident oder transgeschlechtlich – sodass sich möglichst viele Menschen in einem Begriff wiederfinden können.  

trans*

Wie viele es in Deutschland gibt, ist nicht erfasst. Laut Studien des amerikanischen "Williams Institute" und "Gallup" definieren sich in den USA 0,6 - 0,7 Prozent der Erwachsenen als "transgender", das kanadische Statistikamt ermittelte 0,33 Prozent. Wendet man einen solchen Bevölkerungsanteil auf Deutschland an, ergibt das nach Berechnungen der dgti entsprechend bis zu 480.000 Menschen.

Anhaltspunkte bieten daneben die Zahlen über die Anträge zur Vornamen- und Personenstandsänderung nach dem Transsexuellengesetz. Nach Angaben des Bundesjustizamtes waren dies in den Jahren 1991 bis 2020 insgesamt 32.236 Verfahren.

Selbstbestimmungsrecht

Weitzel zufolge gibt es zudem noch eine sehr hohe Dunkelziffer von trans* Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen nie ein Verfahren nach dem Transsexuellengesetz angestrebt haben. Abschreckend sei zum Beispiel, dass für ein Verfahren nach wie vor zwei teure psychiatrische Gutachten nötig seien. Lobbyverbände wie die dgti sehen darin eine Diskriminierung und Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes.

Transition in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern

Im Kirchenparlament der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) hat sich die Synodale Constanze Pott im Frühjahr 2023 als erste trans Frau geoutet. Pott trat vor den über 100 Synodalen an das Rednerpult und stellte sich den Mitgliedern der Landessynode und den anwesenden Gästen in einer bewegenden Rede als trans Frau vor. Darin sagte sie unter anderem: "Aus Philipp wird Constanze - sonst ändert sich nix." 

Manchmal müsse man "neu anfangen, die Perspektive wechseln oder auf eine Transition gehen oder vielleicht etwas anders oder gar quer denken. Auch wenn man(n) wie ich das 30/40 Jahre anders gemacht und gelernt hat und doch eigentlich nur krampfhaft verdrängt oder vergessen hat." Dies könne "eine Befreiung sein, ein Bekenntnis, ein Neuanfang!"

Synodale Constanze Pott als erste trans Frau in der ELKB

Im Gespräch mit dem Sonntagsblatt ordnete Pott die Geschehnisse nun einige Monate später ein: "Für die ELKB bedeutete mein Outing zunächst einmal das sichtbare Zeichen, dass das Thema Transidentität in der Synode angekommen ist und - dank des langanhaltenden Applauses - willkommen ist." Dies sei ein starkes Signal und solle vor allem jungen Menschen Mut machen und zeigen, "dass die ELKB ein safe place ist." 

Was die dienstrechtliche Praxis sowie die gemeindliche Akzeptanz von Transidentität angehe, liege allerdings noch ein weiter Weg vor der ELKB.  So müssten zum Beispiel einige Kirchengesetze abgeändert und beispielsweise genderneutral formuliert werden.

Vor allem aber komme es laut Pott auf die Umsetzung in der Praxis an, und zwar "in allen ELKB-relevanten Berufsgruppen, vom Kindergarten über die Pflege bis hin zu Mesnerdiensten, Kirchenmusik und Diakonischen Diensten."

Hier fänden "im Detail - meist durch Unkenntnis - sicherlich noch viele kleine Diskriminierungen statt", so die Synodale. 

Trans* und die ELKB

Für die Zukunft ihrer Kirche wünscht sich Pott in Bezug auf das Thema Queerness "Aufklärung, theologische Handreichungen und die vollkommene Akzeptanz in allen Berufsgruppen."

Bei den jungen Generationen sei das Thema längst angekommen und akzeptiert und diese würden "die Kirche immer stärker danach hinterfragen, ob sie Antworten auch für diese Identitätssuche bereit hat."

Auch als Arbeitgeber müsse sich die ELKB hier öffnen. Zu ihrem eigenen Wirken sagte Pott: "Ich persönlich möchte daran arbeiten, das trans* und queer sichtbar, dokumentiert, erklärt und greifbar wird. In welchen Gemeinden gibt es genderneutrale Toiletten? Wo gibt es spezielle Gottesdienst Angebote in genderneutraler Sprache? Wie gehe ich mit konservativen Positionen und Diskussionen um Bibelstellen um? Als das gibt es schon - irgendwo weit zerstreut in der EKD. Ich möchte die verbleibende und die darauffolgende Synodalperiode dazu verwenden, diese Themen sichtbarer zu machen."

Hasskommentare gegen Predigende auf dem Kirchentag

Erst im Juni war offensichtlich geworden, dass das Thema trans* und Kirche keineswegs gesamtgesellschaftlich akzeptiert ist. So sah sich Constanze Pott im Anschluss an den Kirchentag in Nürnberg einer Welle von Hasskommentaren ausgesetzt.

Pfarrer Alex Brandl hatte sich zuvor in einer Predigt auf dem Kirchentag gegen Ausgrenzung und Diskriminierung gewandt und dabei Pott und der Geschichte ihrer geschlechtlichen Transition Raum gegeben. 

 

Mit Material des epd

Kirche & Queer: Ein Lexikon

Der Begriff "queer" steht für Personen, deren sexuelle Orientierung nicht heterosexuell ist, sowie Geschlechtsidentitäten, die nichtbinär oder nicht-cisgender sind. In unserem Sonntagsblatt-Lexikon erklären wir die Begriffe – und erläutern, wie die evangelische Kirche zum Thema steht; oder wir stellen Personen vor, die sich mit einem der Begriffe identifizieren.

Hier geht es zum Sonntagsblatt-Lexikon "QUEER".

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