Schwester Birgit-Marie, Ende April übernehmen Sie das Amt der Priorin. Wann und aus welchem Grund sind Sie in die Christusbruderschaft Selbitz eingetreten?

Birgit-Marie Henniger: Ich wurde in Münchberg geboren und hatte schon im Alter von 17 Jahren die ersten Kontakte nach Selbitz. Ich war damals auf der Suche und habe mich gefragt, was Gott für mein Leben will. Auch beruflich hatte ich einen Such-Weg mit mehreren Stationen: Ich habe eine Bibelschule besucht, ein paar Semester Grundschullehramt studiert, eine Banklehre absolviert und ein Fachwirtstudium angeschlossen. Durch ein Erlebnis wurde mir schließlich klar, dass mich Gott in eine Lebensform ruft, die ganz auf ihn hin ausgerichtet ist. In der Christusbruderschaft habe ich einen Ort gefunden, an dem ich mit meinem Beruf, mit meinem ganzen Menschen für Gott da sein kann.

 

Wie sind Sie auf die Christusbruderschaft Selbitz aufmerksam geworden?

Birgit-Marie Henniger: Das kam zum einen durch die regionale Nähe und zum anderen haben mich die Weite und die Klarheit des Ordens angesprochen. In der Communität ist jeder willkommen, egal, mit welchem Hintergrund und welcher Frömmigkeitsrichtung.

 

Was waren bislang Ihre Aufgaben in der Communität?

Birgit-Marie Henniger: Im Postulat und im Noviziat habe ich verschiedene Arbeitsbereiche durchlaufen. Aufgrund meines Berufs als Bankfachwirtin war ich sechs Jahre in der Verwaltung und in der Buchhaltung tätig und habe dann bis jetzt elf Jahre lang das Gästehaus geleitet. Mir hat die Aufgabe sehr entsprochen, deshalb fällt mir der Abschied auch nicht leicht. Ich war für 30 Mitarbeiter zuständig, habe mich um die Organisation und Logistik gekümmert, Seminare geleitet und Menschen seelsorgerlich begleitet. So konnte ich helfen, einen Raum zu bereiten, dass Menschen zu sich und zu Gott finden und Kraft tanken können.

 

Was hat Sie dazu bewogen, sich als Priorin zur Wahl zu stellen?

Birgit-Marie Henniger: Die Frage kann ich so eigentlich gar nicht beantworten, denn die Kandidaten werden von den Schwestern vorgeschlagen. Alle Schwestern, die über 20 Prozent der Stimmen einer Vorschlagsliste erhalten, werden gefragt, ob sie sich zur Wahl stellen. Die Frage war für mich weniger, will ich oder will ich nicht, weil ich ja in der Profess versprochen habe, zur Verfügung zu stehen, wo mich Gott braucht. Ich habe gemerkt, dass ich aufgrund meines Gelübdes nicht Nein sagen kann und gehofft, dass es Gott so lenken wird, dass es gut für mich und die Gemeinschaft ist.

 

Erzählen Sie uns doch bitte ein wenig vom Alltag in der Communität.

Birgit-Marie Henniger: Der Alltag in der Communität ist zunächst einmal geprägt durch das gemeinsame Leben, die Gebetszeiten um 6.15, 11 und 17.30 Uhr sowie durch die Komplet und Gottesdienste. Ansonsten sind wir Schwestern in den unterschiedlichsten Arbeitsbereichen tätig, zum Beispiel in der Verwaltung, im Garten, in der Küche, in der Schneiderei oder aber im Gästehaus oder in unserem Pflegeheim.

 

Die Communität ist in vielen Bereichen tätig. Wo werden Sie Schwerpunkte setzen und worin sehen Sie Herausforderung für die Zukunft?

Birgit-Marie Henniger: Mir ist es ganz wichtig, erst einmal zu hören und die Gemeinschaft aus dieser Sicht zu erleben. Ich übernehme ja eine gut aufgestellte und geordnete Gemeinschaft, die ich nun weiterführen darf. Viele Strukturen sind vorhanden und haben sich bewährt. Gleichzeitig hat sich aber auch die Altersstruktur in der Communität verändert, sodass wir schauen müssen, wie wir uns gut ordnen können. Die Ressourcen haben sich verändert und wir werden manche Fragen anders stellen müssen, aber die Grundfrage bleibt die gleiche: Was ist unser Auftrag als Ordensgemeinschaft unter den heutigen politischen und gesellschaftlichen Bedingungen?

 

Welche Rolle spielt Ihre Gemeinschaft innerhalb der Kirche?

Birgit-Marie Henniger: Wir verstehen uns als Glied der evangelisch-lutherischen Kirche und sind dennoch eigenständig. Wir wollen eine gute Ergänzung und für unsere Landeskirche ein gutes Gegenüber sein. Vielleicht können bei uns auch Menschen einen Raum finden, die bisher noch kaum Kontakt zur Kirche hatten. Einen wichtigen Dienst für unsere Kirche sehe ich auch in der Stärkung von Multiplikatoren, von Pfarrerinnen und Pfarrern und anderen hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, zum Beispiel durch das Programm "Atem holen" oder die Ausbildung in geistlicher Begleitung.