Reinhold Thiel, Sprecher der Ulmer Ärzte-Initiative, hat seine Pace-Fahne noch. Als Symbol des Friedens verbreitete sie sich einst von Italien aus über eine Ulmer Gruppe europa- und weltweit. Doch die Fahne hat Konkurrenz bekommen: Ein Friedens-Spatz ist zum Zeichen der neuen Ulmer Friedenswochen geworden: ganz ulmerisch, ganz ohne Farbe und kreisrund – ein Symbol für die eine Welt.

Älteren dürfte der Begriff »Ulmer Friedenswochen« bekannt vorkommen: Es gab sie schon einmal, 1977 ins Leben gerufen von Reinhold Köhler und Menschen um ihn herum wie Reinhold Thiel oder den Soziologen Lothar Heusohn. Einige Jahre lang gab es die Veranstaltungsreihe. Danach folgten Friedenspädagogische Ausstellungen.

Jetzt, 40 Jahre später, kommen die Ulmer Friedenswochen wieder: 226 gewaltsam ausgetragene Konflikte zählten Experten bislang in diesem Jahr, darunter 18 Kriege der höchsten Eskalationsstufe, eräutern die Initiatoren. Grund genug für Reinhold Köhler und andere Friedensbewegte von damals sich mit Jüngeren zusammenzutun, die sich für den Frieden in der Welt einsetzen wollen, und die Friedenswochen zum zweiten Mal zu starten.

 

Die Musikerin Esther Bejarano
Die 96-jährig verstorbene Esther Bejarano überlebte Auschwitz und kämpfte bis zu ihrem Tod gegen alten und neuen Faschismus.

Die Hoffnung der späten 1970er- und frühen 1980er-Jahre auf ein friedlicheres Zeitalter habe sich als Illusion erwiesen, sagt Lothar Heusohn. »Es sind neue Konflikte provoziert worden. Es brennt zu sehr. Wir können es uns nicht mehr leisten, dass lediglich einzelne Leute etwas machen.« 25 Organisationen wollen deshalb in einer gemeinsamen Aktion mit 25 Veranstaltungen vom 1. September bis 17. Oktober über ihre verschiedenen Ausrichtungen hinaus für den Frieden eintreten.

Mehr als Abwesenheit vom Krieg

Frieden wollen die Initatoren dabei nicht nur als die Abwesenheit von Krieg verstanden wissen. Vielmehr wollen sie unter anderem auch für gerechte soziale Zustände im Inneren der Gesellschaft eintreten. Die Ziele der neuen Ulmer Friedenswochen seien es, aufzudecken, was Frieden verhindert, und Alternativen aufzuzeigen. Man wolle Machtstrukturen und Gewaltursachen offenlegen und auf diese Weise möglichst viele Menschen für den Frieden sensibilisieren. Die Ziele beziehen sich auf den innen- wie auf den außenpolitischen, auf den sozialen wie auf den individuellen Bereich, machen die Organisatoren deutlich.

Einer der Höhepunkte der Neuauflage der Ulmer Friedenswochen wird ein Friedensfest am 9. September ab 18 Uhr im Ulmer Einstein-Haus sein: Filme, Vorträge, Friedens-Workshops mit dem Schauspieler Volkram Zschiesche, Kleinkunst und Live-Musik von Disco über Soul bis Beat und Funk warten dann auf das Publikum.

 

INFO

Die Aktionen bei den Ulmer Friedenswochen sind vielfältig: Zum Auftakt am 1. September informiert der DGB-Kreisverband im Haus der Gewerkschaften über »Die 360°-Nato: Mobilmachung an allen Fronten«. In der Stadtbibliothek Ulm wird am selben Tag eine Ausstellung zum Thema Frieden eröffnet. Am 3. September bittet die Regionalgruppe der Tibet Initiative Deutschland zu einer Friedens-Schweigemeditation in der Friedrichsau mit anschließendem Picknick.

An den Ulmer Friedenswochen werden unter anderem der Verein für Friedensarbeit Ulm und die Ulmer Ärzteinitiative beteiligt sein, die den Autor Henrik Paulitz (»Anleitung gegen den Krieg«) am 7. September ins Einstein-Haus eingeladen hat. In der Friedrichsau wird es am 10. September – anknüpfend an die Friedenswochen der 1970er-Jahre – das fünfte Ulmer Friedenskonzert geben, bei dem regionale und überregionale Musiker gratis und unter freiem Himmel Weltmusik spielen.

Der Verein für Friedensarbeit Ulm fragt am 21. September nach der Bedeutung des gewaltfreien Widerstands gegen Hitler für heute. Am 23. September kommen die 92-jährige jüdische Musikerin Esther Bejarano und die Rapper von »Microphone Mafia« ins Stadthaus. Beteiligt an den Friedenswochen ist auch das Haus der Begegnung, eine Bildungseinrichtung der evangelischen Kirche in Ulm.