Das wieder errichtete Berliner Stadtschloss auf der Spreeinsel in der historischen Mitte Berlins ist zwei Jahre nach seiner Eröffnung ein Touristen-Hotspot. Von seiner Dachterrasse hat man einen spektakulären Blick über die Bundeshauptstadt mit dem Berliner Dom und dem Brandenburger Tor.
Das Schloss hat eine wechselvolle Geschichte: Ab 1443 residierten hier die brandenburgischen Kurfürsten, preußischen Könige und deutschen Kaiser. Nach der Revolution 1918 diente es als Kultur- und Wissenschaftszentrum. Im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs brannte das Schloss 1945 teilweise aus. Die eigentlich gut erhaltene Ruine ließ die DDR 1950 trotz internationaler Proteste sprengen – getrieben von der Abneigung gegen das monarchistische Deutschland – und um eine Fläche für einen Aufmarschplatz zu gewinnen, der später mit dem sozialistischen Palast der Republik bebaut wurde.
Das Schloss dient seit seiner Wiedereröffnung 2020 als Sitz des Humboldt Forums
Nach einem Beschluss des Deutschen Bundestags wurde das Schloss ab 2013 für 640 Millionen Euro wiederaufgebaut und dient seit seiner Wiedereröffnung 2020 als Sitz des Humboldt Forums, einer "Begegnungsstätte der Weltkulturen".
Der Wiederaufbau der ehemaligen Hohenzollern-Residenz im neobarocken Stil war umstritten. Kritiker klagten, dem wiedervereinigten Deutschland stehe die Restauration der Hohenzollern-Residenz schlecht an. Doch als die christliche Ausgestaltung der 70 Meter hohen Kuppel über dem Westportal des Schlosses bekannt wurde, geriet der Kulturbetrieb in Aufruhr.
Heftige Auseinandersetzungen bezüglich der Kreuz-Rekonstruktion
Die ersten Entwürfe des italienischen Architekten Franco Stella sahen einen schlichten Abschluss der Kuppel mit einer barocken Laterne vor. Doch 2017 wurde – finanziert durch eine private Millionenspende – ein goldenes Kreuz als "krönender" Abschluss des Wiederaufbaus präsentiert. In der folgenden heftigen Auseinandersetzung standen sich Befürworter und Gegner der Kreuz-Rekonstruktion weitgehend unversöhnlich gegenüber.
Die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) begrüßte das Kreuz als "Symbol für das Christentum, für Nächstenliebe, Freiheit, Weltoffenheit und Toleranz". Der katholische Berliner Bischof Heiner Koch betonte den einladenden Gestus des Kreuzes und verwies auf das historische Vorbild. Auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sagte, das Kreuz auf der Kuppel gehöre als kulturelles und historisches Erbe dazu.
Die Gegner des Kreuzes empörten sich über das christliche Symbol auf einem Gebäude, in dem vor allem außereuropäische Kunst präsentiert werden sollte – unter anderem aus Afrika und Amerika. Gerade auf diesen beiden Kontinenten sei unter dem Deckmantel des christlichen Kreuzes in der Vergangenheit jedoch viel Unheil angerichtet worden, argumentierten sie.
Bibelspruch ist eine Kombination aus zwei Bibelstellen (Apostelgeschichte 4, 12 und Philipper 2, 10)
Die Diskussion eskalierte, als nach dem Abbau der Baugerüste an der Kuppel die original wiederhergestellten biblischen Verse der umlaufenden Inschrift sichtbar waren. In 34 Zentimeter hohen goldgefassten Lettern stand nun weithin sichtbar:
"Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind."
Der Spruch auf dem Tambour unterhalb des Gesimses ist eine Kombination aus zwei Bibelstellen (Apostelgeschichte 4, 12 und Philipper 2, 10) und wurde vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. (1795 bis1861) verfasst.
Die Süddeutsche Zeitung schrieb mit Blick auf den Bibelspruch von einer "unmöglichen Inschrift", die Frankfurter Rundschau mutmaßte unter der Überschrift "Auf die Knie gezwungen", der Spruch sei offenbar weder von Theologen noch von Historikern auf seine aktuelle Bedeutung hin überprüft worden.
Seltsamerweise distanzierte sich auch der Berliner Landesbischof Christian Stäblein von der Inschrift:
"Intolerante Exklusivitätsansprüche sind – auch als historische Zitate – gefährlich und brauchen Gegenbilder."
Das Humboldt Forum werde für diese Gegenbilder sorgen.
Bibelumschrift soll nun phasenweise "mit alternativen, kommentierenden und reflektierenden Texten" überblendet werden
Als die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Grüne) ihr Amt antrat, nahm sie den Berliner Bischof beim Wort. Sie wolle sich nicht mit dem Kreuz und der umstrittenen Inschrift abfinden, sagte sie im Februar 2022. Damit werde ein Dominanzanspruch ausgedrückt, "der einfach nur abschreckend wirkt".
"Wir müssen uns dringend darüber verständigen, wie das Humboldt Forum zu einem Ort der Weltoffenheit werden kann."
Ihr sei "schleierhaft", wie man so eine Kuppelinschrift machen kann, "und dann setzt man auch noch ein Kreuz obendrauf als Beleg der großen Weltoffenheit. Also da will ich ran."
In einem Kunstprojekt soll nun die Bibelumschrift phasenweise "mit alternativen, kommentierenden und reflektierenden Texten" überblendet werden. Welche Texte das sein sollen, wurde nicht gesagt. Texte aus dem Grundgesetz? Weisheiten der Völker? Koranverse?
Der preußische König Wollte dem schwächelnden Christentum neue Bedeutung verleihen
Vor rund einem Jahr hatte das Humboldt Forum bereits Überlegungen vorgestellt, den Spruch nachts mittels Leuchtdioden "mit anderen Aussagen" zu kontrastieren.
Roth argumentiert, der preußische König habe mit den Bibelsprüchen gegen die demokratischen Bestrebungen von 1848 den eigenen Machterhalt zementieren wollen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der König dem schwächelnden Christentum neue Bedeutung verleihen wollte. Ein repressives Königtum, wie Roth behauptet, hat es damals jedenfalls so nicht gegeben.
Wie es scheint, sind die Symbole des Christentums der grünen Kulturstaatsministerin generell ein Dorn im Auge. So offen und tolerant sie sich stets gegenüber anderen Kulturen und Religionen zeigt, so kritisch agiert sie gegen die eigene Kultur. Es liegt ihr offenbar fern, die herausragende Rolle des Christentums für die europäische Kultur anzuerkennen.
Christliche Symbolik hat es derzeit schwer
Christliche Symbolik hat es derzeit schwer, die eigenen Wurzeln werden gerne verleugnet. Mitarbeiter des Auswärtigen Amts ließen für das G7-Außenministertreffen Anfang November im Historischen Rathaus von Münster das 482 Jahre alte Kreuz aus dem Tagungssaal entfernen – weil "Menschen mit unterschiedlichem religiösen Hintergrund" an dem Treffen teilnehmen würden.
Die Ratsvorsitzende der EKD, Annette Kurschus, wurde deutlich: Es sei "vollkommen unverständlich, ja am Rande einer Groteske", dass das Außenministerium das Kreuz für die Beratungen habe abhängen lassen. "Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) wurde im Friedenssaal zu Münster unter diesem Kreuz beendet und Europa damit befriedet", betonte die Theologin.
Die Reaktion der obersten Protestantin Deutschlands macht Mut. Ob in Berlin oder in Münster: In einem zunehmend säkularen Umfeld wird es wichtiger werden, dass die Kirchen und jeder einzelne Christ den Sinn und die Bedeutung der christlichen Symbole erklären können. Und dass sie für diese eintreten.