Zum Festjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" hat das Haus der Bayerischen Geschichte (HdBG) ein Internetprojekt zur Geschichte jüdischer Orte in Bayern begonnen. Am Freitag wurde das neue, vielfältig illustrierte Online-Portal in Regensburg vorgestellt. "Das jüdische Bayern gewinnt sein Gesicht wieder", sagte der Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Staatsregierung, Ludwig Spaenle (CSU). Nur durch das Wissen über jüdisches Leben könnten Vorurteile überwunden und die Menschen "gegen antisemitischen Unrat immun" werden, sagte Spaenle, der der Initiator des Projektes ist.

Zentralrats-Präsident: "Beeindruckend und einmalig"

Ein "beeindruckendes, einmaliges Online-Projekt" sei entstanden, sagte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Es gebe das vielfältige jüdische Leben in Bayern wieder, das aus Religion und Kultur bestehe. Es dokumentiere die "Geschichte der Verfolgung bis hin zum größten Menschheitsverbrechen während der Nazizeit", so Schuster. Jüdische Geschichte sei aber "nicht nur eine Opfergeschichte".

Das Portal zeige, wie weit die jüdische Geschichte in Bayern zurückreiche. So sei bereits im 10. Jahrhundert jüdisches Leben in Regensburg nachgewiesen. Im 11./12. Jahrhundert war es sogar ein Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit, betonte Schuster. Vielen Menschen sei dieser Teil der jüdischen Geschichte nicht bekannt, sagte der Zentralratspräsident. Das Online-Portal könne insofern eine "Brücke zwischen Juden und Nicht-Juden" bauen.

350 jüdische Gemeinden und Synagogen

350 jüdische Gemeinden und Synagogen seien in dem Online-Portal aufgeführt, die es bis etwa 1938 in Bayern gegeben hat, und zusätzlich die Gemeinden, die sich schon im 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts aufgelöst haben, sagte Projektleiter Wolfgang Jahn vom Haus der Bayerischen Geschichte. Beginn sei in der frühen Neuzeit. Aufgelistet sind auch 200 Friedhöfe, etwa 110 jüdische Friedhöfe und weitere 90 KZ-Gedenk- und Ehrenfriedhöfe, auf denen jüdische KZ-Insassen begraben wurden und die mit einem Mahnmal gekennzeichnet sind. Dazu gehörten noch über 60 Zeitzeugenberichte.

"Niederschwelliger Zugang zur Geschichte des jüdischen Lebens in Bayern"

Wolfgang Jahn vom Haus der Bayerischen Geschichte stand uns für drei Fragen zur Verfügung:

Herr Jahn, jüdisches Leben in Bayern ist immens vielfältig und hat eine lange Tradition. Wie ist das neue Online-Portal aufbaut?

Wolfgang Jahn: Es ist ein niederschwelliger Zugang zur Geschichte des jüdischen Lebens in Bayern, der auf der Topografie aufbaut. Das heißt, wenn es an einem Ort in Bayern ein Beispiel für eine jüdische Gemeinde, Synagoge, eine Gedenkstätte oder einen Friedhof gibt oder gab, dann kann man dorthin navigieren und erhält weitere Informationen. Wir haben das verbunden mit Ausschnitten aus unserem Zeitzeugen-Portal, um nicht nur eine Text- und Bildanmutung zu haben, sondern auch durch die beeindruckenden Berichte der Zeitzeugen die jüdische Geschichte anschaulicher werden zu lassen.

Wie groß ist die Datenmenge bis dato?

Jahn: Wir sind noch in der Aufbauphase, haben aber bereits 350 jüdische Gemeinden und Synagogen aufgeführt, die es bis etwa 1938 in Bayern gegeben hat, und zusätzlich die Gemeinden, die sich schon im 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts aufgelöst haben. Beginn ist in der frühen Neuzeit. Dazu haben wir in unserem Friedhofseintrag etwa 200 Nummern, das sind etwa 110 jüdische Friedhöfe und weitere 90 KZ-Gedenk- und Ehrenfriedhöfe, auf denen jüdische KZ-Insassen begraben wurden und die mit einem Mahnmal gekennzeichnet sind. Dazu kommen noch über 60 Zeitzeugenberichte.

"Das Online-Portal ist auch eine Schnittstelle zu den vielen Ehrenamtlichen vor Ort, die sich bemühen, die jüdische Kultur Bayerns wachzuhalten und wieder sichtbar zu machen."

Für wen ist das Online-Portal gedacht?

Jahn: Es richtet sich an alle, die sich für jüdische Geschichte interessieren. In leichter Sprache geschrieben kann man alles in kurzen Texten nachlesen, ohne Fußnoten, aber mit vielen Medien, wie Kurzfilmen, 3D-Simulationen oder Podcasts. Das Online-Portal ist reich illustriert, und es ist auch eine Schnittstelle zu den vielen Ehrenamtlichen vor Ort, die sich bemühen, die jüdische Kultur Bayerns wachzuhalten und wieder sichtbar zu machen. Die Ehrenamtlichen wollen wir einbinden, damit wir deren Ergebnisse in dem Portal aufnehmen können und es weitergeschrieben wird.