Trotz ihres hohen Alters packt Edeltraud Merker bei der Tafel noch immer kräftig mit an. Sie ermutigt Menschen, die sich wegen ihrer Armut schämen, zur Tafel zu kommen. Neuerdings gehören auch ukrainische Flüchtlinge zu den Kunden der Ansbacher Tafel.

Der Ukraine-Krieg bedrückt Merker sehr: "Ich hoffe, dass dieses Massaker endlich aufhört. Ich bin auch Kriegskind. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten habe ich letzte Woche vom Krieg geträumt." Vor fast 20 Jahren hatte die heute 81-jährige Merker gemeinsam mit einer Freundin die Idee, eine Tafel in Ansbach zu gründen. Wir haben mit ihr gesprochen.

"Wir müssen vermehrt die unterstützen, die neu dazu kommen und nicht wissen, wie das im Sozialstaat zugeht."

Was würden Sie jemandem raten, der durch die derzeit hohen Preissteigerungen in eine Notlage geraten ist?

Edeltraud Merker: Kommen Sie zur Tafel! Man muss keine Berührungsängste haben. Wir haben hier Menschen aus den verschiedensten Lebenssituationen. Von jungen Männern, die aus Kriegsgebieten geflohen sind, über Familien mit Kindern bis hin zu älteren Menschen, die eine geringe Rente beziehen. Die, die eigentlich schon immer hierherkommen, die kennen bereits die Stellen, an die sie sich wenden müssen, wenn sie in eine Notlage geraten. Ob das die Caritas ist oder die Diakonie. Die holen sich da ihre Gutscheine und kennen sich aus. Wir müssen eher vermehrt die unterstützen, die jetzt neu dazu kommen und die nicht wissen, wie das im Sozialstaat zugeht. Denen müssen wir unter die Arme greifen.

Viele Bedürftige haben Hemmungen...

Merker: Ja, bei vielen ist die Scham groß. Ich habe Leute, die kommen von außerhalb, von weit weg. Obwohl dort auch Tafeln sind, wollen die da nicht hin. Weil sie Angst haben, jemand könnte sie kennen. Das verstehe ich auch alles. Es gibt schon harte Fälle. Viele rechtfertigen sich noch und sagen: "Ich komme nur heute." Einen Ausweis, um Tafeln zu nutzen, haben sie zwar schon länger, aber in Anspruch nehmen sie das Angebot nur sporadisch. Die ermutige ich dann immer: Kommen Sie jede Woche! Sie haben doch einen Ausweis. Aber das wollen die gar nicht.

Die Corona-Maßnahmen werden Schritt für Schritt gelockert. Das Tragen von Masken ist nicht mehr obligatorisch. Sie gehören aufgrund Ihres Alters zu den Risikogruppen. Machen Ihnen die aktuellen Lockerungen Angst?

Merker: Ich werde bald 82 Jahre alt. Wie die meisten anderen Ehrenamtlichen hier bin ich Teil der Risikogruppe. Viele haben zudem hohen Blutdruck oder andere Vorerkrankungen. Auch haben wir durch Corona einige Helfer verloren. Viele, die sich während des ersten Lockdowns zurückgezogen haben, sind nicht mehr wiedergekehrt.

Aber Sie haben keine Angst?

Merker: Nein. Wir sind hier sehr vorsichtig. Jeden Samstagmorgen lassen sich alle ehrenamtlichen Mitarbeiter testen. Auch Masken werden weiterhin getragen. Für mich steht zudem bald die vierte Impfung an.

"Ich hoffe, dass dieses Massaker endlich aufhört."

Viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine kommen nun ebenfalls zur Tafel und holen sich Unterstützung. Sie haben als Kind selbst einen Krieg miterlebt. Was erhoffen Sie sich für die Situation in der Ukraine?

Merker: Ich hoffe, dass in der Ukraine bald Waffenstillstand eintritt und dass sich dort die Lage beruhigt. Ich hoffe, dass dieses Massaker endlich aufhört. Damit endlich Frieden einkehren kann. Ich bin auch Kriegskind. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten habe ich letzte Woche vom Krieg geträumt. Das habe ich die vergangenen 70 Jahre kein einziges Mal getan.

Sie sind sehr aufgewühlt...

Merker: Das war eine schlimme Zeit. Mein Vater ist vermisst gegangen im Krieg, in Russland. Ich habe ihn all die Jahre gesucht. Ich bin Mitglied im Kriegsgräberverband. Der Krieg in der Ukraine wühlt vieles in einem auf.