Bräuche sind niemals nur lieb gewordene Gewohnheiten, sondern immer sinnstiftende Handlungen, die über die bloße Bedeutung des Backens und Essens hinausreichen. Dabei lassen sich in der Mythologie des Weihnachtsgebäcks die gleichen Spuren verfolgen, die allen Weihnachtsbräuchen zugrunde liegen: Sie sind niemals nur christlich, sondern in ihnen überlagern sich heidnische, teilweise vorchristliche Reste mit christlicher Volksfrömmigkeit.

Die Printen gehören ebenso zu Aachen wie der Dom, in dem Kaiser Karl der Große begraben liegt. Und tatsächlich überschneiden sich diese beiden Wahrzeichen der Stadt in einer Geschichte, die über die Entstehung der Printen aufklären will.

Im Jahr 1656 herrschte nach einem Brand in der Stadt große Not. Da erinnerte sich ein Bäckerjunge an eine alte Sage, derzufolge Kaiser Karl das Rezept für eine Köstlichkeit, Printen genannt, mit ins Grab genommen haben soll. Punkt Mitternacht machte sich der Bäckerjunge auf zum Dom, rief den Teufel an, damit dieser ihm Einlass in die Gruft gewähren sollte, und fand so zum Grab des Kaisers. Kaiser Karl, der schon zu Lebzeiten immer ein Ohr für die Nöte der Menschen gehabt haben soll, händigte dem Bäckerjungen das Rezept aus, und dieser fing am nächsten Tag an zu backen.

Als der Teufel in die Backstube kam, um seinen Lohn abzuholen, schob ihm der Bäckerjunge ein Blech mit frisch gebackenen Printen hin. Diese dufteten so köstlich, dass sich der Teufel sofort darüber hermachte.

In seiner Gier verschlang der Teufel jedoch nicht nur die frischen Printen, sondern auch das heiße Blech und bekam höllische Bauchschmerzen. Seit dieser Zeit, so will es die Legende, macht der Teufel einen großen Bogen um die Stadt. Aachen aber ist seither nicht nur bekannt für seinen Kaiserdom, sondern auch für seine Aachener Printen, die nur dort und in fünf Nachbarorten produziert werden dürfen.

Weihnachtsspezialitäten: Printen und Spekulatien

Aus der Nachbarschaft Aachens, nämlich vom Niederrhein und aus Holland, kommt eine andere adventliche Spezialität, nämlich der Spekulatius. Der Name wird auf das lateinische Wort "speculator" zurückgeführt, das auf Deutsch "Beobachter" heißt. Speculator war aber auch in der Alten Kirche die lateinische Bezeichnung für einen Bischof, und damit führt der Spekulatius zum Bischof Nikolaus von Myra, dem heiligen Nikolaus, dessen Namenstag am 6. Dezember gefeiert wird. Über das Engagement des Nikolaus von Myra für die Armen gibt es eine Reihe von Sagen, die im Lauf der Jahrhunderte immer weiter ausgebaut wurden.

Irgendwann hat man am Niederrhein und in Holland begonnen, diese Sagen um Nikolaus als Bildergeschichten in Relief-Form mit Mürbeteig zu backen. In der Adventszeit sollte so an die Wohltaten des Bischofs erinnert werden, und der alte Bischofstitel "Speculator" war gleichzeitig namensgebend für das Gebäck.

Weihnachtsgebäck: eine keltische Tradition       

Sowohl Printen als auch Spekulatius verweisen in ihren Herkunftslegenden auf ein christliches Umfeld. Allerdings ist der Brauch des Weihnachtsgebäcks älter, denn die christianisierte Bevölkerung hat ihn von den Kelten übernommen. Ursprünglich backten diese Opferbrote, um sie in der Nacht der Wintersonnenwende vom 21. bis 22. Dezember den Göttern zu opfern; dadurch sollten sie im Folgejahr vor bösen Dämonen geschützt werden. Nach der Christianisierung blieb der Brauch erhalten, wurde jedoch christlich umgedeutet: Die Opferbrote waren nun Weihnachtsbrote, und die Plätzchen in Tiergestalt erinnerten an die früheren Opfertiere.

Die Christstolle, ein Symbol für das Christkind

Vermutlich ist das aus dem Keltischen übernommene Weihnachtsbrot auch eine der Herkunftslegenden des Christstollens. Der Christstollen ist ein sogenanntes Bildgebäck, was bedeutet, dass seine äußere Form auf seinen Symbolgehalt schließen lässt. Tatsächlich symbolisiert er mit seiner Form und dem weißen Puderzucker das in Windeln gewickelte Christkind. Eine weitergehende Interpretation deutet den Christstollen als Gebäck zum Gedenken an die durch König Herodes ermordeten Kinder. Dazu passt, dass in manchen Regionen der Stollen erst am 28. Dezember, dem Tag der unschuldigen Kinder, angeschnitten werden darf.     

Doch der weit verbreitete traditionelle "Anschnittstag" ist der 24. Dezember. Im Gegensatz zu dem Adventsgebäck Spekulatius ist der Christstollen ein Weihnachtsgebäck. Der Volksglaube in Dresden, der Heimatregion des Stollens, behauptet, dass ein Familienmitglied stirbt, wenn der Stollen vor Weihnachten angeschnitten wird.

Gerade am Christstollen lässt sich zeigen, dass die gängige Herkunftslegende nicht die historisch wahrscheinlichere ist. Zudem stammt der Stollen auch gar nicht aus Dresden, sondern wurde um 1330 erstmals in Naumburg an der Saale gebacken.

Päpstliche Erlaubnis für Butter

Als Fastengebäck kam er dann um 1400 nach Dresden. Dementsprechend karg waren die Zutaten; es durften nur Mehl, Hefe und Wasser verwendet werden, als Fett war nur Rapsöl erlaubt.

Überliefert ist nun, dass Kurfürst Ernst von Sachsen (1441-1486) und sein Bruder Albrecht ein Gesuch an Papst Innozenz VIII. richteten und um Erlaubnis baten, ausnahmsweise Butter anstatt Rapsöl verwenden zu dürfen.

Der Papst gab die Erlaubnis, allerdings unter der Bedingung, dass sich der Kurfürst finanziell am Bau des Freiberger Doms beteiligen solle. Fortan wurde die Ausnahmegenehmigung großzügig gehandhabt, und der Christstollen erlebte dank reichlicher Zutaten einen Aufstieg vom kargen Fastengebäck zum üppigen Festtagskuchen.